Generation Farbband

Heute nacht (fragen Sie mich nicht warum) habe ich kurzzeitig mal über mein Alter nachgedacht. Danach wusste ich dann schweißgebadet, warum sich immr noch so viele Journalisten und andere was-mit-Medien-Macher so furchtbar schwer tun mit diesem ganzen neuen Zeug. Vorwarnung: Die Jüngeren unter Ihnen, sofern anwesend, werden im kommenden Text eine Reihe Begriffe lesen, von denen sie noch nie etwas gehört haben.

Ich komme aus der Generation Farbband. Als ich volontierte, empfand ich die technischen Anforderungen an meinen Job, in dem ich ja eigentlich nur schreiben und ein bisschen fotografieren wollte, schon durchaus als hoch. Beim Wechseln der Farbbänder beispielsweise holte ich mich regelmäßig schmutzige Finger, davon abgesehen, dass das Farbband-Wechseln eine ziemliche Fummelei war. Falls Sie nicht wissen, was ein Farbband ist: Das war so eine Rolle mit einem Band, das zwischen eine Walze und die Buchstaben gerollt wurde, um damit wiederum Buchstaben aufs Papier zu bringen. Sie waren Bestandteile von Geräten namens „Schreibmaschinen“, von denen gut erhaltene Expemplare in vielen Museen zu sehen sind.

Die Schreibmaschinen hatten, von den schmutzigen Firngern nach dem Band-Wechseln abgesehen, auch ihren Charme. In unserer kleinen Vier-Mann-Lokalredaktion beispielsweise bekam man immer so das Gefühl von echter und hektischer Journalisten-Betriebsamkeit, wenn vier Mann gleichzeitig in ihre Schreibmaschinen hämmerten. Der Nachteil war, dass man sich dann nicht mehr unterhalten konnte. Und mit dem Telefonieren (grünes Telefon, Tasten!) wurde es auch schwierig. Aber es war so, wie ich mir das Leben in einer Redaktion immer vorgestellt hatte. Überflüssig zu sagen, dass die wahnwitzig lauten, klappernden Maschinen von schweren Rauchschwaden eines immens hohen Zigarettenkonsums begleitet wurden.

Perfekt war ich innerhalb kürzester Zeit auch in einem Raum namens Dunkelkammer. Nicht erschrecken, das hat nichts mit sadomasochistischen Neigungen oder ähnlichem zu tun. Jedenfalls kann ich vermutlich heute noch mit geschlossenen Augen die Rückklappe einer Kamera öffnen, den Film herausnehmen, ihn in eine Spule wickeln und dann in eine Entwicklerflüssigkeit tauchen. Das alles natürlich im Dunkeln, sonst wäre der Film ja belichtet und somit unbrauchbar. Danach fixieren, trocknen, Film genau anschauen, Abzug auswählen, fixieren, trocknen, auswählen. Filme, liebe jüngere, sind etwas, was man früher statt SD-Karten in eine Kamera legen musste, damit sie Bilder machen konnte.

Ebenfalls im Repertoire meines damals mühsam erlernten technischen Können: Druckfahnen mit einem sehr spitzen Messer auseinanderschneiden, mit heißem Wachs auf der richtigen Seite versehen und an einem Leuchttisch zu so etwas ähnlichem wie eine Zeitungsseite zusammenfügen. Danach die irgendwann mal fertig zusamengeklebte Seite nehmen, irgendwohin in die Druckerei bringen, sie dort ihrem Schicksal überlassen und dann darauf hoffen, dass am nächsten Morgen so etwas ähnliches wie eine Zeitung dabei herauskommt.

Und natürlich war nie die Rede davon, jemals so etwas wie eine Videokamera in die Hand zu nehmen. Oder Texte in ein Mikro zu sprechen. Ich kann mich erinnern, als es helle Aufregung um den „Redaktroniker“ gab; dies sei mehr oder minder das Ende des Journalismus, hieß es damals. Der „Redaktoniker“ wurde so genannt, weil man damals, vor rund 20 Jahren, Journalisten die Ungeheuerlichkeit zumutete, Texte und Seiten am Computer selbst zu bearbeiten und den so genannnten Ganzseitenumbruch durchzuführen. Das war ein echter Kulturkampf, wenn ich mich richtig erinnere.

Ich könnte jetzt natürlich noch eine ganze Zeit darüber philosophieren, wie das alles war — damals. Braucht es aber gar nicht. Eigentlich ist mir selber beim kurzzeitigen erinnern klar geworden, wie schwer es für jemanden aus „meiner“ Zeit sein muss, sich auf einmal mit Videos, Audios, Internet, Animationen, mobilen Plattformen, sozialen Netzwerken und all dem anderen Kram zu befassen. Und das alles nach einer dann doch eher kurzen Zeit, 20 Jahre sind, wenn ich rückblickend darüber nachdenke, wirklich nicht sehr viel.  So lange es aber meine Generation ist, die Entscheidungen fällt, sie aber gleichzeitig nicht ernsthaft versteht, was da überhaupt passiert, wird es schwierig werden, die richtigen Entscheidungen zu bekommen. Und solange werden sie weiter untergehen, die Vertreter und die Medien der „old school“.

Die gute Nachricht für Sie: Es ist absehbar, wann diese Generation abtritt. Die schlechte Nachricht für mich: Ich trete dann auch bald ab.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Grünschnabel

    Aber: Du hast es geschafft. Wieso ist es dann für den großen Rest deiner Generation so schwierig, das auch auf die Kette zu kriegen? Ist das nicht-können oder vielleicht nicht-wollen?

    Und: immerhin war es ein Telefon mit Tasten und nicht mit Wählscheibe 😉

  2. Joachim Braun

    Ja, so war’s. Die Fahnen selber kleben und wenn der Text nicht ausreichte, dann wurde Füllanzeigen dazwischen gepppt. Und wenn das Manuskript Tippfehler hatte, dann schmiss mir der Chefredakteur die Schreibmaschine hinterher, so eine tonnenschwere Olympia. Und der erste PC, der musste morgens mit einer Cassette (also einem kleinen Tonband) 15 Minuten lang geladen werden und hatte einen 12 Zoll großen grün-schwarz-Bildschirm.
    Und heute bloggen wir, facebooken, twittern und sind bei vielen Sachen intensiver dabei als die 20- bis 30-Jährigen: Brave new World. Respekt!

  3. Detlef Borchers

    Ich vermisse in der Beschreibung die Fernschreiber, die im Fernschreiber-raum ratterten. Ich war in einer Nachrichtenredaktion und durfte ein halbes Jahr lang immer die Blätter abreißen und für den Redakteur häufeln, also alles was AP, dpa AFP und Reuters zu einem Thema mit einem Reißlineal schnippseln und sortieren und das in einem sehr lauten Raum. Daraus machte dann der Redakteur die „Nachricht“.

    Und dann fehlt das Schreiben auf Matrize mit 10 Kopien und diesem süßlichen Dauergeruch von Spiritus!

    Bei uns warf bei Schreibfehlern der Lehrredakteur mit den Kugelköpfen, nicht mit der Schreibmaschine. Aber schön wars, man konnte viel lernen. Ich erinnere mich an den Tod von Franco, der beschäftigte alle Redakteure so sehr, dass ich Volo die kompletten Restnachrichten zusammenstellen musste, zackbumm.

  4. theo

    Mir ist neulich mal aufgefallen, dass ich 1982 volontiert habe. Das ist nun 28 Jahre her. In meiner Lieblings-Eckkneipe meinte dann einer dazu:
    28 Jahre, so lange hat nicht einmal vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis hin zur Olympiade 1972 in München gedauert.

    Das relativiert dann doch vieles.

    Erstaunlich, dass wir uns selbst oft noch für so jung halten. Und schön, wenn wir manchmal ungläubig vor unserer eigenen Biographie stehen. Das besagt doch nur: da steckt noch Leben drin.

  5. S. Michael Westerholz

    Und wie spannend war es, am späten Abend noch über die soeben beendete Stadtratssitzung zu schreiben und dann mit dem Manu. und spät gelieferten Fotos zum Bahnhof zu rasen, damit der Spätzug nach Passau noch erreicht wurde. Aber wie man sich doch oft täuscht, lieber Herr cj, klebten in Passau nicht sehr viele Metteure die Seiten? Wozu an jedem Abend ein Redakteur mitantreten musste, voll verantwortlich für das Ergebnis auf sehr viel mehr Seiten als heute. Als die Bildschirme kamen, war´s doch bei der PNP und überhaupt freigestellt, darein oder weiter in die Schreibmaschine zu schreiben. So ein Band auszutauschen dauerte Sekunden, anders das Gewackel mit den ersten Scanner- artigen Faxgeräten, riesigen Kästen: Da gab es einen g´standenen Redakteur, der so zittrig daran ging, das Blatt in die Maschine zu schieben, dass diese – nur bei ihm -regelmäßig streikte: Worauf der gute Mann sich lauthals äußerte: „Sie hasst mich!“ und der Lokalchef aus seinem Zimmer rief: „Kein Wunder, wenn einer als Depp geboren wurde!“ Und was sagt uns das alles? Nix! Die Generationen weit vor uns freuten sich über die ersten Schreibmaschinen und Telefone. Und lieferten auch täglich ihre aktuelle Zeitung aus. Wetten, dass das noch weiteren Generationen gelingt?

  6. Frank Kemper

    Ich habe meinen ersten Artikel 1980 geschrieben, auf der Reiseschreibmaschine meines Vaters. Mein erstes Honorar ging für eine elektrische Schreibmaschine drauf (Privileg, gebraucht), mein zweites Honorar für ein Computer-Blitzgerät (Braun, neu). Was mir bei der Aufzählung aufgefallen ist, das war der Zeitpunkt, an dem die Gewerkschaften irgendwann mal versagt haben: Ich war 1987 an der Journalistenschule in München, damals arbeiteten wir mit einem Redaktionssystem namens ATEX. 1988 machte ich dann eine Hospitanz in Berlin beim Spandauer Volksblatt. Die hatten auch ein Redaktionssystem – und natürlich wollte ich das journalistische Handwerk an der neuesten Technik lernen, die verfügbar war. Doch da war der RTS vor: Der Tarifvertrag für rechnergestützte Textsysteme verbot es nicht festangestellten Redakteuren, selbst Text ins Redaktionssystem einzugeben (um die Arbeitsplätze der Datatypistinnen zu sichern), und der Betriebsrat wollte davon auch für mich keine Ausnahme machen. Also habe ich unter der Kennung des Lokalchefs im System gearbeitet, vielen Dank auch, ihr Pappnasen.

    Was mich heute zunehmend stört, das ist die Arroganz, mit der etwas ältere Kollegen abgekanzelt werden, die Facebook eher substanzarm finden und an einem iPad den klar definierten Druckpunkt der Tastatur vermissen. Liebe Kinder, wir haben uns schon online in Social Communitys ausgetauscht, als ihr noch im Stimmbruch wart. Und ich habe meine erste Website 1995 gebaut. Vielleicht gerate ich bei Foursquare nicht in Extase, weil ich schon das eine oder andere gesehen habe in meinem Leben und deshalb inzwischen meine Emotionen in dieser Beziehung ganz gut im Griff habe. Obwohl – mein neues Android-Handy ist schon irgendwie geil, finde ich.

    Übrigens: Meine letzte Schreibmaschine habe ich noch, eine Brother CE-61, die erste, die Proportionalschrift konnte. Sie hat kein €-Zeichen, und das @ fehlt auch. Aber wegschmeißen? Never. Ein Journalist ohne Schreibmaschine ist keiner.

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