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Ein Lobolied auf das Netz

Es ist vermutlich ziemlich einfach sich aufzuregen, wenn der Name Sascha Lobo fällt: Da kommt einer mit einer Optik daher, die allzu offenkundig darauf ausgerichtet ist, irgendwie Aufsehen zu erregen. Und da tritt jemand häufig mit Thesen und Attitüden auf, die ebenfalls offenkundig nach Aufmerksamkeit heischen. Und das Schlimmste daran: Lobo macht zum einen keinen Hehl darauf, irgendwie Aufmerksamkeit zu wollen und zum anderen – bekommt er sie auch noch.

Man könnte also lange debattieren über den mutmaßlich besten Selbstdarsteller im irgendwie deutsch sprechenden Netz, wenn bei dieser Debatte nicht etwas anderes restlos untergehen würde: Das Gesamtkunstwerk Lobo schreibt zunehmend wunderbar unaufgeregte Texte, dafür aber umso klarere Analysen und Beschreibungen unseres digitalen Lebens.Lobo kommt inzwischen aus ohne die unangenehm lauten und grotesken Rüpeleien von Digitalexistenzen, die auf ihrem Weg in die Zukunft irgendwo im Jahr 2004 stecken geblieben sind. Und Lobo ist zudem inzwischen zu so einer Art Internet-Beckenbauer geworden, der auch mal Schlechtes über die eigene Truppe sagen darf. Deswegen kann er sich auch erlauben, ein ganzes Buch über das Internet zu veröffentlichen, dessen Quintessenz eine ist, die man sich denken kann, wenn man noch halbwegs klar bei Verstand ist: Nicht alles, was Digital Natives sagen, ist immer richtig. Nicht alle Bedenken von Nonlinern kann man mal eben im Vorbegehen als unbegründet beiseite wischen. Das ist, wie gesagt, nicht sonderlich überraschend, immerhin aber in Zeiten, in denen die Debatten zwischen den On- und dem Off-Lager gelegentlich kriegsähnliche Zustände annehmen zumindest ungewöhnlich. Man muss vermutlich Lobo oder Beckenbauer heißen, um sich das zu trauen: an sich selbstverständliche Dinge beim Namen nennen.

Trotzdem ist „Internet – Segen oder Fluch“ ein gutes, ein lesenswertes Buch geworden, vor allem auch deshalb, weil es nicht von Sascha Lobo alleine stammt. Bei Kathrin Passig, die als „Co-Autorin“ höchst unzureichend beschrieben wäre, stelle ich mir deren Verstand immer wie den eines Rasiermessers vor, so präzise wie sie denkt und schreibt. Das ist vor allem dann gut, wenn Sascha Lobo gerade mal wieder beginnt, etwas arg großmeisterlich zu erzählen. Lobo und Passig erklären also die digitale Welt, so präzise, dass man auch als Einsteiger damit klarkommt, so unterhaltsam, dass man sich auch als Mitglied dieses Netzkrams gut unterhalten fühlt – und dennoch so klug und analysierend, dass man das Buch auch deswegen lesen sollte, weil es ein ernsthafter Debattenbeitrag ist.

Und weil es so wunderbar unaufgeregt ist. Das ist in Zeiten, in denen die bloße Erwähnung des Wortes „Internet“ für heftige Aufregung sorgt, eine nicht zu unterschätzende Annehmlichkeit.

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