Lost in tradition

Als CNN vergangene Woche die „Journalisten des Jahres“ auszeichnete, fand man mit Hasnain Kazim einen Preisträger, der seinen Preis redlich verdient hatte. Einen winzig kleinen Wermutstropfen gab es dennoch. Denn selbst dann, wenn Kazims Stück gar nicht so gut gewesen wäre wie es ist, wäre es womöglich prämiert worden, wie die Jury freimütig einräumte. Denn eigentlich war dieser Beitrag ungefähr der einzige onlinejournalistische Beitrag, der aus Sicht der Jury als orginärer Onlinejournalismus zu bewerten gewesen wäre.

Tatsächlich findet man ohnehin auf deutschen Webseiten nicht allzu vieles, was richtig gut ist. Noch viel seltener findet sich Journalismus, der den Anforderungen und (das vor allem) den Möglichkeiten des Mediums Online wirklich gerecht wird. Vieles ist aus anderen Medien transformiert, verlängert, gekürzt, mit ein paar interaktiven Elementen versehen (wobei Interaktion sich nach dem Verständnis vieler Onlineredaktionen in Votings oder ähnlichem erschöpft). Und einfach nur ein Video zu stellen, ist zwar chic, aber es ist eben ein Video — und somit per se kein Onlinejournalismus.

Müßig darüber nachzudenken, woran das liegen könnte. Ganz sicher hat das mit der immer noch sehr mäßigen Ausstattung vieler Redaktionen zu tun; vermutlich aber auch damit, dass man sich in deutschen Redaktionen zwar neuerdings sehr viele Gedanken über iPads macht, nicht aber darüber, wie man für neue Plattformen neue und adäquate Inhalte entwickelt. Das ist übrigens insofern interessant, weil jetzt ganz viele meinen, das iPad als solches sei schon ihre Rettung; dabei wird das das iPad niemanden retten, das muss man dann schon selber machen.

Heute dann über Twitter (danke an Richard Gutjahr, der das entdeckt hat) gesehen, wie man multimedial richtig gute Geschichten erzählen kann:

screenshot_lost

Die (mal wieder) „New York Times“ hat den Start der sechsten und letzten Staffel von „Lost“ zum Anlass genommen, den Plot, die Handlungsstränge und die Protagonisten der Serie multimedial darzustellen (Fans von „Lost“ haben in etwa eine Ahnung, wie schwer nahezu unmöglich das ist). Zugegeben: Ich hab´s zwar immer noch nicht ganz kapiert, aber ich bin jetzt wieder deutlich schlauer.

Natürlich könnte man jetzt sagen: Ja, die NYT mit ihrem Personal, mit ihrer Ausstattung, die können so etwas leicht machen. Das Frappierende daran ist allerdings gar nicht mal die exqusite technische Umsetzung dieser Timeline. Sondern dass sich jemand einige kluge Gedanken gemacht hat, welche Darstellungsformen für das Web besonders gut geeignet sind. Das ist es, was vielen deutschen Onlineangeboten immer noch fehlt.

Vielleicht wäre es also eine ganz gute Idee, etwas weniger über künftige Geschäftsmodelle zu reden (die Frage taucht momentan bei jedem Panel zuverlässsig nach ungefähr vier Minuten auf). Sondern erstmal darüber, was es denn sein soll, womit man Geld verdienen will. Eine mobile Version einer Website oder ein E-Paper ist so ziemlich das Letzte, was man auf einem iPad braucht.

Nachtrag: So macht Spiegel Online heute dieses Thema. Man sieht den Unterschied.

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