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„Brand eins“ – oder: Alles wird gut

Das Ding ist sauteuer, rund 7 Euro pro Ausgabe. Die App ist eine aufgehübschte Variante des gedruckten Heftes und selbst bei viel gutem Willen kaum als multimedial zu bezeichnen. Im Internet spielt das Heft keine wirklich spürbare Rolle, das Facebookzeugs ist ganz ok, aber auch nicht umwerfend. Und ob die Redaktion überhaupt twittert, weiß ich nicht mal, was auch daran liegen könnte, dass es mir völlig wurscht ist.

Man könnte also sagen: „Brand eins“ macht so ungefähr alles falsch, was man falsch machen kann. Trotzdem lese ich (fast) jedes Heft. Und das, obwohl ich sonst so gut wie nie Wirtschaftsmedien lese.

„Brand eins“ ist ein Projekt, ein Heft, das man eigentlich jedem nur stumm auf den Tisch legen müsste, wenn es mal wieder um die Zukunft des Journalismus geht. Wenn mal wieder geklagt wird, wie schwer es Printmedien doch haben, wie undankbar Leser sind, die alles nur noch umsonst im Internet haben wollen oder ohnehin auf den Weg in die intellektuelle Umnachtung sind. Und wenn man dann womöglich noch hört, der einzige Weg in die Zukunft seien weitere Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen; mehr Praktikanten, weniger Journalisten, mehr Werbung, weniger Geschichten. „Brand eins“ ist das genaue Gegenteil der Nölerei: opulente, lange, aufwendig recherchierte Geschichten; ausführliche Interviews, eine erlesene Optik. Journalismus, der richtig teuer ist, zumal der Laden seine Autoren auch noch sehr anständig bezahlt und als eine der fairsten Redaktionen überhaupt gilt.

Warum das hier steht? Weil in den letzten Jahren immer so getan wird, als sei guter Journalismus ein Luxus, der nicht mehr finanzierbar ist und nicht mehr nachgefragt wird. So, als wenn da draußen nur noch unwilliges, geiziges Lesevolk ist, das zunehmend mehr verblödet. Und das man natürlich zwingen muss, zum zahlen und zum lesen. Aber vielleicht ist es ja auch ganz einfach und ganz anders: Vielleicht reichen ein paar gute Geschichten schon aus — und alles wird wieder gut.

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare

  1. dokape

    Mit 7 Euro zu teuer.
    Das ist das mit den Verhältnissen.
    7 Euro und man lernt etwas, kann stundenlang lesen. Erhält einen „Gegenwert“.
    Für 7 Euro kann man noch nicht mal einen Kinofilm (ca 2h) schauen.
    Ein Päckchen Zigaretten, zugegeben, nur 5 Euro, ist nach 24h leer.
    Für 7 Euro gibts 4,5 Liter Sprit, das reicht für ein bis zwei Stunden Autofahren.
    7 Euro, das könnten auch 2 Bier am Abend oder in der Gartenwirtschaft sein. Auch nach 2 Stunden verzehrt.

    Eine Zeitschrift für 7 Euro, bei der man tagelang lesen kann,
    das ist nicht teuer. Im Gegenteil, das ist günstig.
    Doch die Geiz-ist-geil-Mentalität bringt billigere Zeitschriften hervor. Billiger produziert, vielleicht lauter in der Verpackung, aber inhaltlich eben weniger. Das ist letztendlich das Todesurteil. Zumindest für einige. Ein Preiskampf kann nicht lange gut gehen.

    Bin gespannt, wie lange das überhaupt noch gut geht.

  2. Peter K. Wollenhaupt

    „brand eins“ ist wohl für „Wirtschaft“-Interessierte Mitt-Vierzger (ich bin BJ 65) gemacht, die sich noch weigern das bunte Blinken, Blitzen und verkorkste Deutsch (wie z. B. „ich habe Bauch“) mit in das eigene Wohnzimmer zu nehmen.
    Doch die so genanten „Restrukturierungen“ in den Verlagen werden werden von jungen dynamischen Roland Bergers, McKinseys und Konsorten vorgenommen, die eingekauften Informationsjournalismus dem investigativen Journalismus schon aus Kostengründen immer wieder bevorzugen.
    Es werden auch gerne die zu hohen Copy-Preise für den fahlen Abverkauf verantwortlich gemacht. Hier gibt es immer noch den Vergleich zu den Big-Playern SpiegelFocusStern.
    Es soll auch noch ein paar völlig veraltete Verlage geben, die Ihre Anzeigenkunden selber beraten und es nicht an die viel günstigeren Verlagsbüros weiter geben, die mittlerweile doch noch eine Marge von vielleicht 2,5% haben…

    Ja, lieber JakBlog, wir werden alt, finden aber immerhin doch noch manchmal solche Exoten-Titel wie „brand eins“, die andere in unserer Branche eher mit Beipackzettel von Valium verwechseln…

  3. J.Fischer

    Klare, wahre Worte. Danke!

  4. Tim

    Die BrandEins lesen selbst Endzwanziger, die sonst fast alles „digital“ lesen. Das gute ist halt, dass es (meist) spannende, interessante Geschichten sind. Selbst wenn man mal ne zeitlang nicht zum lesen kommt, sind die Inhalte nicht „veraltert“. Hinzu kommt ein super Kundenservice. Ich war eine Zeit lang auf Grund von viel Arbeit nicht in der lage die BrandEins zu lesen und drei Hefte „hinten dran“. Eine Mail an den Vertrieb und schon wurde das Abo für 2 Ausgaben pausiert. Ich konnte „nachlesen“ und dann kam wieder das aktuelle Heft.

    Eine ganz andere Zielgruppe bedient ein ebenfalls erfolgreiches Magazin, dass hier die Straße runter im schönen Münster produziert wird (und nicht in den Medienmetropolen dieses Landes): die LandLust.

    Man sieht: Ein gutes Konzept, ein gewissen Anspruch an Qualität und ein aus zwei Wörtern zusammengesetzter Name in dem das zweite Wort auch groß geschrieben wird – und es gibt doch erfolgreiche neue Printformate.

  5. Ludwig

    Kommentar (1) kann ich nur vollumfänglich recht geben.

    Sonst lese ich fast ausschließlich online, aber der monatliche Kauf der brandeins ist ein Ritual, auf das ich mich immernoch freue.

    Nein, 7 € sind ganz sicher nicht „teuer“ für monatlichen Qualitätsjournalismus

    Off topic: Übrigens hat die brandeins vermutlich mit dem Artikel „Die gläserne Firma“ sogar meine Entscheidung für meinen heutigen Beruf verursacht 😀

  6. Jens Würfel

    Kurz und auf den Punkt.

    Ich lese die brand eins seit der allerersten Ausgabe.
    Ich lese jede einzelne Seite (ausser Werbung und Kleinanzeigen).
    Ich habe keine einzige Ausgabe verpasst.
    Ich habe jede Ausgabe (gern) bezahlt.

    Es gibt keine andere kostenpflichtige Publikation auf meinem Schreibtisch, auf die das zutrifft.

  7. maiwurm-bitzer

    Spiegel-Abo weg, Stern-Abo gecancelt, Zeit-Abo raus, Süddeutsche nur noch Do, Frei + Sa/So … aber das brand eins-Abo behalten. Und nie bereut.
    Habe selber mal als Chefredakteur ein Printmagazin mit großen, langen, gut geschriebenen und fotografierten Geschichten zum langsam+sorgfältig Lesen gemacht. Ging gut ab + hatte – ohne Werbung – Erfolg und Resonanz bei den Lesern.
    Bis der Verlag wegen seiner anderen Titel „in die Knie ging“ und Langenscheidt einstieg, die mir sofort das Weitermachen untersagten. Das war 2001. Daraufhin Redaktion entlassen. Abos zurückgezahlt. Fin.
    Deshalb schlägt mein Herz für gut gemachte Magazine wie brand eins, auch durchaus LandLust und mare etc.

  8. Ronnie Grob

    Was bedeutet „orpulent“?

  9. Jan Mueller

    Oh, da ist es wieder; dieses Unwort.
    Warum ist das überhaupt notwendig? Wahre Qualität wird doch erkannt und verkauft sich von selbst.. Der Markt regelt das schon. Brand Eins ist in der Tat en Gutes Beispiel für die Wichtigkeit eines guten Designs und eines klaren Profils.

  10. cjakubetz

    Wo steht das denn, Ronnie ;-)? (Im Ernst, danke für den Hinweis)

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