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Jay Rosen und die merkwürdige Idee, was Journalismus in Deutschland ausmacht

Der US-Forscher Jay Rosen befasst sich mit der Lage des Journalismus in Deutschland. Und offenbart dabei das ganze Elend, wenn es um Debatten über den Journalismus in Deutschland geht. Er fragt die, die den Alltag bestenfalls aus dem Hörensagen kennen. Read More

In der Bubble: Jay Rosen fragt ein paar Leute, die er auf der re:publica hätte treffen können - und zeichnet daraus ein Stimmungsbild des Journalismus in Deutschland. (Foto: Jakubetz)
In der Bubble: Jay Rosen fragt ein paar Leute, die er auf der re:publica hätte treffen können – und zeichnet daraus ein Stimmungsbild des Journalismus in Deutschland. (Foto: Jakubetz)

Ich werde den Eindruck ja nicht los, dass es ein paar Leute gibt, bei denen Deutschlands Journalisten, insbesondere die aus der digitalen Szene, gerne die Hacken zusammennehmen. Jeff Jarvis ist beispielsweise so einer, der auch für mäßig spannende Dinge gerne bejubelt wird.

Oder Jay Rosen.

Der gehört auch zu denen, die selbst mit Plattheiten und Bagatellen für die größtmögliche Bugwelle sorgen können. Ich stelle mir in dem Zusammenhang lieber nicht vor, was eigentlich passiert, wenn Rosen und Jarvis mal miteinander was machen. Irgendwas zum Zustand des digitalen Journalismus in Deutschland. Gibt vermutlich eine Twitter- und Blog-Orgie und einen irgendwie trendigen Hashtag.

Also, Jay Rosen hat sich jetzt jedenfalls mal mit dem Zustand des Journalismus in Deutschland befasst (nebenbei, ist es nicht erstaunlich, dass sich amerikanische Medien-Gurus so gerne mit uns beschäftigen?). Das Ergebnis hat er in einem offenen Brief publiziert, dem er gleich zu Beginn vorausschickt, dass es sich dabei nur um einen persönlichen Eindruck handelt. Den wiederum hat er gewonnen, weil er sich mit 53 deutschen Medienmachern unterhalten hat, was natürlich schon lustig ist: In Deutschland gibt es eine gute fünfstellige Zahl von Journalisten – und Rosen gewinnt seine Eindrücke, weil er mit 53 gesprochen hat? Ich meine, klar ist das legitim, es handelt sich ja eben nicht um eine wissenschaftliche Arbeit. Aber ich wüsste schon gerne, wie relevant eigentlich Eindrücke sein können, wenn man sich mit 50 aus rund 40.000 Journalisten unterhält?

Zumal bei allem Respekt die Liste seiner 53 Gesprächspartner vor allem eines zeigt: Jay Rosen hat es sich sehr leicht gemacht. Auf diese 53 kommt man mit ein bisschen googeln. Das ist alles schön und recht, aber wenn mal ersthaft auf die Namen Lobo, Niggemeier, Beckedahl, Zielina, Pörksen kommt, dann reicht es eigentlich auch aus, wenn man mal zwei Tage auf die re:publica geht. Da trifft man die nämlich alle. Das ist nicht nur wenig einfallsreich, sondern auch irrelevant: Aus der Sichtweise einer vergleichsweise kleinen Blase, die alle mit dem journalistischen Alltag an der Basis so gut wie nichts zu tun haben, die Sichtweise des deutschen Journalismus ableiten zu wollen, ist schon abenteuerlich.

Aber das ist das eigentliche Problem in dieser (Digital)-Blase, die mich regelmäßig nervt: Wieso zur Hölle sind da beispielsweise keine Leute von Regionalzeitungen dabei? Oder von Lokalsendern? Also, von den Medien, die immer noch die ganz große Masse ausmachen und deren Alltag aus sehr viel Praxis und ganz wenig theoretischen Abhandlungen, Medienkritiken oder Vorträgen bei der re:publica besteht?

Für die an der Basis interessiert sich der Diskurs immer noch verblüffend wenig

Vermutlich deshalb, weil die Blase und amerikanische Gurus das machen, was sie natürlich auf der Stelle von sich weisen würden: Sie halten die Journalisten an der Basis vermutlich für eher bemitleidenswerte Mitglieder eines Maschinenraums, den sie selbst nur vom Hörensagen kennen. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen, aber ausgerechnet sie zum Maßstab der Denkweise des Journalismus in Deutschland zu machen, ist reichlich absurd. Und bezeichnend natürlich auch: Die Leute aus dem Lokalen sind immer noch zweite oder dritte Reihe. Dabei hätte mich beispielsweise die Sichtweise eines Benjamin Piel aus Minden sehr viel mehr interessiert als ein Zusammenschnitt von ehemaligen DJS-Absolventen und Angehörigen der digitalen Bohème aus Berlin.

Dementsprechend mau fallen dann auch die Ratschläge Rosens aus (sehr treffend auseinandergenommen u.a. von Klaus Meier). Das alles könnte man schulterzuckend hinnehmen, wäre da nicht diese Bugwelle, die jemand wie Rosen immer noch erzeugen kann. Dabei ist genau das der lustigste Widerspruch, den man nur haben kann: Rosen attestiert dem deutschen Journalismus eine Entfremdung von ihrem Publikum, eine zunehmende Entfernung vom ganz normalen Leben sozusagen – und benennt als Kronzeugen dafür lauter Leute, die mit dem ganz normalen Journalistenleben ungefähr so viel zu tun haben wie Rosen mit einer Lokalredaktion in Halberstadt.

Aber so ist das immer noch in manchen Teilen des Journalisten-Deutschlands 2018: Eine ziemlich kleine Elite macht den Diskurs unter sich aus. Sogar zu Themen, von denen sie als Elite nicht sehr viel verstehen kann. [/read ]

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