Selbstzufrieden in den finalen Akt…

Das Netz und die Digitalisierung machen also den Journalismus kaputt? Kann schon sein. Ein bisschen. Tatsächlich sind es die Protagonisten selbst, die ihre alte Welt leidenschaftslos untergehen lassen.

Vielleicht ist das ja alles nur ein Zufall, wie so viele Phasen im Leben zufällig sind. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass man sich ein paar Gedanken machen muss darüber, woran es eigentlich dem Journalistenberuf in den letzten Jahren am meisten mangelt. Und dass es womöglich gar nicht solche Geschichten wie Digitalkompetenz oder das Internet als solches sind, die unserem Berufsstand ziemlich schwer zu schaffen machen. Sondern eher Dinge, die wenig mit Technologie und stattdessen ziemlich viel mit Physis zu tun haben.

Aber der Reihe nach. In den letzten Wochen habe ich zunächst ein paar Begegnungen gehabt. Mit Studenten, Volontären, generell jungen Menschen, die einfach Journalisten werden wollen. Oder gerade auf dem Weg dazu sind. Weil man in Seminaren oder wissenschaftlichen Übungen ja auch gerne mal über was anderes spricht als nur über die reinen Seminarinhalte, sind wir dann ein bisschen ins Gespräch gekommen. Darüber, wie sich diese Leute, die in ein paar Jahren ja mal (Achtung, Pathos) das Rückgrat unseres Berufsstandes sein sollen, jetzt gerade so fühlen auf ihrem Weg in die Zukunft. Und siehe da, wenig überraschend: Sie fühlen sich eigentlich nicht wirklich gut. Und das erkennbar aus zwei Gründen.

Zum einen: das klassisch materielle Problem. Zukunftssorgen, die Angst, möglicherweise ein totes Pferd zu reiten. Nicht zu wissen, wie es vor allem bei den traditionellen Medien weitergeht. Dazu die ganze harte Tour, die man inzwischen gehen muss, um diesen Beruf irgendwann mal ausüben zu dürfen. Studium, Praktika (meist schlecht oder gar nicht bezahlt), am besten noch ein Auslandsaufenthalt, eine Journalistenschule, dann noch ein Volontariat: Verglichen mit dem, wie einfach ich damals vor 30 Jahren in diesen Beruf reingerutscht bin, ist das heute kein Spaß mehr. Zumal es ja keineswegs so ist, dass man nach der Praktika-Studiums-Volo-Ochsentour automatisch einen sicheren Job bekommt. Im Gegenteil: Die Zahl der freiberuflich arbeitenden Journalisten ist in Deutschland in den letzten Jahren ganz erheblich angestiegen. Keineswegs aber, weil plötzlich so viele junge Menschen ihre Begeisterung für Selbständigkeit und freies Arbeiten entdeckt hätten. Sondern weil das für viele Unternehmen die billigste Art ist, ihre Seiten und ihr Programm vollzubekommen, da darf man sich nichts vormachen. Freie kann man mit vergleichsweise lächerlichen Honoraren abspeisen, um Nebenkosten muss man sich keine Sorgen machen, Freie sind jederzeit wieder draußen. 2200 Euro verdienen freie Journalisten in Deutschland durchschnittlich im Monat. Vor Steuern, versteht sich. Da gibt es natürlich eine ganze Reihe von Ausnahmen, von Kollegen, die sehr viel besser da stehen. Trotzdem, alles in allem: Wenn jemand einen Beruf will, der ihm automatisch ein ziemlich hohes Einkommen garantiert, er sollte über das Thema Journalismus nochmal ernsthaft nachdenken.

Aber es gibt noch einen zweiten Aspekt. Der mit Geld nichts zu tun hat. Eher damit, dass wir älteren Kollegen in einer ganzen Reihe von Fällen den jüngeren Kollegen den Spaß an der Arbeit gekonnt versauen. Es sind viel zu viele junge Journalisten unterwegs, die sich immer und immer wieder an den vollständigen Totalignoranten unserer Branche die Zähne ausbeißen. Wenn man sich mit jungen Kollegen unterhält, dann fallen ganz oft Sätze im Sinne von: Wir würden ja gerne, aber…

Nein, ich glaube im Übrigen auch nicht, dass jeder junge Journalist automatisch ein „digital native“ ist (Karsten Lohmeyer hat seine Überraschung darüber bei seinen lousy pennies einmal sehr treffend formuliert). Aber darauf kommt es auch nicht an. In der Konsequenz ist es egal, ob sich ein junger Journalist als native fühlt oder sich doch erst langsam in die Materie einarbeitet. Entscheidend ist das Wollen. Das würde ich den allermeisten vom journalistischen Nachwuchs zubilligen. Den allermeisten – oder sagen wir: wenigstens sehr vielen – Kollegen aus meiner Alterskategorie „den 50 näher als den 40“ keineswegs. Da herrscht an ganz vielen Stellen noch so ein muffmäuliger Defätismus vor, wonach man jetzt eh nur noch ein paar Jahre durchhalten muss und so lange wird es schon noch irgendwie gutgehen. Veränderung in welchem Sinn auch immer käme da also eher ungelegen.

Blöd nur: Wir, in diesem Alter, sind diejenigen, die am längeren Hebel sitzen, wenn es um Entscheidungen geht (Achtung, Eigenwerbung: Über diese brillante Ergebnis habe ich ein ganzes Kapitel in einem ganzen Buch geschrieben). Da kann sich der liebe Journalisten-Nachwuchs noch so sehr echauffieren. Ohne uns geht gar nichts. Was zu Folge hat, dass meistens nichts geht.

Wie groß ist also das Vergnügen und die Motivation von jungen Kollegen, Journalisten werden zu wollen? Oder womöglich sogar: digital natives? (Sie werden es bemerkt haben, aber nur zur Sicherheit: diese Fragen sind rhetorisch).

Ich habe genau zu diesen Überlegungen in den letzten Wochen zweimal gesprochen. Einmal in Essen beim Gewerkschaftstag des DJV (Video) und beim „Süddeutschen Journalistentag“ in Stuttgart (Audio und ein interessanter Beitrag von Julian Heck). Zweimal habe ich vor einem Publikum gesprochen, das eher zu meiner als zu einer jüngeren Generation gehört hätte. Zweimal hatte ich überwiegend das Gefühl: Das höchster aller Reaktions-Gefühle, das ich aus meinem Publikum hervorkitzeln kann, ist so eine Art „Er hat ja nicht ganz unrecht“.

Ich weiß natürlich auch: Wenn man sich auf Veranstaltungen des DJV hinstellt, dann hat man dort ein anderes Klientel als beispielsweise bei der „re:publica“. Das Blöde ist nur: Die Entscheidet in den meisten Häusern sind eher die, die man in Stuttgart oder Essen trifft. Und nicht auf der „re:publica“. Und noch blöder: Das, was man für diesen Beruf ganz wieder dringend bräuchte, die Leidenschaft, die Begeisterung und auch die unbändige Lust, Neues zu versuchen, findet man viel mehr auf der „re:publica“ als in Essen oder Stuttgart.

Trügt also der Eindruck – oder ist es tatsächlich so? Dass da eine alte Welt selbstzufrieden langsam  kaputt geht und das gar nicht mal so viel mit dem Netz und der Digitalisierung zu tun hat? Sondern damit, dass sich schon längst irgendwo anders eine mediale und journalistische Kultur heraus bildet, die mit dem Verständnis heutiger großer Sender und Verlage gar nichts mehr zutun hat? Dass junge Medienmenschen mittlerweile es viel cooler fänden, bei Buzzfeed zu arbeiten als bei der Passauer Neuen Presse?

Denkt man sich diese Idee mal konsequent zu Ende, dann kommt man schnell darauf, dass dieser Abriss der Generationen zum eigentlichen Problem des Journalismus wird. Und nicht solche Dinge wie Zahlungsbereitschaft oder Google News. Weil nicht nur das Publikum dieses konventionellen Journalismus immer weniger wird, sondern auch die potentiellen Macher.

Und eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, in diesem Beitrag – wie schon in den Vorträgen – darüber zu sprechen, wie entscheidend wichtig solche Dinge wie Begeisterung und Leidenschaft für den Erhalt dieses Berufs wären. Und dass man andere halt nur begeistern kann, wenn man für seine eigene Sache auch brennt. Aber je mehr ich darüber nachdenke: Muss man wirklich eine Sache erhalten oder ihr womöglich noch nachtrauern, für die sich nicht mal mehr die eigenen Protagonisten so richtig begeistern können?

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Dirk Hansen

    Vielen Dank für diese ungeschützte Position. Mal wieder. Ich finde Ihren Fokus höchst interessant: Geht es doch einmal nicht um kalte Geschäftsmodelle oder heißen Technik-Scheiß (Verzeihung), sondern um das Ringen von Menschen um ihre Position auf dem Medienfeld.

    Der Generationenaspekt spielt dabei eine wichtige Rolle, allerdings nicht so einfach oder eindeutig wie Sie es darstellen.

    Der Generationen-Abriss hat nicht nur etwas mit selbstzufriedener Resignation hier und ungeduldigem Reformwillen dort zu tun. Sondern vor allem damit, dass Medienleute heute weniger denn je ihr Berufsfeld eigenmächtig abstecken können. Das wiederum liegt dann doch ganz massiv an den Bedingungen des digitalen Informationskapitalismus.

    So geht es m. E. um weit mehr als den üblichen Nachfolge-Streit zwischen den alten Im-Weg-Stehern und den jungen Spring-ins-Felden. Vielmehr stellen sich die Fragen radikaler: Gibt es überhaupt etwas zu vererben? Ein klares Berufsbild etwa? Vertrauenswürdige publizistische Organisationen? Oder eine nachhaltige Medienordnung?

    Nicht dass ich auf all das eine klare Antwort hätte. Aber wir sollten noch intensiver nach dem menschlichen Maß der digitalen Entwicklung fragen. Diese Analyse geht nämlich weit über Diskussionen zur Selbstvermarktungs-Optimierung in der Cyber-Ökonomie hinaus. Allerdings wird das heikel. Man wird lernen müssen, mit einigen höchst unangenehmen Antworten zu leben.

    Denn bisher waren die „Journalisten“ vor allem definiert als diejenigen, die sich und andere selbst dazu erklärt haben und als „Journalismus“ galt überwiegend das, was die Profis darunter verstanden haben. Mit diesem Ansatz wird es schwer in den Debatten über eine totalvernetzte Gesellschaft.

    Es erscheint es durchaus dankbar, dass diese Gesellschaft künftig nicht auf den Journalismus, wohl aber auf den bisherigen Berufsstand der Journalisten weitgehend verzichten will.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.