Und wo bleibt das Positive (8)?

An der Tatsache, dass sich diese Rubrik in ihrer Nummerierung immer noch im einstelligen Bereich bewegt, sieht man unschwer: So richtig hemmungsloses Lobhudeln ist nicht meine Stärke. Glaubt man mir wahrscheinlich auch nicht — und wie der Niederbayer als solcher gerne sagt: Ned gschimpft is globt gnua (heißt in etwa, dass nicht schimpfen Lob genug sein müsse). In dem Zusammenhang habe ich mich übrigens richtig gefreut, als ein Redakteur der Rhein-Zeitung aus Koblenz aus einer kleinen Veranstaltung von mir in der vergangenen Woche das schöne Fazit zog, es habe sich um unterhaltsamen Pessimismus gehandelt. Da fand ich mich endlich mal gut getroffen. Ich male ja gerne mal so kleine Teufelchen an die Wand, vor allem wenn es um Zeitungen geht. Trotzdem habe ich meinen Spaß dabei und finde überhaupt, dass so ein bisschen fatalistischer Pessismismus auch mal ganz unterhaltsam sein kann. Hey Leute, ich komme aus Niederbayern! Wir neigen nicht zur Euphorie.

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Womit ich jetzt endlich zum Thema komme, dass da heißt: Rhein-Zeitung. Ich hatte aus meinem Herzen in diesem Blog bisher keine Mördergrube gemacht und leise Zweifel angemeldet, ob das wirklich alles so großartig ist, was sie da am Rhein machen. Und ich wusste ja auch, dass der Journalistenverband und die RZ in der Vergangenheit nicht immer die besten Freunde waren. Vor allem leuchtete mir nicht ganz ein, wie es denn eine Lösung der dräuenden Probleme von Regionalzeitungen sein soll, wenn man jetzt ganz viel twittert und netzwerkt. Der Reflex war immer: Macht erst einmal eine wirklich gute Zeitung, dann können wir auch mal übers twittern reden. Auf der anderen Seite: Sind es nicht gerade wir durchdigitalisierten Medienblogger, die wir es uns gerne mal auf unserem digitalen Hochsitz hocken, die Flinte anlegen und dem armen, analogen Blatt einen trockenen Blattschuss versetzen und uns über seine Unbeweglichkeit amüsieren? Auch da zitiere ich gerne eine niederbayerische Lebensweisheit: Schwer ist leicht was.

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Zugegeben, manchmal hatte/habe ich auch bei dem, was die beiden MoJos bei der RZ so alles anstellen, ein etwas ambivalentes Verhältnis. Ab und an zucke ich bei dem einen oder anderen Video schon noch zusammen, auf der anderen Seite — siehe oben: Es ist ja doch ziemlich lächerlich, auf der einen Seite von Zeitungen und Journalisten mehr Beweglichkeit und Innovationsfreude zu vverlangen und auf der anderen Seite sofort den Zeigefinger zu heben, wenn´s mal nicht so ganz richtig doll klappt mit den Experimenten. Permanent predigen wir so wunderbare Sätze wie den, dass wir immer Anfänger seien und dabei ganz besonders gut sein sollten — und rufen dann sofort nach Verband, Tarifvertrag und Guido Westerwelle, wenn wir es denn mal machen sollen.

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Das musste als kleine Vorbemerkung mal raus, bevor der erste in den Kommentaren mahnend sagt, dass man bestimmt doch das eine oder andere bei der Rhein-Zeitung kritisieren könne. Kann man ganz bestimmt. Trotzdem würde ich nach meinem kleinen Ausflug nach Koblenz aus der vergangenen Woche sagen, dass man es dort am Rhein ziemlich gut begriffen hat und sehr, sehr viele Dinge tut, die andere eben nicht tun. Und nein, ich erzähle Ihnen jetzt nicht die Geschichte vom twitternden Chefredakteur. Die kennen wir alle und die ist auch nur ein netter Nebenaspekt, aus dem man eine ganze Menge rauslesen kann. Was ich viel spannender finde: In Mainz beispielsweise hat die Rhein-Zeitung ihre dortige Ausgabe komplett und ziemlich radikal relauncht. Sie ist jetzt so aufgebaut, wie wir sie in allen ernstzunehmenden Blogs und anderen Beiträgen immer wieder als ideal hingestellt bekommen: radikal lokal.  Wenn es irgendwie geht, hat immer eine Geschichte aus Mainz in allen Ressorts den Vorrang. Bis vor zur Titelseite. Zugegeben, dem Nicht-Mainzer (wie mir) kommt das auf den ersten Blick erst mal komisch vor, weil wir schließlich über Jahrzehnte hinweg sozialisiert worden sind: Vorne hat Afghanistan zu stehen, mit einem Bild von Westerwelle, Merkel, Guttenberg — und einem Leitartikel, der wenigstens vom Politikchef des Blattes geschrieben ist. Bei der Mainzer Rhein-Zeitung steht auch mal die Geschichte über die aktuellen Baustellen und Verkehrsbehinderungen in Mainz ganz vorne. Kurz gesagt: Das Lokale ist das Wichtigste ist das Wichtigste ist das Wichtigste. Ja, das wissen wir alle. In der Theorie. Mir hat diese Entscheidung in Mainz deswegen gut gefallen, weil ich nicht sicher bin, ob ich in der Praxis, wenn ich sie verantworten müsste, den Mut gehabt hätte, das derart radikal durchzuziehen.

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Und natürlich wissen wir alle, ebenfalls in der Theorie, wie wichtig es gerade in Zeiten des Totalumbruchs ist, die eigenen Leute mitzunehmen, sie weiterzubilden (uaah…gruseliges Wort). Bei der Rhein-Zeitung gibt es momentan einen „RZ-Campus“, an dem elf Leute teilnehmen, die für Veranstaltungen regelmäßig freigestellt werden und die quasi das Potential der Rhein-Zeitung der Zukunft sein sollen. Ja, steht in jedem Lehrbuch für Personalentwicklung — mir fallen nur gerade nicht so wirklich viele Zeitungen ein, die das in der Praxis auch machen.

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Und dann ist da noch das Thema Online. Und auch da ist alles wie bei den anderen Themen: Jeder weiß theoretisch, wie wichtig es speziell für Zeitungen ist, sich digital neu aufzustellen.  Würde man solche Binsenweisheiten heute auf irgendeinem Panel verkünden, man liefe Gefahr, dass das Publikum ein Gähnen nur noch mühsam unterdrücken könnte. Trotzdem fallen mir schon wieder nicht allzu viele ein, die das Thema auch mit der entsprechenden Konsequenz angehen. Die RZ hat sich unterdessen mit Marcus Schwarze jemanden als Online-Chef und Mitglied der Chefredaktion geholt, von dem man vermuten darf, dass er das Thema richtig gut beherrscht und der sich als Onliner einen Namen gemacht hat. Marcus Schwarze hat übrigens einen ziemlich schönen Beitrag zum Thema geschrieben, der nicht deswegen schön ist, weil ich darin auch auftauche, sondern weil er ein gutes Selbstverständnis offenbart. Das Selbstverständnis von jemandem dem klar ist, dass die jetzige Phase sehr viel mit versuchen und verwerfen zu tun hat. Und von jemandem, der das Selbstverständnis des journalistischen Stadtpfarrers, der einmal am Tag auf die Kanzel steigt und predigt, hinter sich gelassen hat. Natürlich geht das nur, wenn man einen Verlag und eine Chefredaktion hinter sich weiß, die das Thema ebenfalls begriffen hat. Wenn es dort hapert, dann hilft auch der beste Online-Chef nix.

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Unweigerlich habe ich dann am Abend nach meinem kleinen Tag bei der „Rhein-Zeitung“ den Vergleich gezogen zwischen RZ und meinen Lieblingsfreunden in Passau. Da hat man den vor Jahresfrist installierten „Online-Chefredakteur“ schon lange wieder in den Offlinemodus verfrachtet, auf der Titelseite gefällt sich das Blatt immer noch mit Afghanistan-Geschichten und auf der zweiten Seite mit Exklusiv-Interviews mit Ministern aus der zweiten Reihe. Die Chefredaktion beschäftigt sich mit dem Internet, wenn sie E-Mails schreiben muss und bei der Vorstellung eines „PNP-Campus“, bei dem Entwicklungen aus der Medienwelt reflektiert, konnte ich mir ein breites innerliches Grinsen dann doch nicht mehr verkneifen. Ich habe keine Ahnung, wie die Zukunft der Rhein-Zeitung sein wird, aber wenn sie wirklich irgendwann mal untergehen sollte — dann wenigstens mit fliegenden Fahnen.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. FS

    Tatsächlich, die RZ hat sich in letzter Zeit einen guten Ruf in diesen Bereichen erarbeitet. Ich kenne einige Studenten mit eigentlich hoher Medienaffinität, die trotz ihrer Neigung eine Karriere in einer Zeitung wegen zu geringer Zukunftsaussichten ausschließen – bei fast allen heißt es aber: „die einzige bei der ich nochmal drüber nachdenken würde wäre die Rhein-Zeitung“. Eigentlich ist es erstaunlich, dass ausgerechnet in Koblenz ein Medienunternehmen mit diesem Image seinen Sitz hat, man sollte das eigentlich von den Medienstädten Köln, Berlin, Düsseldorf oder Hamburg erwarten.

    BTW: bei einigem was die Mojos machen weiß man tatsächlich nicht ob man Nicken oder Kopfschütteln soll (ich erinnere mich spontan an einen Beitrag über einen Bauernmarkt, in dem es unter anderem um die prominent gefilmten prallen Hoden eines Schafbocks ging) aber es stimmt schon: da wird eben gemacht und nicht bloß geredet.

  2. Moritz Meyer

    Gegenfrage: Was ist gegen pralle Hoden einzuwenden? Da kann man doch nur neidisch werden, haha. Spaß beiseite. Als einer der beiden angesprochenen MoJos will ich jetzt natürlich wissen, wo Christian Jakubetz besonders zusammengezuckt ist. Schließlich sind wir immer an Feedback interessiert. Und auch danke für die positive Rückmeldung auf unsere Arbeit. Freut uns, wenn unsere Videos wahrgenommen als das was sie sind: Experimentieren im professionellen Umfeld. Wir loten selber immer wieder aus, was geht und was nicht geht. Und wir tun es übrigens sehr gerne.

  3. Heike Rost

    😀 … Moritz, mach mal weiter so. Zum Journalistendasein gehört auch das Risiko, sich gelegentlich gepflegt zum Deppen zu machen oder mal ordentlich auf die Schnauze zu fallen. War in analogen Zeiten auch nicht anders. Und: Insbesondere Deine nachdenklichen Texte lese ich ausgesprochen gerne. Muss ja mal gesagt werden. 😉

  4. cjakubetz

    Bitte nicht missverstehen: Ich bin ziemlich genau Heikes Meinung. Ausprobieren ist völlig ok und ich sitze auch keineswegs jeden Tag vor den Mojo-Videos und schüttele den Kopf. Was ich meinte ist: Es sind manchmal Details, an denen man sieht, dass da viel autodidaktisch passiert. Aber das ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung. Über die Details reden wir dann beim nächsten Mal in Koblenz 🙂

  5. Moritz Meyer

    Ach, die Heike… Danke für die lieben Worte. Da kann man gleich ein bisschen besser schlafen 🙂

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