Die Zukunft heißt iPapier

Natürlich gibt es zwischen der neu entdeckten Zurück-in-die-Zukunft-Strategie von Burda und dem Start der E-Plattform pubbles.de auf den ersten und vielleicht auch auf den zweiten Blick keinen Zusammenhang. Und natürlich ist es momentan auch ziemlich einfach, sich über die Plattform von Gruner&Jahr ein wenig lustig zu machen. Den einen oder anderen Bug findet man dort, das eine oder andere, was verbessert werden müsste — und vor allem kann man sich sowohl bei Pubbles als auch im iBook-Store über eines amüsieren: Diese Minimal-Auswahl soll jetzt also die Zukunft der Medien sein? Dafür soll man das gute, alte Papier vergessen? Was für ein schlechter Witz! Dass sich da sogar der Chefredakteur der an sich den digitalen Medien einigermaßen zugetanen „Zeit“ eher skeptisch über iPad und den ganzen anderen modernen Kram äußert, verwundert erst einmal nicht. Vermutlich werden sich die einen oder anderen aus Verlagshäusern die Hände reiben und sich bestärkt fühlen.

Vermutlich ist aber genau das das Problem: dass es gar nicht mal so sehr die üblichen Verdächtigen aus den Onlinerkreisen sind, die dieses merkwürdige Entweder-Oder-Denken haben. Sondern eher die Verlagsstrategen, die Vertreter der „old school“, die keine Sekunde auslassen, um zu betonen, dass neue Medien, wenn überhaupt, nur ein Zusatzgeschäft sein könnten und man solange eben print, print, print machen müsse. Weil es — und da sind di Lorenzo und Burda-Welte erstaunlicherweise Brüder im Geiste — ja doch wohl so sei, dass man mit Print Online subventioniere und dieses ganze Internet sofort absaufen würde, würde man es nicht ständig mit dem sauer verdienten Geld der guten alten Zeitung künstlich am Leben erhalten.

Das Gerede vom Paid Content, den man unbedingt brauche, ist  Unsinn. Es gibt schon lange „paid content“. Die Menschen bezahlen für Zeitungen, inzwischen auch für Apps, für das freie Internet hingegen nicht. Aber sie bezahlen — und diese Bereitschaft, diese Tatsache, müsste man vielleicht einfach mal in Kalkulationen einbeziehen, so wie man bei den Tageszeitungen wie selbstverständlich in den Kalkulationen der Tatsache Rechnung getragen hat, dass die Einnahmen aus der Werbung stark zurückgegangen sind und der Schwerpunkt inzwischen zunehmend auf Erlösen aus dem Vertrieb liegt. Man kann also nicht nur Zeitungen teurer machen, um Angebote zu finanzieren, man muss es geradezu. Keine Preisspirale lässt sich endlos nach oben drehen, aber was beschweren sich die Verlage eigentlich? Der Spiegel kostete vor einigen Jahren noch 5 Mark, inzwischen sind es 3,80 Euro. Die „Süddeutsche“ verlangt für Einzelausgaben mittlerweile teilweise über 2 Euro, keine einzige Zeitung ist im Monat noch für den Preis der monatlichen Rundfunkgebühren zu bezahlen. Würde man sich also auf Verlagsseite mal darauf besinnen, dass man eine komplette Marke zu vermarkten und zu verkaufen hat, die ebenso zum Teil aus freien und aus kostenpflichtigen Angeboten besteht (das, was sie im Internet immer so gerne als „freemium“ zu bewerben versuchen), man wäre endlich das Gerede von der Kostenlos-Kultur los. Zumal sich Finanzierungen und Kalkulationen schon seit jeher schon verschoben haben. Was ist daran eigentlich so furchterregend?

Dieses Denken ist immer noch nicht da.  Das ist insofern fatal, weil es nicht zukunftsfähig ist. Die Medienmarken der Zukunft müssen strategisch Angebote machen, für verschiedene Plattformen, für verschiedene Bedürfnisse. Insofern ist das Erscheinen von Pubbles eben doch ein interessanter Aspekt: Pubbles bietet nicht sehr viel mehr an als das gute alte E-Paper, was für eine bestimmte Klientel sicher in Ordnung ist.  Trotzdem wird es für einen Verlag dauerhaft nicht ausreichen, alle seine digitalen Inhalte unverändert auf die verschiedenen Plattformen zu werfen. Eine Internet-Seite sieht anders aus als ihre mobile Ausgabe, ein ordentliches Angebot für eine iPad-App ist eben etwas ganz anderes als ein E-Paper.

Folglich müsste eine Strategie für Verlagshäuser all diese Punkte berücksichtigen — und daran erkennt man auch, wie schlecht die meisten von ihnen aufgestellt sind. Wer von ihnen kann für sich in Anspruch nehmen, für alle Kanäle wirklich inhaltlich gerüstet zu sein? Wer hat eine gute Idee für Tablets, wer macht ein ordentliches E-Paper für klassische E-Reader, wer hat ein ausgereifte Mobil-Strategie und macht zugleich noch ein gutes Online-Angebot? Kurz: Wer macht mehr als Recycling? Man kann sie an einer Hand abzählen.

Dieses Festhalten am Papier als einzig wahre Alternative ist schlichtweg nicht zukunfsträchtig. Di Lorenzo, Kilz und wie sie alle heißen machen einen entscheidenden Denkfehler.  Es geht nicht um Menschen wie mich. Ich bin nicht der Leser, der beispielsweise die „SZ“ glücklich macht (ich gebe mich da keinerlei Illusion hin). Ich lese sie seit 20 Jahren und habe auch nicht vor, das zu beenden. Aber in nochmal ein paar Jahren kann ich die SZ vielleicht nicht mehr ohne Brille lesen und irgendwann gar nicht mehr. Meine Kinder als SZ-Leser? Ich habe keine Ahnung, ob sie das jemals werden (und sagen Sie jetzt bitte nicht: Kein Wunder bei dem Vater). Vielleicht würden sie die SZ auf einem Reader, auf einem iPad, Im Internet oder sonstwo lesen. Aber die großartigen Vorzüge von Zeitungen resp. Papier habe ich ihnen noch nicht nahebringen können. Was soll ich ihnen auch sagen? Seht mal, Papier, das raschelt schön, macht schwarze Finger und man bekommt zuverlässig am nächsten Morgen eine neue Ladung ins Haus geliefert?

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