Eine Zeitung schafft sich selbst ab

Die Bürger wollen die Politik zurückerobern. Die Politik muss die Bürger gewinnen. Das kann nur vor Ort beginnen. Die Rekonstruktion unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts steht auf der Tagesordnung. Das ist der große Auftrag an den bürgernahen Journalismus vor Ort. Sachlich informieren. Moderieren, Abwägen, aber auch Mobilisieren und Partei ergreifen. Nicht für eine Partei, sondern für Bürgerinteressen.

Irgendwie scheint das momentan sehr angesagt zu sein: So wie Bodo Hombach sich unlängst über die große Zukunft des Lokalen und damit natürlich auch der Lokalteile und somit insbesondere der Lokalzeitungen geäußert hat, äußern sich momentan ziemlich viele. Das Lokale soll es jetzt retten, nachdem man selbst in den eher konservativen Kreisen erkannt hat, dass die Zukunft der Regionalzeitung vermutlich nicht in Kommentaren zum Afghanistan-Krieg bestehen wird. Man hätte diese Erkenntnis zwar schon früher haben können, aber sei´s drum: besser spät als gar nicht.

Mein Terminkalender wollte es so, dass ich die letzten beiden Tage dieser Woche in Passau verbracht habe, was (Sie ahnen es!) zur Folge hatte, dass ich mir zweimal beim Frühstück das Vergnügen ausführlicher PNP-Lektüre gönnen durfte. Und nachdem ich am Donnerstag das Gefühl nicht so recht los wurde, als dass sich in Sachen „mehr Lokales“ in Passau noch nicht so rasend viel getan hat, seit der neue Chefredakteur vor gut eineinhalb Jahren das Signal „Wir haben verstanden!“ aussandte, habe ich mir das am Freitag nochmal genauer angesehen. Und tatsächlich: Seite 1, nix Lokales. Seite 2, keine lokale Zeile. Seite 3 – seit wann ist eine Seite 3 was für Lokales? Seite 4, so wie eine Seite 4 eben aussieht, ein Restefriedhof. Seite 5, nix Lokales…irgendwann dann auf Seite 8 und 9 kommen dann Niederbayern und Bayern, was zur Folge hat, dass in einer niederbayerischen Lokalzeitung am Ende des Mantels irgendwann mal die ersten Geschichten von bayerischer Relevanz auftauchen. Der Lokalteil ist in der PNP seit vielen Jahren das letzte Buch und deswegen kommt das Lokale ganz am Schluss. Und mit Verlaub: So sieht es auch aus. Nämlich so, als würde die Lokalzeitung PNP das Lokale irgendwie nicht mögen, als würde sie ihr Kerngeschäft hassen. Sie benimmt sich ein bisschen wie ein Friseur, der lieber Maskenbildner geworden wäre und deswegen jetzt all seinen Kunden einen üblen Topfschnitt verpasst.

Man sieht das auch daran, wenn sie denn mal auf die Idee kommt, ein großes und wichtiges und lokal relevantes Thema auch größer aufzuziehen. So wie am Donnerstag, als sie begriff, dass es Unfug ist, permanent von der Aufsteigerregion Niederbayern zu reden, während der letzte Dödel mitbekommt, wie die Region ausblutet und manche Orte vor allem in den grenznahen Räumen regelrecht vergreisen. Also machte man das zum Thema, so wie man eben in den Generationen, die seit hundert Jahren Lokalzeitung machen, glaubt, ein Thema wirklich spannend zu machen: Man traf sich, Chefredakteur und Redakteur, zu einem „Redaktionsgespräch“ mit dem Deggendorfer Landrat, der seine Zahlen und Meinungen ausplappern durfte. Als kleines Dankeschön tippte der Chefredakteur dann noch einen ebenso servilen wie merkwürdig meinungslosen Kommentar auf Seite 1, in dem es sinngemäß hieß, dass es schon ein großes Verdienst des Deggendorfer Landrates sei, darauf aufmerksam zu machen, was ohnehin jeder sieht, der nicht gerade mit der Erwin-Huber-Gedächtnisbrille durch Niederbayern geht. Liebe Güte, was wäre das für ein spannendes und gutes Thema für eine Zeitung gewesen – und dann macht man ein Gespräch mit dem farblosen Deggendorfer Landrat draus.

Vermutlich ist das ein mindestens genauso gewichtiger Grund (neben der fehlenden Online-Idee), warum die PNP und die anderen PNP´s dieser Welt zunehmend an Lesern und Auflage verlieren: dieser ritualisierte, vorhersehbare, uninspirierte und vollkommen unnötige Nicht-Journalismus, den niemand mehr braucht in einem Zeitalter, in dem es ein gigantisches Angebot an Medien gibt. Und man muss unwillkürlich lachen angesichts des Dauermantras, wie qualitativ hochwertig unsere Zeitungen doch seien, wie unersetzlich, wie großarzig — und wie himmelweit überlegen diesem ganzen Onliner- und Bloggergesocks. Ach Leute in Passau (and elsewhere) — man muss euch gar keinen Todesstoß mehr versetzen, das macht ihr schon ganz prima selbst. 2020 gibt´s euch nicht mehr, wollen wir wetten?

(PS: Gestern abend hatte die PNP dann noch zu einer großen öffentlichen Veranstaltung eingeladen, die ihre tiefe Liebe zur lokalen Berichterstattung zementierte. Themen und Gäste von hoher niederbayerischer Relevanz waren: Kanzler Guttenberg. Und Richard Holbrooke.)

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Günther Kohlbacher

    Warum lese ich die PNP? Wegen des Lokalteils. Alleine die Aufteilung, Vilshofen, Pocking, Passau Land und Passau Stadt ist altbacken. Was in meiner Nachbargemeinde Ortenburg passiert kriege ich nicht mit, weil das im Vilshofener Teil steht, aber ich erfahre wann die Freiwillige Feuerwehr im 80 km entfernten Sonnen ihre Christbaumversteigerung hat. Statt dessen wird die PNP fast täglich in der Presseschau des Deutschlandfunks zitiert.

  2. fk

    Danke, den Gedanken „niemand muss die Journalisten klat stellen, das können die immer noch am besten selbst“ hatte ich wiederholt in letzter Zeit.
    Und Passau… naja.

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