Wir Internet-Opas

Ein bisschen musste ich gestern Abend schon lachen – und richtig laut dann heute morgen: Die Kollegen von „turi2“ hatten die Beiträge, die Thomas Knüwer und ich gestern geschrieben hatten, einfach zu einer Meldung zusammengefasst. Ziemlich zurecht, übrigens. Es kommt ja ab und an ohnehin vor, dass der Herr Knüwer und ich ähnliche Ansichten vertreten, aber das wir sogar den gleichen Text von Wolfgang Blau zitieren, das hatten wir auch noch nicht.

Dabei hatten wir weder irgendwie über das Thema gesprochen noch irgendwie vereinbart, jetzt mal ähnliche Texte zu schreiben. Das ist deswegen wichtig zu wissen, weil Thomas Knüwer, ich und ein paar andere gerne mal als ein paar schlaumeiernde „Internet-Opas“ vergackeiert werden. Als „Medienblogger“, die zwar die Probleme prima aufschreiben könnten, beim Thema „Lösungen“ aber dann genauso scheitern würden wie alle anderen auch. Es gibt auch Menschen, die uns unterstellen, daraus eine Art Geschäftsmodell gemacht zu haben: rummotzen, sich auf Panels präsentieren, uns selbst irgendwo als Troubleshooter anbiedern und ungefähr keine Lösung anbieten. Da ist es natürlich für Verschwörungstheoretiker aller Art ein hübscher Beleg für die Verschwörung der ahnungslosen Medienblogger und Berater, wenn zwei aus dieser Szene am selben Tag Texte veröffentlichen, die wie abgesprochen aussehen (dass dem nicht so war, brauche ich vermutlich nicht eigens zu betonen).

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Was in diesem Jahr in Medien-Deutschand passiert ist, bringt zumindest mich in eine für mich selbst eher unangenehme Lage (wie es den anderen Internet-Opas damit geht, weiß ich nicht). Es gibt ja tendenziell kaum etwas Unangenehmeres als Rechthaberei. Als diese Haltung: Hab ich euch doch gleich gesagt. Womöglich noch verziert mit einem halb-beleidigten „aber ihr wolltet mir ja nicht glauben“.

Tatsächlich erleben wir aber speziell in diesem Jahr sehr häufig das, was die Internet-Opas schon seit ein paar Jahren ankündigen. Und dafür wahlweise als Defätisten, Pessimisten, Nestbeschmutzer, Ahnungslose und Verlagsbasher bezeichnet werden. Die Dinge, die momentan auf etlichen Panels, Kongressen und anderen Veranstaltungen beklagt werden, sind zwar grundsätzlich richtig, aber sie wären eben zumindest in dieser Heftigkeit vermeidbar gewesen. Weswegen es erstaunt, wenn jetzt plötzlich Banalitäten zum nächsten heißen Scheiß erhoben werden.

Der Ringier-CEO beispielsweise beklagt sich, dass der technologische Vorsprung der USA auf Deutschland kritisch sei. Recht hat er, der gute Mann. Aber mit Verlaub: Als ich vor inzwischen sagenhaften 15 Jahren für das ZDF an der deutschen Umsetzung der Kooperation mit dem US-Sender MSNBC beteiligt war, da hatten die Kollegen drüben damals schon mehr Leute, die sich nur ums Design kümmerten, als wir in der ganzen Redaktion. Von der Technik ganz zu schweigen. Unsere IT-Kollegen in Mainz waren weitgehend die Troubleshooter, wenn irgendwas nicht ging. Richtig entwickelt wurde drüben in den USA. In nahezu allen anderen Häusern, in denen ich seitdem unterwegs war, hat sich das gleiche Schauspiel gezeigt: Technik, Usability, Design, alles nicht so wichtig. Eine Haltung, die sich bis heute fortsetzt. Man macht halt Webseiten und mobile Angebote. Was ich nur sehr vereinzelt sehe: Einheiten, die sich Gedanken machen, wie Journalismus der Zukunft erzählt und verkauft werden könnte.

Es passt irgendwie ins Bild, dass der neue Vorzeige-Nerd der Branche Kai Diekmann dem „Standard“ jetzt ein Interview gegeben hat, in dem er Dinge erzählt, die natürlich nicht falsch sind (so schlau ist Diekmann ja dann doch), aber eben auch: nicht wirklich neu. Den Satz, dass eine Nachricht den Empfänger schon erreicht, wenn sie wichtig ist, müsste man mittlerweile eigentlich unter Quarantäne stellen. Die Erkenntnis, dass Journalismus nicht am Papier hängt, ebenso. Macht nichts, dachten sich die ansonsten sehr geschätzten Kollegen in Österreich – und machten kurzerhand den Satz, Journalismus hänge nicht am Papier, zur Überschrift. Sein Chef Matthias Döpfner sieht das übrigens ein bisschen anders: Man müsse das Papier ja nur digital machen und quasi eine digital und zusammenrollbare Displayschöpfung gestalten, schon sei die Zeitung wieder…nun ja, lassen wir das.

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Der Denkfehler – und ja, das erzählt die Kamarilla der Internet-Opas schon ein bisschen länger –  liegt genau in diesem Döpfner-Gedanken: Man muss die Technologie, die Plattform nur dem bestehenden Produkt anpassen, dann ist alles wieder gut.

Dabei ist es genau andersrum: Wir werden unseren Journalismus den neuen Technologien, den neuen Plattformen und ja, auch das, den neuen Anforderungen der Nutzer anpassen müssen. Das gilt für alle gleichermaßen, ganz egal, ob wir heute von Print oder von TV sprechen. Wie das am Ende aussehen wird, kann heute seriös noch niemand prognostizieren. Ebenso wenig, wie wir seriös voraussagen können, welche Geschäftsmodelle am Ende tragen werden und welche nicht.  Das ist keine Aussage, mit der man die Branche glücklich macht, ich weiß. Aber alles andere wäre Scharlatanerie.

Und lieber bin ich ein Internet-Opa, als ein Medien-Scharlatan.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Opa

    Ist übrigens gar nicht schlimm, ein Internet-Opa zu sein. Mir jedenfalls gefällt’s.

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