Wie ein 20-Jähriger einen Verlag demontiert

Die folgende kleine Geschichte besteht eigentlich aus zweien. Auf den ersten Blick haben sie nichts miteinander zu tun, auf den zweiten dann schon eine ganze Menge — und beim dritten Blick bemerkt man, dass sie symptomatisch für viele unserer Tageszeitungen werden könnte.

Der erste Teil handelt von einem jungen Mann aus Fürstenstein in Bayern. Sein Name ist Michael Wagner und ebenso wenig spektakulär wie sein Name ist seine Passion: Fußball. Nicht nur solcher, der sich in den großen Ligen Europs abspielt, sondern auch der, der jeden Tag auf kleinen Sportplätzen in den Niederungen der Kreisligen gekickt wird. Große Leidenschaft, die zu einem zunächst kleinen Ergebnis führte: Vor vier Jahren setzte der damals 16-Jährige eine kleine Seite ins Netz. Thema: lokaler Fußball aus der Region Passau, von der untersten Kreisliga bis in die Bayernliga. Wagner machte sich dabei etwas zunutze, was zu den unschlagbaren Vorteilen des Netzes gehört: Er hatte de facto unbegrenzt Platz zur Verfügung. Das klingt erst einmal schrecklich banal, bekommt aber an Spannung, wenn man ein wenig weiß, wie der lokale Fußball in den meisten Lokalredaktionen der Tageszeitungen in Niederbayern behandelt wurde. Für viele kleine Vereine reichte es gerade mal für ein paar mickrige Zeilen, oft gerade mal das Spielergebnis mit Torschützen.

Aus nüchterner, journalistischer Sicht ist das natürlich — begründbar. Klar sind es oft ziemlich gruselige C-Klassen-Kicks und oft schauen da nur ein paar Spielerfrauen und ein paar Leute aus dem Dorf zu. Es wäre also nichts einfacher als zu sagen: Was zur Hölle hat das mit einem womöglich noch ernst gemeinten „Spielbericht“ in der Zeitung zu suchen? Nimmt man den reinen Informationswert oder gar den sportlichen Wert des Ganzen als Maßstab, kommt man schnell zu einem gut begründbaren Ergebnis: nicht mehr als drei Zeilen.

Das ist der eine Aspekt. Der andere ist (wie so häufig im Lokalen): Genau dafür interessiert sich bei den Lesern kein Mensch. Niemand will unsere journalistische Erwägungen wissen, wenn es um ein kleines Fußballspiel geht. Stattdessen wollen sie: einen ausführlichen Spielbericht mit minutiöser Schilderung der dramatischen Ereignisse auf dem Platz. Viele Bilder, wunderbare Statistiken, Tabellen, Meinungen zum Spiel. Im Grunde also soll das C-Klassen-Spiel abgehandelt werden wie ein Länderspiel.

Für die allermeisten Zeitungen ist das aus diversen Gründen nicht leistbar. Es würde ihre Umfänge sprengen, ihre personelle Infrasturktur ist nicht darauf ausgelegt. Vor allem: Wenn man ein Kreisklassenspiel so behandelt, was macht man dann mit dem Länderspiel? Eine Sonderausgabe?

Keine Ahnung, ob sich Michael Wagner all diese Gedanken jemals gemacht hat. Was er machte, könnte diesem Gedanken aber gefolgt sein: Er lieferte auf seinem Portal den vielen Fußballfans in der Region genau das. Jede Liga, jedes Spiel wird dort inzwischen ausführlich geschildert. Es gibt Spielerbörsen, Tabellen, Statistiken, kurzum: Wagner hat ein hyperlokales (Fußball-)Medium gemacht — und die User dort sind glücklich. Bis zu 20.000 Besucher hat die Seite inzwischen. Und einen Mitarbeiterstamm, der jedem großen Medium zu Ehre gereichen würde.

Womit wir allmählich zum zweiten Teil der Geschichte kommen. In Passau sitzt ja auch die große PNP, ein Regionalblatt mit einer Auflage von rund 170.000 und in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets ein klassischer Monopolist. Der Kreisklassen-Fußball wurde (und wird) dort seit Jahren so behandelt wie beschrieben. Ob das richtig war oder nicht, war lange Zeit dahin gestellt. Ganz einfach deswegen, weil es für den Verlag nicht relevant war, ob die Leser das mochten oder auch nicht. Schließlich blieb ihnen keine andere Wahl — entweder PNP lesen oder auf Informationen zu den Spielen verzichten.

Diese Schläfrigkeit führte dann auch dazu, dass die große PNP lange nicht bemerkte, was sich in ihrem Schatten entwickelte. Sie betrieb weiterhin ihren Verwaltungsjournalismus in der Zeitung und was online passierte, beachtete sie nicht. Das aus zweierlei Gründen: zum einen, weil sie sich für das Netz und für neue Medien ungefähr gar nicht interessierte, zum anderen, weil ihr vermutlich der Gedanke, jemand anderes könne im Großraum Passau  ein ernstzunehmendes journalistisches Angebot etablieren, völlig suspekt war. Was wiederum dem alten analogen Denken und dem völligen Unverständnis für digitale Medien geschuldet war: Dass die Kosten, ein digitales Medium zu etablieren, deutlich unter denen eines Printmediums liegen, hatte sich noch nicht ganz bis zur PNP rumgesprochen. Und dass ein 16jähriger Azubi  damit die Möglichkeit hat, unbemerkt zum Verleger eines Mediums zu werden, schien den Passauern auch nicht ganz einzuleuchten (ist ja auch, wenn man ehrlich ist, erst einmal schwer vorstellbar).

Die Konsequenz dessen war einfach: Während die PNP weiter vor sich hin dilettierte und einen merkwürdigen Onlineauftritt hinlegte, bei dem viele Inhalte zahlenden Abonennten vorbehalten blieben, wuchs Wagners „Fußball Passau“ zu einer überaus beachtlichen Konkurrenz heran. Konkurrenz? Eigentlich das falsche Wort. Wer wissen will, was im regionalen Fußball passiert, hält sich inzwischen viel eher an das gut gemachte Wagner-Portal als an den öden PNP-Auftritt. Danach versuchte man mehreres: Man probierte Wagner unter Druck zu setzen, man versuchte, den unliebsamen Konkurenten zu kaufen. Alles erfolglos, Wagner, inzwischen 20, macht nicht nur unbeirrt weiter, er hat aus seinem Online-Portal inzwischen auch ein Fußball-Heft gemacht, das in diesen Tagen erstmals erschienen ist.

Bei der PNP hingegen geht es mal wieder gerade etwas lustig zu. Es zeigt die ganze Hilflosigkeit, die in einem solchen Großverlag herrscht. Der gerade mal vor einem Jahr gekommene Passauer Lokalchef soll jetzt Chef einer neuen Multimedia-Truppe werden, weil die PNP beschlossen hat, sich bereits ab  2010 an den Zeitgeist zu hängen und einen neuen Onlineauftritt zu entwickeln. Dafür soll es sogar, man glaubt es kaum, eine richtige eigene Redaktion geben. Warum man sich als Chef dieses Auftritts jemanden auserkoren hat, der nachweisbar keinerlei Expertise in diesem Bereich hat, mag man spekulierendererweise auch damit begründen, dass auch er es nicht geschafft hat, den stetigen Auflagenrückgang in Passau zu stoppen.  Jedenfalls zeigt ich der ganze Leidensdruck von Regionalzeitungen sehr schön in dieser Geschichte: Über viele Jahre hinweg übte sich der Lokalriese PNP als bräsiger Platzhirsch, um jetzt zum Scheinriesen zu mutieren. Ein 20-Jähriger nimmt ihnen die Kernkompetenz Lokalsport, Onlinekompetenz im Haus gibt es de facto nicht, ein Nicht-Onliner wird deswegen zum Chefredakteur des Onlineangebots gemacht. Gleichzeitig befinden sich Auflage und Anzeigenerlöse weiter im Sinkflug, was durch Einsparungen beim Personal kompensiert werden soll. Welche Auswirkungen das hat, ist leicht absehbar: Das Blatt wird dünner, es wird schlechter,  es verliert den Zugang zu einem jüngeren Publikum (das sich schon längst online rumtreibt). Innerhalb eines Jahres (3. Quartal 2008 bis 3. Quartal 2009) hat die PNP laut IVW erneut rund 1500 Auflage verloren. Diese Erosion wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken und die PNP hat keinerlei Alternative zur Kompensation, weil sie es in den letzten 10 Jahren versäumt hat, neue Kanäle zu entwickeln und aufzubauen.

Michael Wagner jedenfalls ist guter Dinge. Jedes Jahr hat sich sein Nutzerkreis bisher verdreifacht.

Er braucht die PNP sicher nicht. Und seine Leser — brauchen sie auch nicht mehr.

Dieser Beitrag hat 41 Kommentare

  1. Sascha A. Carlin

    Nette Geschichte, vielen Dank!

    Aber: Kein einziger Link?

  2. Thomas

    „Für viele kleine Vereine reichte es gerade mal für ein paar mickrige Zeilen, oft gerade mal das Spielergebnis mit Torschützen.“

    Anders ist es auf Wagners Seite auch nicht:

    „Der 1. FC Passau entführte trotz einer nicht vpllständig überzeugenden Leistung verdient die 3 Punkte aus Mauth.

    Die Gastgeber gaben nie auf und kamen sogar in Unterzahl zum Ausgleich, aber Florian Wagner stellte mit seinem dritten Treffer diese Woche die Führung wieder her.
    Dominique Hermann, 1. FC Passau am 12.08.2009 22:19 Uhr“

    Tippfehler unkorrigiert, zwei Sätze, geschrieben von einem Mitglied des Vereins.

    Jetzt zu unterstellen, ein Zwanzigjähriger würde einer Lokalzeitung zeigen, wie Lokaljournalismus funktioniert, da ist wohl eher der Wunsch Vater des Gedanken.

    Richtig ist, dass so eine Seite allerdings superinteressant ist und sicher auch ein Geschäftsmodell sein kann. Ich wünsche mir trotzdem, dass weniger Teenager und mehr ausgebildete Journalisten so etwas machen. Aber da sind wir sicher alle derselben Meinung.

  3. Frank Kemper

    Eine Frage: Wovon lebt der Herr Wagner? Über die sinkenden Erlöse der PNP bei Anzeigen und Vertrieb wurde mehrfach geschrieben, aber nichts darüber, ob der Herr Wagner Einnahmen hat.

  4. Moritz Meyer

    Die Lektion die ich daraus ziehe: Lokalzeitungen sollten so ein Angebot entweder direkt selbst machen, wenn sie es sich leisten können. Oder, wenn es so ein Angebot gibt, sich direkt aus der kompletten Spielberichterstattung zurückziehen und sie – gerne mit täglichem Verweis im Blatt: Alle Ergebnisse und Tabellen finden sie auf – dieser Webseite überlassen. Statt sich mit so einem Killefitt, der nur Ressourcen bindet, abzuplagen, können die Reporter die frei gewordene ZEit nutzen, den Dingen auf den Grund zu gehen, die auch ein 20-Jähriger Wunderknabe nicht schafft. Gerade der Lokalsport kann sicherlich ein wenig Recherche vertragen.

  5. Jens

    Soso. Bezahlt Herr Wagner seinen enormen „Mitarbeiterstamm“ auch ? Wenn nicht, taugt die hier vorliegende Monetarisierung der ehrenamtlichen Arbeit von Hobby-Autoren (damit meine ich explizit nicht die Leute direkt von den Vereinen mit ihren Dreizeilern) wohl kaum als leuchtendes Beispiel von „David gegen Goliath“.

  6. nolookpass

    Bis zu 20.000 Besucher hat die Seite inzwische.

    Am Tag? Im Monat? Laut IVW? Laut Eigenauskunft?

  7. Ein Journalist

    @Moritz

    Erzähl dass mal deinem Chef Twer vom Mittelrhein, der schon wieder 40 Redkateure entlässt und kein funktionierendes Onlineangebot auf die beine stellt. Und nein, den dpa Ticke und halbwegs große RLP-Themen online verwursten, ist einer Regionalzeitung nicht würdig. Und nein, es bringt auch nichts, dass die Kollegen Wienand und Stauber an den „Twitter-Desk“ zu setzen oder bei Wer-kennt-Wen und Facebook umtriebig sein zu lassen. Und nein, Die 40 Mojos mit ihren Knebelverträgen werden es auch nicht mehr richten.

    Und ja, du kannst nichts dafür.

  8. Dominic

    @Thomas: Wenn man – so wie augenscheinlich DU – alles schlecht sehen und machen will, dann kann man das auch. Ob es nun Haarspalterei, Kliengeistigkeit oder ähnliches ist, mag ich von hier nicht zu beurteilen.

    Und diese Fragen nach Geld. Artikel zwar gelesen, aber ncihtmal ansatzweise den Artikel gelesen. Hu? Richtig, zwar gelesen, aber eben nicht verstanden. Das „dem Verlag zeigen“ galt NICHT in Gelddingen, sondern darin, dass man dem großen Verlag ein an und für sich exklusives metier abgenommen hatte, das dieser Verlag stiefmütterlich behandelt hat, und nun Panik bekommt, und nachziehen will, mit eben auch den (wahrscheinlioch) falschen Ansaätzen.

    Naja, Meckern und Klugscheissen ist eben doch einfach als einen Text zu verstehen.

  9. Thomas Berscheid

    Servus,
    was mich wundert: Warum hat die Zeitung den Herrn Wagner nicht gleich abgemahnt? Normalerweise lassen Monopolisten doch gleich ihre Anwälte von der Leine, um ihre Konkurrrenten zu töten.
    Oder hat diese Zeitung sowenig Ahnung vom Internet, dass die das immer noch nicht kapiert haben?
    Und dann könnten sie doch den DFB einschalten. Wie das Beispiel der Hartplatzhelden zeigt, kann man mit Hilfe des Heeres der Anwälte prima gegen die eigenen Mitglieder vorgehen und verhindern., dass die eigenen Mitglieder Videos ihrer eigenen Spielen ins Netz stellen.

  10. cjakubetz

    @nolookpass: Sorry, mein Fehler. Die Besucherzahlen bezogen sich auf die täglichen Besucher (die Zahlen sind allerdings nicht IVW-geprüft).

  11. Felix Nagel

    Interessanter Artikel — fast so interessant wie das Wehgeheule der etablierten Hofberichterstatter in den Kommentaren. 😉

  12. FS

    Das wundert mich alles wenig. Ich habe mehrere Jahre in Passau gewohnt und abgesehen von einem Probe-Abo ganz am Anfang die PNP nie bezogen. Grund dafür war der Wahn der Verlagsgruppe Passau ein Blatt von überregionaler Bedeutung herauszubringen. Im Endprodukt sah das so aus, dass sich zwar immer wieder Interviews mit Bundespolitikern und bundespolitische Exklusivmeldungen schwankender Qualität im vorderen Teil befanden, der Lokalteil dagegen manchmal aussah wie vom Praktikanten gebastelt. Das eigentliche Alleinstellungsmerkmal Lokalkompetenz hat die PNP schon in den 90ern verloren.

  13. Rainer Barg

    Thomas:
    > Tippfehler unkorrigiert, zwei Sätze,
    > geschrieben von einem Mitglied des Vereins.

    Jens schrieb:

    > Soso. Bezahlt Herr Wagner seinen enormen
    “Mitarbeiterstamm” auch ?

    Das Interessante an dieser Sache ist doch nicht, ob es jemand schafft, das bisherige Modell des Journalismus und das passende Geschäftsmodell zu sich herüberzuziehen.

    Das Interessante ist doch vielmehr, dass der Journalismus und/oder die Publizistik als solche grundlegend verändert. Es ist nicht mehr der Bipol Verleger/Leser, sondern es ist viel eher eine Graswurzelbewegung geworden: Die Zielgruppen vernetzen sich selbst, im Zentrum des Info-Netzes sitzt keine fette Spinne mehr, die alles kontrolliert und daraus bombastische Renditen zieht.

    Genau das wird das ganz große Problem der etablierten Medien werden oder ist es auch schon. Als nächstes bilden sich dann vielleicht Kaninchenzüchterforen en masse. Einen Qualitätsverlust würde dieser „Bürgerjousnalismus in eigener Sache“ kaum mit sich bringen, denn derzeit gibt es eigentlich fast in keinem Lokalblatt mehr eine Qualität, die man noch unterbieten könnte. Und unabhängig sind auch die lokalen Medien seit langem nicht mehr. Da gibt es viel zu viele unsichtbare Allianzen, von denen die Leser wohl auch lieber nichts wissen wollen.

    Vor diesem Hintergrund ist mir diese Entwicklung der lokalen Webs sehr sympathisch. Das ist transparent und authentisch. Im übrigen behelligt man damit dann auch keine Unbeteiligten, die mit Fußball oder Hühnerzüchten gar nichts am Hut haben, diesen krempel aber jeden morgen per Zeitung vorgesetzt kriegen.

  14. cjakubetz

    @Rainer Barg: Exakt. Das ist für mich auch der Hauptgrund gewesen, diese Geschichte aufzuschreiben.

  15. Chat Atkins

    @ Thomas: Das Problem der Lokalzeitungen ist doch ein dreifaches: 1. haben sie notorisch zu wenig Platz im Vergleich zum uferlosen Internet, auch deshalb, weil sie 2. immer noch ‚massenmedial‘ von Pontius bis Pilatus aufgestellt sind, also dreiviertel des Inhalts dem jeweiligen Leser am Mors vorbeigeht und 3. niemand – oder allenfalls einer – auch leben kann vom neuen Schreiben im mikromedialen Raum, das zunehmend an die Stelle des schnarchlangweiligen Verwaltungsstils in den teuren Regionalblättern tritt. Wo bleibt da der Old-School-Journalismus? Tscha – weiß ich auch nicht …

  16. Thor

    Eine Heimat- und Lokalzeitungen ist das Medien schlechthin für „verwurzelte“ Menschen. Ein wichtiger Strang dieser „Wurzel“ ist der identitätsstiftende Lokalsport. Wer den kappt oder absterben lässt entwurzelt sich selber. Und was mit Entwurzeltem passiert ist bekannt: Es wird vom Winde verweht…

  17. Thomas

    @ Dominic // Dez 3, 2009 at 10:57 und andere:

    „sondern darin, dass man dem großen Verlag ein an und für sich exklusives metier abgenommen hatte“

    Das sehe ich anders. Ich finde keineswegs, dass eine regionale Fußballdatenbank von Natur aus irgendwie Aufgabe eines Verlages wäre. Wäre es das Flirtportal dann auch? Vielleicht die Pornoseite mit den Amateuren von nebenan?

    Das exklsuive Metier eines Verlages sollte, solange es kein anderes Modell gibt, sein 1.Qualitätsjournalismus zu produzieren 2.zu finanzieren und nicht zu Organisation von Vereins- oder Freizeitaktivitäten beizutragen.

    Es ist doch völliger Quatsch zu sagen, Verlage, also Journalisten, sollen das jetzt auch alles machen, was man alles im Internet machen kann. Twittern, Facebook, Fußballdatenbanken erstellen. Das sind zwei verschiedene Dinge. Das wäre ja als würde ich behaupten, mein Blog wäre Journalismus. Obwohl ich ausgebildeter/studierter Journalist bin, hat mein Blog gleich gar nichts mit Journalismus zu tun. Es ist einfach etwas neues, was es vorher nicht gab, vielleicht sowas wie ein Film- und Fernsehclub, oder eben ganz klassich: ein öffentliches Tagebuch. (Blogs können aber natürlich journalistisch sein, wenn man das will, ich kenne aber eigentlich keine deutschen, die das wirklich sind).

    Nicht anders ist es mit der Fußballseite aus Passau. Das sind zwei verschiendene Dinge. Wenn es Einnahmen bringen würde, könnte man es theoretisch als Form der Quersubventionierung betrachten, wie das „neue Verlage“ also Internetfirmen jetzt schon versuchen (news.de?).

    Geht das und alle anderen Versuche nicht, hat sich das Verlagsmodell dann halt einfach erledigt. Dann muss man sehen, dass man Stiftungen, öffentlich-rechtliche Systeme oder andere Formen die hauptberufliche Journalisten bezahlen können, findet.

    Zu sagen, es gehe bei der ganzen Diskussion gar nicht um Geld, sondern darum, dass Verlage irgendwo präsent sind und mitmachen oder Vorreiter sind, wo auch die Leute sind, das ist irgendwie ne romantische Vorstellung von Verlagen und der Welt ansich.

    Also dieser Gedanke von Jakubetz, Verlage behandelten Lokalsport stiefmütterlich und deswegen zeige es jetzt ein Jugendlicher, wie man besser macht, den habe ich nicht. Das was da passiert ist, ist eine ganz natürliche Entwicklung, die aus meiner Sicht gar keinen Einfluß auf das hat, was wirklich wichtig ist: die Sicherung von Kritik- und Kontrolle lokaler Politik, Unternehmen usw. .

  18. Marc

    Das klingt natürlich immer klasse, aber sind wir doch mal ehrlich: Bei der PNP hätte das Modell doch nie funktioniert. Selbst wenn die Zeitung das zum Selbstkostenpreis und ohne organisiert hätte. Weil einige es dann nicht kostenlos machen würden und man es dem Verlag nicht geglaubt – und auch nicht gegönnt – hätte.

    Lokalzeitungen haben meiner EInschätzung nach das Problem, dass die zwei oder drei Skandale im Jahr für viele kein Grund sind mehr, ein ganzes Jahr ein Blatt zu abonnieren. Nur wie soll die Lösung aussehen? Die ganze Zeitung so aufstellen, dass sie anzeigenfinanziert läuft? Hoffen, dass das die Blogger im Ort erledigen?

    Da haben wir dann aber auch wieder „viel zu viele unsichtbare Allianzen“.

  19. Niccolo

    Das ist doch wunderbar, wenn ein 20-Jähriger eine erfolgreiche Community gründet. Mit Einfallsreichtum, Ehrgeiz und Zeit funktioniert viel im Internet. Wenn dann erstmal Studium, Arbeit und Freundin kommen, kann sowas aber auch schnell wieder zu Ende gehen.

    Bei der genannten Homepage ist vielleicht schon eine Größe erreicht worden, die zu einem Selbstläufer werden könnte, weil genug Freiwillige daran mitarbeiten. Doch die Frage der Finanzierung bleibt. Zwar kann man Werbung buchen laut Webseite, Banner sehe ich aber keine – bis auf ein paar auf der Partner-Seite (50 Euro / Banner?). Je größer die Community wird, je mehr Besucher sich darauf tummeln und je mehr Fotos darauf gestellt werden, desto mehr Geld muss der 20-Jährige in sein Hobby stecken: Mindestens ein Hochleistungsserver für die Homepage mit den Fotos muss schon her, wahrscheinlich noch ein eigener Server für die große Datenbank, dann noch Server für die Backups usw. Kein Problem, eine Modelleisenbahn kostet ja auch Geld.

    Ein Verlag muss wirtschaftlich denken. Auch deshalb sind nicht von jedem C-Fußballspiel Fotos und Berichte in der Zeitung. Seine freien Mitarbeiter muss ein Verlag im Gegensatz zu einer privaten Community ebenfalls zahlen, wenn auch nicht sonderlich gut. Papier und Druck sowieso.

    Natürlich könnte diese neue Multimedia GmbH des Verlags auch Communitys gründen. Aber das kostet Geld und bringt kaum Geld, ebenso wenig wie die Online-Auftritte der Zeitungen. Die TWs hätten trotzdem einen entscheidenen Wettbewerbsvorteil: Sie und ihre Mitarbeiter arbeiten kostenlos. Selbst wenn die Zeitungsleute schneller und besser wären: Zahlen würde dafür trotzdem niemand.

    Hätte vor 20 Jahren ein 20-Jähriger eine kostenlose Zeitung auf dem Marktplatz verteilt, hätte er eine größere Auflage an die Bürger gebracht, als die etablierte Tageszeitung. Und sicher hätte er ihr auch Abonnenten gekostet. So ist es nun vielleicht ähnlich. Glück für die Verlage, dass solche Leute, die Zeit und Geld ohne Gewinnabsicht investieren, zur Seltenheit gehören.

  20. JR

    … die ganze Aufregung kann ich gut verstehen.

    Die alte Dame PNP, geleitet nun von einer „jungen Dame“, verschließt sich seit langem den Online-Lesern. Als ich einen Online-Zugang der PNP käuflich! erwerben wollte, wurde mir gesagt, ich müsse erst die reguläre Printausgabe abonnieren.

    Da ich die Zeitung erst zwischen 10 und 12 Uhr mit der Post zugestellt bekäme, habe ich dankend auf das Print-ABO verzichtet mit dem Hinweis, ich würde die PNP sowieso nur Online lesen wollen und zum Anheizen unseres Ofens bzw. Füllen meiner Papiertonne bräuchte ich keine Printausgabe – welche ja bereits um 11 Uhr veraltet sei.

    Mir wurde gesagt: …dann ginge es nicht – ich könne auch keine zusätzlichen Ausgaben dazubuchen – usw.

    Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass sich die PNP vor fast zwei Jahren öffentlich beschwert hat darüber, viele Abonnenten an Internet-Portale zu verlieren und man keine extra Online-Redaktion aufbauen wolle. Nun, diese Einstellung hat sich überholt und die PNP will/kann/muss sich endlich eine echte? Online-Redaktion leisten – ich bin gespannt !

    Vielleicht gibt es dann auch ein Online-ABO oder werden die lokalen Artikel dann sogar generell freigegeben ?

  21. Christian S.

    @JR

    Vielleicht hat sich das mittlerweile geändert (was ich nicht nachvollziehen könnte!), aber das ein e-Paper nicht ohne Print-Abo zu beziehen ist, ist definitiv eine Falschaussage eines/r schlechtinformierten/geschulten Mitarbeiters/in bei der PNP.
    Aber da spiegelt sich dann auch die Personalpolitik wider! Fachkräfte (zu teuer) freisetzen und durch mehrere 400 Euro-Jobber ersetzen…

  22. Niccolo

    Ja, das war eindeutig eine falsche Information, die Ihnen mitgeteilt wurde. Sie können hier ein ePaper abonnieren: http://www.pnp.de/paper/

    @Christian S. Natürlich sollte jeder Mitarbeiter der PNP auch wissen, welche Angebote die PNP im Internet hat. Und wenn er es nicht weiß, das auch ehrlich sagen. Aber ein Onliner ist doch auf die normalen Vertriebswege eigentlich nicht angewiesen und sollte fit genug sein, sich im Internet das holen zu können, was er will: Ein Abo, das auf der PNP-Startseite verlinkt ist…

  23. Huge

    Ein paar Worte zur Verteidigung des Lokaljournalismus. Ich hab drei Jahre lang als freier Mitarbeiter auf genau diesem Gebiet gearbeitet und teilweise auch diese Dreizeiler mit Ergebnis und Torschützen produziert.

    Mehr ist aber auch ganz einfach nicht möglich. Erstens personell, denn bei uns war eine Person für 20 Spiele dieser Art zuständig. Da wurden dann einfach die Infos von den Vereinsverantwortlichen abtelefoniert und eingegeben. Zweitens platztechnisch, denn bei einem ausführlichen Spielbericht für jede Partie, an der ein Verein aus dem Kreis beteiligt ist, sprengt einfach den Rahmen. Die Zeitung kann am Montag ja nicht nur aus (Kreisliga-)Fußball bestehen.

  24. Tim

    Der Herr Wagner hat weder den Anspruch, den Lokaljournalismus zu revolutionieren, noch will er ein bundesweites Buzz-Medium aufstellenn und für zweistellige Millionebeträge monetarisieren, wie andere „Medien-Start-Upper“.

    Es zeigt nur, dass sich im Internet Informations-Angebote schaffen lassen, die Menschen interessieren. Und dies sollte eigentlich für Zeitungsverlage das Ziel ihrer Arbeit sein. Dass sie das bisher nicht erreicht haben, lässt die Zukunft der Zeitungsverlage düster aussehen.

  25. JR

    @Christian S. & @Niccolo

    danke für die Info … das mit E-Paper (PNP-Paper!) hatte ich herausgefunden bzw. auch mitgeteilt bekommen. Ich wollte aber nicht das E-Paper, die „1:1-Version der gedruckten Zeitungsausgabe mit allen Artikeln, Bildern und Anzeigen“ abonnieren sondern lediglich den Onlinezugang zu den lokalen Artikeln käuflich erwerben – und zwar für alle Ausgaben in Niederbayern.

    Eben da gibt es diesen einen kleinen feinen Unterschied – nicht möglich.

  26. Ralph

    Eine lokale Zeitung ist doch weitaus vielschichtiger als nur über lokalen Sport zu berichten-
    Wenn die lokale Zeitung nur wegen dem lokalen Sport gekauft und gelesen wird, läuft sowieso etwas falsch.

  27. Ulrich Voss

    @Ralph:

    Natürlich ist es ein Problem, wenn man eine Lokalzeitung nur wegen des Sportteils kauft. Aber die Geschichte mit dem Sportblogger wird sich bei der Politik wiederholen. Und sie wird sich bei der Kultur (Konzerte, Theater) wiederholen. Weil das alles Themen sind, mit denen sich die Leute unbezahlt die Zeit vertreiben, im Gegenteil teilweise sogar dafür bezahlen. Ihnen liegt das Thema am Herzen. Und nachher noch was drüber schreiben, was in der Qualität den üblichen Qualitätstandard einer Lokalzeitung erreicht, ist dann auch nicht mehr so schwer.

    Klar, e swird vielleicht ein paar Sachen geben, über die nachher niemand mehr berichtet. Aber ob diese Themen wirklich jemanden interessieren? Zumindest soweit, dass dafür jemand 20 Euro im Monat bezahlt? Ich bezweifle es.

  28. Frittenmeister

    Hervorragenden Geschichte, ich kenne die PNP und ihren „Heimatsport“ und das was sie da immer veröftentlichen können sie sich schenken. Da holt man sich zwangsweise die Informationen woanders (-> Internet). Die ganze Geschichte zeigt mal wieder wie die klassischen Medien jegliche Modernisierung verpennt haben und auch bis heute nur spärlich erkennen, das die Zukunft anders aussehen wird als die Vergangenheit. Oder anders gesagt: Wieso sollten wir was ändern, wir sind die Zeitung…

  29. Hannibee

    Die Argumentation dieses Artikels verstehe ich nicht. Es ist doch nicht bewiesen, dass der Verlust von 0,88 % Abonnenten der PNP mit FuPa zusammenhängt. Kann doch auch heißen, dass diese Leute einfach sparen, und auf ein Lokalblatt verzichten. Die FuPa-Nutzer hatten vielleicht nie die PNP abonniert. Wer Spielberichte von regionalen Fußballvereinen liest, ist doch nicht unbedingt identisch mit Leuten, die aus Tradition die Lokalnachrichten lesen. Und würden FuPa-User sich denn überhaupt durch 10 Seiten lokalen Fußball wühlen, um ihren Verein zu finden, und dann den ganzen Mist zum Altpapier zu tragen? Das sind doch einfach zwei Paar Stiefel. M.E. bläst dieser Artikel einfach ins z.Zt. überall parat stehende Horn.

  30. Marco

    Schöne Story, ich wünschte, etwas vergleichbares würde es auch in unserer Region geben. Dort gibt es auch nur „Dinosaurier“ wie die PNP, aber die spannendsten Lokalmeldungen berichten dann über die Seniorenfahrt nach Böhmen etc.

  31. Thorsten

    Schön geschriebener Text,
    der einen in die Story vor Otr reinzieht.

    Toll wäre noch oTöne der Beteiligten gewesen (Wagner + PNP)!

  32. Helfer

    Hallo, ich „arbeite“ bei FuPa.
    Ich kann die meisten Kommentare verstehen und nachvollziehen.

    Zum Thema Rechtsstreit: Ja den gab es mal, aber das war nur eine Copy-Paste-Sache zwecks der Statistiken …
    Das Problem wurde aber gelöst —> mehr freiwillige Helfer bzw. besserer Info-Austausch zwischen Vereinen und FuPa-MAs

    Bei der Finanzierungsfrage/Lebensunterhalt von Michael Wagner:
    Er ist selbstständiger Webdesigner etc … FuPa und das Magazin Querpass allein würden seinen Mittagsisch nicht decken …

    MfG ein Helfer

    P.S.: Bei uns wird keiner entlohnt ausser mit Weihnachtsgeschenken und/oder freien Eintritt bei manchen Spielen (wobei da auch dann darüber berichtet wird)

  33. Niccolo

    Hallo Helfer,

    danke für die Klarstellung! Würdest du auch ehrenamtlich helfen, wenn Michael Wagner das große Geld mit der Seite macht oder die PNP soetwas anbietet?

    In der Süddeutschen Zeitung vom Donnerstag, 14. Januar, wird unter „Hammelklasse, weltweit“ auf Seite 42 informativ und sachlich über Michael Wagners Portal berichtet.

    450 Euro im Monat bleiben ihm im Monat vom Gründerzuschuss des Staates. Damit sehe ich meine Vermutungen vom 3. Dezember (s.o.) bestätigt.

    Es ist ein schönes Hobby für ihn, von dem er hoffentlich irgendwann gut oder besser leben kann.

    Dass er damit einen Verlag demontiert, wie es PNP-Fan Jakubetz beschreibt, sehe ich nicht. In solche Projekte, die sich in naher Zukunft nicht einmal für einen Angestellten rechnen, sollte ein Verlag nicht unnötig Geld investieren.

    Natürlich sollen sich die Zeitungen mit dem Internet anfreunden und Zukunftskonzepte entwickeln, aber in der aktuellen Lage wäre es wünschenswerter, sie würden mehr in die Qualität investieren, ihre Redakteure vernünftig bezahlen und das Personal aufstocken.

    In den kommenden Jahre werden sich die Verlage noch über ihre gedruckten Ausgaben finanzieren.

    Die PNP sollte mehr Geld in ihre lokale Berichterstattung investieren. Deshalb wird sie gekauft.

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