Die Konterrevolutionäre des Lokaljournalismus

Der Tweet kam irgendwann am Wochenende und er war bezeichnend: Gunnar Jans, Sportchef der „Abendzeitung“ in München, machte sich während der Dienstreise nach Bremen den Spaß, ein kleines internes Duell auszutragen. Er nahm sich Zeitungen und ein iPad mit und twitterte aus dem Zug, wie gerade der aktuelle Stand sei. Als netter Randaspekt kam dann die Zwischenmeldung, dass man den Sport der örtlichen Zeitungen in fünf Minuten durch habe. Und dass eine der Zeitungen vor Ort mit der sagenhaften Überschrift „Werder zwischen Bangen und Hoffen“ aufgemacht habe. So viel Kreativität beim Texten von Schlagzeilen muss man erst mal haben.

Auf der anderen Seite fand letzte Woche auch das „Form Lokaljournalismus“ statt. Bei der 2010er-Ausgabe der Veranstaltung war ich bei einem Panel mit dabei und hatte am Ende des Forums den Eindruck, dass dort zwar nichts gesagt wurde, was direkt falsch war. Aber dass dort irgendwas gesagt wurde, aus dem ich etwas wirklich Zukunftsträchtiges hätte ableiten mögen, so weit ging es dann auch wieder nicht. Weitgehend war man sich einig, dass es so wie bisher wohl nicht weitergehend werde mit dem Lokalen. Und wenn ich mir die Zusammenfassungen und Resultate des Forums 2011 so anschaue, dann würde ich sagen: Richtig weitergekommen sind sie auch dieses Jahr nicht.

Das ist ja alles schön und richtig, was sie dort erzählt haben. Dass es wohl irgendwie auf mehr Dialog mit den Lesern herauslaufen müsste. Dass man, oha, tatsächlich wohl ohne eine Digital-Strategie nicht richtig weiterkommen wird. Und dass man sich, kurz gesagt, irgendwie ändern müsste, wenngleich man noch nicht so genau weiß wie.

Dieses nicht-wissen-wie kommt sehr schön zutage, sieht man sich die Sätze an, die der Präsident der BpB, Krüger, zur Zukunft des Lokaljournalismus gesagt hat (er nannte es übrigens zehn Thesen, was bei mir sofort den Verdacht weckte, dass er zuvor ein paar kleine Handreichungen für künftige Digitalgrößen gelesen hat). Nimmt man sich diese zehn Thesen mal kurz vor, bemerkt man sehr schnell, woran es dem Lokaljournalismus in Deutschland fehlt: an Mut, an Inspiration und an dem Willen, die Dinge gegebenenfalls komplett neu zu denken. Das macht sich bemerkbar auch an den mutlosen Besetzungslisten für solche Veranstaltungen: Katja Riefler beispielsweise könnte man genauso gut als Panelmöbel verwenden (und was sie und andere dort erzählen zur Not auch als Tonband vom Jahr zuvor abspielen).

Aber widmen wir uns nochmal den zehn Thesen der BpB und antworten angemessen darauf:

„1. Lokaljournalismus ist und bleibt als publizistisches Rückgrat der demokratischen Öffentlichkeit unersetzlich.“

Das hat niemand ernsthaft in Frage gestellt. In Frage stellen kann man aber sehr wohl, ob es dieser Lokaljournalismus ist, der angeblich so unersetzlich ist. Ich würde sagen: nein, ist er nicht. In Zeiten der Digitalisierung und der völlig neuen Möglichkeiten des Publizierens werden im Gegenteil diejenigen, die so weitermachen wie bisher, sehr schnell merken, wie leicht verzichtbar er ist.

2. „Wir brauchen in der Zeitungsbranche weder Skeptiker noch Apokalyptiker, sondern kreative Mutmacher.“

Hübscher Kalenderspruch. In welchem kleinen Ratgeberbüchlein gefunden? Und hat es mehr als 6,90 Euro gekostet?

3. „Wer den Lokaljournalismus erhalten will, muss bereit sein, finanzielle Durststrecken zu überwinden.“

Das Büchlein, in dem Sie das gefunden haben, kann aber unmöglich mehr als 4,90 Euro gekostet haben.

4. „Der Lokaljournalismus kann nur geschützt werden, indem in ihn weiter personell und infrastrukturell investiert wird, jedoch nicht durch einen politischen Protektionismus.“

Das haben Sie jetzt aber wirklich schön gesagt. Man soll investieren, wenn man eine Sache voran treiben will? Sieh an.

5. „Nicht Auflage und Umsätze sind die alleinigen Maßstäbe für eine intakte Lokalpresse, sondern vor allem ihre Rechercheleistung, Orientierungsfunktion und Meinungsstärke.“

Da würde ich nicht widersprechen wollen. Ungefähr der Rest der Menschheit auch nicht. Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, warum alle das sofort vorbehaltlos unterschreiben würden und es trotzdem in der Praxis so selten umsetzen? Und kennen Sie eigentlich den Professor Dr. Balle? Nein? Schade. Zusammen könnten Sie die schönsten Sonntagsreden dieses Landes schreiben.

6. „Lokaljournalisten müssen künftig nicht nur für ihr Publikum denken und arbeiten, sondern mit ihm in einen konstruktiven Dialog treten.“

Jetzt sagen Sie nicht, Sie haben auch schon mal von Facebook und Twitter gehört, Sie kleiner Revoluzzer-Schlingel.

7. „Im Internet liegt die Zukunft des Lokaljournalismus, aber auch die gedruckte Zeitung wird – vorerst – überleben.“

Na na. Jetzt aber nicht übertreiben. Das ist ja fast schon provokativ!

8. „Lokaljournalismus braucht verantwortungsvolle Zeitungsinhaber und Verlegerpersönlichkeiten, keine Buchhalter oder Sprücheklopfer.

Auf nach Dingens, na, da wo Luther auch war! Und an die Wände nageln, diese Thesen!

9. “ Um die Zukunft des Lokaljournalismus neu zu erfinden, brauchen wir weniger Lamento und dafür mehr Wille zum Experimentieren.“

Ich muss gerade an diesen Witz denken. Den mit dem Elefanten, auf dem eine ganze Horde Ameisen sitzt und sich der Elefant einmal schüttelt und alle Ameisen runterfallen und und nur eine oben bleibt und die anderen von unten schreien: Würg ihn, Emil! Würg sie, Krüger, würg sie!!

10. „Die Journalistenausbildung muss an die Möglichkeiten im Internet angepasst werden, und zwar im Dialog zwischen Praxis und Wissenschaft.“

Sorry, auch mein Vorrat an Zynismus ist irgendwann mal aufgebraucht.

Das also soll jetzt den Lokaljournalismus irgendwie retten? Kein Wort von Mobilität, von Communitys, von Interaktion? Man könnte das alles natürlich abtun als die bestenfalls langweiligen Worte eines Schreibtischtäters, der zudem mit dem redaktionellen Praxis nichts zu tun hat. Befürchten muss man allerdings, dass sich bei den Lokalen irgendwie auch noch ein paar Hände zum Applaus rühren und man denkt, so könne es gehen, irgendwie. Zumal das alles nichts wirklich Ungewöhnliches ist. Bei meinem Besuch 2010 in Dortmund ließen Bodo Hombach und Jürgen Rüttgers ähnliche Knallerchen los, danach machte man es sich kuschelig und redete ein bisschen übers Netz und fand sich beinahe avantgardistisch.

2011 redete man übrigens dann noch darüber, welche Berater die Branche braucht. Und am liebsten hätte ich geantwortet: gar keine. Weil euch eh nicht mehr zu helfen ist.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Markus Kater

    Bei allem Respekt, gerade wegen der oft richtigen Gedanken: Dies ist ein oberflächlicher, und bei allem Verständnis für Lokalzeitungs-Zynismus, nicht angebrachter Text. Aus der Eröffnungsrede von Thomas Krüger, dessen Gedanken, einigen Tweets, vielleicht eines Textes von Michael Bechtel und/oder der Beobachtung eines Zeitung lesenden Sport-Chefs der Abend-Zeitung auf dem Weg zu einem Fußballspiel eine Zusammenfassung des Forums Lokaljournalismus 2011 und – daraus ableitend eine Zustandsbeschreibung der Lokalzeitung – ziehen zu wollen, halte ich für gewagt – und nicht angemessen. Ich habe einen anderen Eindruck von dieser Veranstaltung gewonnen. Too much.

  2. Peter Taubald

    Das sehe ich wie Markus Kater: oberflächlich. Jeder Kritiker von Lokalzeitungen weiß offenbar genau, was falsch läuft. Kein Kritiker von Lokalzeitungen aus der digitalen Ecke hat ein tragfähiges Konzept und Geschäftsmodell, das Qualitätsjournalismus finanziert. Facebook und Twitter? Nicht wirklich!
    Die Kritiker des Lokaljournalismus leben nicht selten davon, Verlagen zu erklären, was sie falsch machen. Ihr Honorar bekommen sie von diesen Verlagen, die Geld mit eben diesen angeblich verfehlten Produkten verdienen. Ist schon putzig, oder?
    Auch in Waiblingen wurde wieder berichtet, wie ein junger Mann in Passau der PNP das Leben im Sport schwer gemacht hat. Verdient er Geld? Ist das ein Geschäftsmodell? Im Grunde ist es Bürgerjournalismus, der von den digitalen Kritikern des Lokaljournalismus gern gegeißelt wird, weil es ja kein Journalismus ist.
    Natürlich müssen sich Verlage auf das Netz einlassen und schauen, was es journalistisch und geschäftlich bringt.
    Die Madsack Heimatzeitungen arbeiten seit 2008 mit myheimat.de zusammen. Das ist eine Bürgerreporter-Community, die als Themenradar, Rückkanal und Content-Lieferant im Lokalen funktioniert. Seit kurzem ist auch die AZ dabei: http://myheimat.abendzeitung.de/
    Wir arbeiten an tragfähigen Konzepten, und wir sind auf einem guten Weg. Die Abgesänge auf die Zeitung von Facebook- und Twitter-Experten lesen sich ja nett, haben mit der Wirklichkeit innovativer Lokalzeitungen aber nun wirklich gar nichts zu tun.
    Den Weltuntergangsfachleuten rate ich also, ihr Geld im Netz zu verdienen. Ihr wisst doch, wie es geht, oder?

  3. Gunnar

    Korrektur: Es war gar keine Dienstreise, sondern eine private Zugfahrt zu meiner Tante… Und insofern hab ich die Zeitungen da oben auch nur als flüchtiger Leser beurteilt und kein journalistisches Urteil abgeben wollen. Und zuletzt noch das Ergebnis des Samstagsspiels: 4-3 für Digital. Gegen analog.

  4. Ralf Schäfer

    Liebe Leute, vergeudet doch Eure Energie nicht in derartigen Argumentationsketten, die eigentlich gar keine sind. Ich schätze JagBlog und lese regelmäßig, muss aber gerade hier dem Markus Recht geben. Zum einen halte ich Wettbewerbe und Gefechte zwischen analog und digital für selten dämlich, weil uneffektiv und zum anderen sollten die, die Nachholbedarf haben, von denen, die kompetent sind, lernen. Und das ist wohl gegenseitig der Fall. Was haben die Blogger von dem Kleinkrieg? Das Netz ist ein Medium und das gilt es zu nutzen. Wer das wie macht, ist erstmal egal. Also bitte mehr Konstruktivität, alles andere habe ich im Kindergarten

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