Zu den Dingen, die ich in meinem Leben nie geschafft habe, gehört der Lions-Club. Man muss dort vorgeschlagen, nominiert, eingeladen werden. Man kann also nicht einfach hingehen und sagen: Hallo, hier bin ich, ich wäre jetzt dann gerne Mitglied bei euch. So läuft das nicht. Die Exklusivität der Lions entsteht ja gerade dadurch durch die Verknappung des Angebots, jetzt mal rein aus Marketing-Sicht gesprochen. Read More
Jedenfalls hat sich in den langen Jahren meines Lebens nie jemanden gefunden, der mich einer Lions-Mitgliedschaft für würdig befunden hätte. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, damit zu leben. Auch deswegen, weil mir die Löwen tendenziell immer ein bisschen affig vorgekommen sind. Ein wenig zu blasiert, zu überzeugt von der eigenen Wichtigkeit, zu sehr Typ Sakko mit Goldknöpfen und Business-Kostümchen.
Womit wir dann endlich beim aktuellen Medienhype schlechthin wären, dem „Clubhouse“. Auch hier gilt: In ist, wer drin ist. Und um reinzukommen, musst du ein paar Voraussetzungen erfüllen.
Nummer eins: Du musst ein iPhone haben. Mit so einem schnöden Android-Ding hast du keine Chance.
Nummer zwei: Du musst erst mal jemanden finden, der dich einlädt. Invitation only, sorry, geschlossene Gesellschaft.
Was wiederum einen auch den Lions wohlbekannten Effekt erzeugt: Wenn man denn drin ist, kennt man sich. In den verschiedenen Clubräumen trift man nicht nur bekannte, sondern auch mal sehr bekannte, richtig bekannte Namen. Parteichefs beispielsweise oder Minister. Nicht so eine Bonsaiprominenz aus unseren Medienkreisen. Wobei, das Prinzip kennt man: Ein bisschen was vom Glanz des Prominenten fällt immer ab, man fühlt sich dann gleich gar nicht mehr so nach Cord-Sakko mit Ärmelschonern. Sondern eher nach Designeranzug und edlem Gesöff in der Hand.
Natürlich trifft man sich in Lions-Clubs nicht nur zum schnöden Smalltalk. Man ist ja wichtig. Und deswegen dreht es sich meistens um die wirklich wichtigen Dinge der Branche. Nur sehr selten findet man Clubräume, in denen es um den richtigen Aufbau einer Kunstsammlung geht. Dort findet man viele Menschen, die sich den richtigen Aufbau einer Kunstsammlung leisten können oder wenigstens hoffen, es irgendwann tun zu können.
Nomen est omen, übrigens. In solchen Clubräumen wird viel gesprochen. Sehr viel sogar, um nicht zu sagen: andauernd. Das ist ja das Prinzip einer Audio-App. Vermutlich ist die Beobachtung dieser Gespräche ein Fest für Soziologen: Man findet schnell heraus, wer die Wortführer sind. Und wer weniger zu sagen hat. Es gibt wenige Wortführer und viel stumm zuhörendes Fußvolk, auch das: fast wie im richtigen Leben.
Müsste man also das Clubhouse-Feeling richtig beschreiben, man könnte es als eine virtuelle Mischung aus DLD, re:publica und After-Show-Party beschreiben, zumindest dann, wenn man aus der Medienecke kommt. Das kann man ganz amüsant finden und vielleicht sogar wichtig, weil auch die Medienbranche immer noch eine ist, in der ohne die richtigen Kontakte nur wenig geht. Inhaltlich ist Clubhouse bestimmt auch super spannend, wenn man sich denn entscheiden kann, wo man überhaupt hin will, zwischen all den Räumen zur richtigen Kunstsammlung oder auch zur Zukunft des Content-Marketings unter Berücksichtigung von Künstlicher Intelligenz.
Würde man also den klassischen Clubhouse-Besucher fragen, wie er das Ding so findet, er würde mehrheitlich sagen: spannend. Das kann alles und nix heißen und wie das alles ausgeht, sagt man damit ja auch nicht.
Ich würde sagen: schaun mehr mal. Ob da in einem Jahr noch jemand drüber redet. Medienmenschen sind bei Hypes ja immer besonders anfällig. Aber auch genauso gnadenlos, wenn der Hype wieder nachlässt. Und ob man das jetzt, wenn auf einmal so viel Fußvolk reinströmt, immer noch so exklusiv findet, würde ich auch erstmal abwarten.
Müsste man das Medienjahr 2020 zusammenfassen, es wäre einfach: Corona hat uns bei der Digitalisierung um Jahre nach vorne geworfen. Auch wenn viele das noch gar nicht begriffen haben, die alte Medienwelt ist endgültig obsolet geworden. Read More
2020 hat verstärkt, was Nerds schon immer wussten: Das Netz ist omnipräsent. Wir gehen nicht online. Wir leben online. Und natürlich kommunizieren wir dauerhaft online. Mittendrin in Lockdown #2 ist das einfacher denn je zu verstehen: Was bliebe uns auch anderes übrig?
Eine kleine Binse zu Beginn dieses Textes, der sich mit dem Jahr 2020 in Medien und Kommunikation beschäftigen soll: Covid-19 hat alles und noch dazu unseren Glauben auf die Probe gestellt. Und wer hätte gedacht, dass es auch einen Crashkurs in persönlicher Technologie erfordern würde? Doch genauso ist es gekommen: In all den Jahren, in denen ich jetzt über Digitalisierung und Medien schreibe, hat es noch nie einen derart gewaltigen Schub gegeben. Es war einer, der nicht auf Freiwilligkeit basierte. Sondern erzwungen wurde. So ist der Mensch nunmal. So viel aber schon mal vorweg: Es hat uns nicht geschadet (was man leider von vielen anderen Aspekten der Pandemie nicht behaupten kann).
Das Coronavirus markiert einen Wendepunkt für Nerds und Nicht-Nerds gleichermaßen. Gleichzeitig aber legt das Virus das vielleicht größte Versäumnis der Medien offen: Sie laufen häufig den Möglichkeiten, die digitale Technik inzwischen zu bieten hat, immer noch ein ganzes Stück hinterher.
Hybride und digitale Kommunikation
Die Videochat-App Zoom hat in diesem Jahr eine erstaunliche Karriere hingelegt. Sie wurde gleichzeitig zu einem Substantiv, Verb und Adjektiv. „Sollen wir zoomen?“, gehört zu den gängigsten Fragen, die man 2020 zu hören bekommen hat. Dabei handelt es sich bei Zoom und seinen Apologeten um mehr als eine Software, mit der man Videochats durchführen kann.
Zoom steht sinnbildlich für anderes. Für eine neue Form von Kommunikation, Information, Events. Mit ihrer Hilfe lassen sich ganze Kongresse veranstalten, lassen sich Menschen aus der ganzen Welt zu jeder Zeit an jedem Platz zusammenholen.
Umgerechnet in die Bedürfnisse von Medien und Kommunikation bedeutet das: Es gibt unzählige Möglichkeiten, daraus neue Formate zu entwickeln. Das können ganz simple „Talking Heads“ sein, zwei oder drei Menschen in einem live gestreamten Gespräch. Es ließen sich daraus aber auch ganze Town-Hall-Meetings machen, Redaktionen oder Unternehmen im Dialog mit Nutzern oder Kunden. Der Aufwand wäre vergleichsweise gering, die Kosten überschaubar.
Zu sehen davon ist im deutschen Alltag davon bisher: wenig, sehr wenig. Ich habe immer noch ausreichend viele Redaktionen gesehen, die mit Stolz verkündeten, einen neuen Newsletter oder (aber nur die ganz Wagemutigen!) jetzt auch bei Tik-Tok zu sein. Ansonsten waren die Reaktionen auf die Pandemie häufig von trostloser Einfallslosigkeit: Kurzarbeiten, Honorar- und Budgetkürzungen. Die ganze Klaviatur dessen, wenn einem die Chancen der Veränderung eher Angst machen.
Livestreaming mit HYBRID Eins…
Ich habe das auch am eigenen Leib gespürt: Im März habe ich den geschätzten Kollegen Steffen Meier und Marco Maas „HYBRID Eins“ gegründet. Ein kleines Unternehmen, das sich, wie der Name schon sagt, mit hybrid-digitaler Kommunikation beschäftigt. Das erste knappe Jahr lief besser erwartet, wir hatten Kunden auf Ministerien- und Konzernebene. Klassische Medien und Journalisten waren nicht darunter. Ich habe diese Beobachtung einer Kollegin aus einer Agentur erzählt. Überrascht war sie davon nicht: „Medienunternehmen kommen grundsätzlich ein paar Jahre später als alle anderen“, sagte sie mir. Im ersten Moment musste ich lachen. Im zweiten dachte ich mir: Das sagt leider zu Beginn des Jahres 2021 alles, was man über große Teile der Branche wissen muss.
Geschlafen, auch das muss man eingestehen, wurde in der Branche allerdings nicht erst seit März, als es mit der Pandemie so richtig los ging. Sondern schon seit Ende der Neunziger. Nach wie vor gilt für viele: Man läuft den Entwicklungen hinterher, als (um einen Modebegriff aus Pandemie-Zeiten zu verwenden) endlich mal vor die Welle zu kommen. Und weil sich Geschichte wiederholt, ist auch dieses nicht verwunderlich: Die User sind schon lange viel weiter. Echtzeit-Kommunikation, das sichere Verwenden von Bewegtbild und Streams gehören zur Routine vieler Menschen. Man würde sie gewiss nicht überfordern, würde man adäquate Formate in den medialen Alltag einbauen.
Bevor der Einwand kommt: Schon klar, die Zukunft wird nicht allein durch das entschieden, was bequem oder möglich ist. Neue Online-Formate müssen erst noch ein nachhaltiges Geschäft finden. Auf der anderen Seite: Bei welchem neuen Geschäftsmodell wäre das nicht so?
Vieles aus dem Jahr 2020 wird bleiben
Als die neuen Technologien zu Beginn des Jahres unseres Alltag eroberten, da dachte ich: Einsiedlertechnologie. Du bekommst alles was du brauchst, um nie wieder dein Haus zu verlassen. Inzwischen denke ich, dass ich mit dieser Einschätzung daneben gelegen bin. Natürlich kann man sich mithilfe dieser Tools und Angebote zum Einsiedler machen. Wenn man will, kann man es aber auch genau umgekehrt machen. Und noch schneller, direkter, persönlicher kommunizieren und interagieren.
Stichwort „Geschichte, die sich wiederholt“: Generell werde ich das Gefühl nicht los, dass die aktuelle Grundhaltung der aus dem Beginn des neuen Millenniums ähnlich ist. Man hält das alles für eine vorübergehende Erscheinung, die ebenso wundersam wie das Virus wieder verschwunden wird. Nach Corona, so glaubt man gerne, ist dann alles wie vorher.
Das Virus wird möglicherweise in absehbarer Zeit seinen Schrecken verloren haben. Der Digitalisierungsschub aber bleibt. Viele Branchen werden nicht mehr zum früheren Status quo zurückkehren. Für Medien und Kommunikation gilt das uneingeschränkt ebenfalls.
Weniger theoretisch gesagt bedeutet das: Zoom wird nicht wieder von den Rechnern verschwinden. Webcams und Mikrofone bleiben installiert. Für jeden, der kommunizieren will, hat sich 2020 ein gigantischer neuer Kanal eröffnet. Jeder Rechner, jedes Smartphone ist zum potenziellen Sender wie Empfänger geworden. Theoretisch waren sie das zuvor auch schon. Das aber nur mit sehr eingeschränkten Möglichkeiten. Inzwischen sind sie zum Sinnbild dafür geworden, dass die Digitalisierung von Medien und Kommunikation auf ihrem Höhepunkt angekommen ist. Wir können uns 1:1 von Angesicht zu Angesicht begegnen.
Die langfristigen Auswirkungen dessen kennen wir noch nicht. Es wird aber höchste Zeit, uns damit zu beschäftigen.
Ob es eine gute Idee ist, einen Text in einem Medienblog mit dem bösen C-Wort zu beginnen? Keine Ahnung. Aber weil man ja an Corona ohnehin nicht vorbei kommt, warum sollte man nicht? Zumal das C-Thema eines ist, das uns beim Thema Medien und Kommunikation mindestens genauso betrifft wie die Gastronomie (oder sonst wen). Sicher ist jedenfalls: Das Leben macht mehr und mehr Hybride. Read More
Einen Begriff habe ich in den letzten Monaten immer wieder gehört: Zwangs-Digitalisierung. Wie über alle zugespitzten Formulierungen ließe sich auch hierüber streiten. Aber im Kern trifft es das schon. Vieles von dem, was wir 2020 an Veränderungen gesehen haben, war so weder geplant noch sonderlich gewollt. Eigentlich könnte man sagen: wie immer, wenn es um Innovationen geht. Es gibt die einen, die Spaß dran haben. Und die anderen, die erst in die Gänge kommen, wenn es anfängt wehzutun. Man sagt nichts Böses und Überraschendes, wenn man festhält: Letztere sind eindeutig in der Mehrheit. So ist der Mensch nun mal.
Wie auch immer, es sind viele Dinge passiert, die man zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht erwartet hätte. Redaktionen arbeiten plötzlich in Remote-Strukturen. Konferenzen und Meetings heißen jetzt Zoom-Calls. Der Gebrauch von solchen Tools, Webcams, Mikrofonen und an manchen Stellen sogar halbwegs vernünftigen Lampen sind eher Standard als Ausnahme. Man trifft sich, ohne sich zu treffen. Echte Hybride eben.
Aber das sind erst mal nur Äußerlichkeiten. Ein Zoom-Account und eine Webcam machen noch keine Digitalisierung. Und Arbeiten vom Home-Office macht aus Redaktionen keine Digital-Disruptoren. Aber in einigen wenigen Ansätzen erkennt man schon, was das Jahr 2020 auch in Medien und Kommunikation verändert.
Für alle die, die es kurz und präzise mögen:
Mehr Video. Mehr Audio. Mehr Live. Mehr Hybride.
Für alle, die noch weiterlesen mögen – hier kommt es detaillierter und vor allem auch mit Begründungen für diese Annahme.
Unsere Büros, egal ob zu Hause oder woanders, sind potenzielle Studios für alles. Im Regelfall kann man mit jedem halbwegs vernünftigen Rechner und einem stabil schnellen Netz produzieren und senden, was man will. Ob vorproduziert oder in Echtzeit (früher nannte man das „live“), das spielt keine Rolle. Diese Erkenntnis ist nicht neu, spätestens mit Beginn der DSL-Ära ist das grundsätzlich schon so. Trotzdem: In der Breite kommen wir erst jetzt dahinter, was das bedeuten kann, Corona sei Dank (so ein Virus muss ja auch was Gutes haben – oder, wie Churchill angeblich gesagt haben soll: Never miss a good crisis).
Uns dämmert jetzt erst, was eigentlich alles schon lange ginge
Was dazu kommt: Wir können schon lange in Videokonferenzen miteinander kommunizieren. Zoom ist nichts, was im Jahr 2020 erfunden wurde. Und trotzdem dämmert uns erst jetzt gezwungenermaßen, dass man damit sehr viel machen kann als ein paar schlechte Video-Talks. Man kann nicht viel weniger als: alles.
Ein paar der großen Medien und Unternehmen haben das bereits erkannt und sich zunutze gemacht. Die „Washington Post“ beispielsweise hat inzwischen eigene „Live“-Sektion gebaut, in der nahezu täglich Programm gesendet wird. Das ist nicht wirklich „Fernsehen“ (funktioniert als Web-Format eh nicht), aber eben doch sehr viel professioneller als ein paar Leute, die man in einer Amateur-Videoschalte zusammenpackt. Kann man live sehen oder auch on Demand, geht im Netz, mobile, in Social Media. So einfach, so naheliegend so brillant.
In Deutschland entdeckt „Spiegel Online“ so langsam die Möglichkeiten solcher Formate, auch wenn das alles noch sehr deutsch ist: Sehr konventionell, sehr TV-lastig. Das „Spitzengespräch“ mit Markus Feldenkirchen wird bewusst „Talk“ genannt. Sieht aus wie eine Mischung aus Anne Will und „Spiegel TV“, aber immerhin: Besser als nix.
Zoom als Event-Plattform? Das hat noch mal ganz neues, disruptives Potenzial. Vor allem, weil (auch wenn das womöglich zynisch klingt) die Zeiten gerade die richtigen sind für interaktive Online-Events.
Zumal bei anderen immer noch gähnende Leere herrscht. Vielleicht hängt es ja damit zusammen, dass irgendjemand den Medienschaffenden dieses Landes gesteckt hat, dass Podcasts eine prima Sache sind und man deswegen damit beschäftigt ist, diesem Boom hinterherzuhecheln. Jedenfalls, Livestreaming, interaktive und hybride Formate sind eher die Ausnahme als die Regel.
Dabei staune ich immer noch, wenn ich Produktionen wie beispielsweise den Feldenkirchen-Talk beim „Spiegel“ sehe. Das ist vergleichsweise aufwendig und teuer und unbeweglich. Und damit exakt das Gegenteil von dem, was digitale Video- und Liveproduktion heute sein könnte.
Und dann noch eine Meldung, die sich erst mal unspektakulär liest – und dennoch das Paradebeispiel dafür ist, wo die Entwicklung hingeht. In den USA wurde eine Beta-Version der neuen Plattform namens „On Zoom“ gestartet. Nutzer können kostenlose und kostenpflichtige Events einstellen. Mit dem Angebot will Zoom eine Marktlücke füllen, die entstanden ist, als im Corona-Lockdown viele Künstler und Coaches kostenpflichtige Inhalte anboten, aber keine zentrale Plattform dafür hatten.
Hybride Events werden zum Standard
Was das bedeutet? Nicht weniger als eine Normalisierung von interaktiven Videos zum Standard. Streaming ist schon länger Normalität, YouTube gibt es gefühlt seit Anbeginn der zeit. Aber Zoom als Event-Plattform? Das hat noch mal ganz neues, disruptives Potenzial. Vor allem, weil (auch wenn das womöglich zynisch klingt) die Zeiten gerade die richtigen sind für interaktive Online-Events.
Das gilt für jede Branche, für jedes Metier. Unternehmen können einen beträchtlichen Teil ihrer bisherigen Kommunikation dorthin verlagern, kein Mensch muss sich mehr in ein Auto setzen, um eine PK oder eine Präsentation zu besuchen. Seminare, Kongresse und ähnliche Veranstaltungen lassen sich mühelos so gestalten.
Und Redaktionen? Wollten die nicht ohnehin schon immer mehr Interaktion mit ihren Usern? Bitte sehr, hier wäre die Plattform. Vergesst Foren, Chats und anderen Kram, der auch schon wieder 20 Jahre alt ist. Die Zukunft ist das Online-Event, gerne als Hybrid-Veranstaltung.
Eine entscheidende Rolle spielt die schon erwähnte Zwangs-Digitalisierung, die wir in den letzten Monaten gesehen haben. Nicht nur wegen der wachsenden Gewohnheit und der damit verbundenen Akzeptanz. Sondern auch, weil die Technik besser und der Umgang souveräner geworden ist. Dinge, die früher als lustige Gadgets galten, haben sich in den letzten Monaten durchgesetzt. Webcams, Mikrofone und Lautsprecher, dazu Licht und schnelle Verbindungen. Mehr braucht es dazu gar nicht. Gemessen an den Kosten, die andere Innovationen verursacht haben, sind das die buchstäblichen Peanuts (da hätte man auch früher drauf kommen können).
Und schließlich noch eine Erkenntnis, von der ich nicht gedacht hätte, sie im Jahr 2020 nochmal aufzuschreiben:
Die digitale Transformation beginnt jetzt erst richtig.
Während der Corona-Krise haben sich Zeitungen an sich selbst berauscht: Seht her, wir können es noch! Auf den Rausch folgt der Kater. Und die Frage: Wenn sich die ganze Welt gerade ändert, wollen Verlage dann immer noch weitgehend so bleiben wie sie sind? Natürlich können sie das nicht. Im Gegenteil: Die Krise wird mittelfristig zu einem Brandbeschleuniger. Read More
Tablet statt Zeitung zum Frühstück: Einer der Nebenwirkungen der Corona-Krise ist die gestiegene Akzeptanz digitaler Medien. (Bild von Karolina Grabowska auf Pixabay)
Zu den Hochzeiten der Corona-Pandemie in Deutschland feierte sich der Journalismus gerne mal selbst. Beziehungsweise: Er ließ sich feiern. Der Journalistik-Professor Klaus Meier bescheinigte beispielsweise im tiefgründigen Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ , dass insbesondere der regionale Journalismus gerade eine Sternstunde nach der anderen erlebe. Andere Regionalblätter waren ob des professoralen Lobs so begeistert, dass sie den Beitrag der „Schwäbischen“ übernahmen.
Das Gespräch, nebenbei bemerkt, gehört vermutlich eher nicht in die Kategorie Sternstunden. Auf die bohrende Frage der „Schwäbischen“:
„Was ist Ihre Einschätzung: Schaffen regionale Medien es trotzdem, einen guten Job zu machen?“
antwortet Meier völlig überraschend:
„Ich nehme schon hervorragende Beispiele dafür wahr, wie Lokal- und Regionalmedien mit der Krise umgehen.“
So geht also dieser Sternstunden-Journalismus: Interviewer einer Regionalzeitung fragt, ob die Regionalzeitungen nicht einen tollen Job machen, der Gefragte antwortet mit einem: Ja, schon!
(Nebenher bemerkt: Der Link aufs Gespräch führt auf die Vorarlberger Nachrichten, die das Gespräch vollständig übernommen hatten. Natürlich hätte ich schon alleine aus Gründen des Anstands auf die „Schwäbische“ verlinkt, aber dort findet sich das Gespräch hinter der Paywall. Eine Sternstunde des Paid Contents, nicht wahr?)
Das ist ziemlich lustig.
Aber darum soll es gerade eigentlich gerade nicht gehen.
Sondern eher darum: rund 100 Tageszeitungen werden eingestellt bzw. erscheinen künftig nur noch digital.
Gut, nicht hier bei uns, sondern in Australien. Sie alle gehören Rupert Murdoch, der sich aus Gründen der Billigkeit dazu entschlossen hat, in seinem Zeitungsimperium Tabula Rasa zu machen. Mit dem deutschen Markt lässt sich die Entscheidung auch nur bedingt vergleichen: Knapp 40 der eingestellten Zeitungen sind kleine, lokale Titel. Sie waren schon zuvor am Rande der Rentabilität, Corona hat ihnen dann endgültig den Garaus gemacht.
Zurück auf dem Boden der Tatsachen
Trotzdem ist die Geschichte aus Australien bemerkenswert, ein Menetekel zudem. Weil es auch in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist, wann insbesondere Tageszeitungen nach den Sternstunden-Elogen auf dem Boden der Tatsachen ankommen.
Und so ist es auch gekommen, nicht nur in Australien. Tatsächlich gab es einen Schub bei den Digital-Verkäufen, der aber nicht sehr viel mit den Inhalten oder journalistischen Leistungen der Redaktionen zu tun hatte. Vielmehr gab es quer durch alle Gattungen einen spürbar erhöhten Informationsbedarf speziell in den Monaten März und April. Aber schon im Mai, als Corona zum gefühlten Alltag wurde, reduzierten sich die Zahlen auf ein gewohntes Maß. Alles wieder zurück auf Null, keine einzige regionale Tageszeitung konnte bleibend profitieren.
Was allerdings auch mit einer gewissen Einfallslosigkeit zu tun hatte: Die Verlage sind einfach die Verlage geblieben. Die meisten haben ein bisschen mehr als sonst digital gemacht, aber das war es auch schon.
So was wie Innovation? Grundlegende Kursänderung? Fehlanzeige. Stattdessen setzten – im Gegenteil – nicht ganz wenige Häuser beträchtliche Teile ihrer Teams erst einmal auf Kurzarbeit. Dabei wäre die Zeit jetzt so gut und reif wie nie dafür gewesen, den Kurs grundlegend zu ändern.
In Deutschland gilt es schon als innovativ, wenn jemand auf dem Schiff fährt und dabei Newsletter schreibt
Innovation? In Deutschland zählt es ja schon als revolutionär, wenn sich ein selbstverliebter Gockel mit einer passenden Mannschaft auf ein Schiff zurückzieht, einen Newsletter und ein paar Podcasts macht und ansonsten durch publizistische Albernheiten und ein sehr gesundes Selbstbewusstsein auffällt.
Dabei wächst der wirtschaftliche Druck beträchtlich. Für das Jahr 2020 rechnet beispielsweise der Zentralverband der deutsche Werbewirtschaft (ZAW) mit einem heftigen Rückgang der Werbeeinnahmen. Alleine im zurückliegenden April sollen es rund 40 Prozent über alle Mediengattungen hinweg gewesen sein. Daneben fehlen in diesem Jahr auch noch die Einnahmen von klassischen Umsatzbringern wie Olympia oder der Fußball-EM. Wer die Erlössituation vieler Verlage kennt, der ahnt, was das bedeutet.
Ob das alles einfach wieder zurückkommt, irgendwann „nach Corona“? Aktuell gibt es, wenn es um die künftige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland geht, zwei Denkschulen. Die einen vermuten, dass nach dem rasanten Absturz im Frühjahr ein ebenso schneller Aufschwung kommt. Die anderen, weniger optimistischen Prognosen sehen eine längere Rezession oder zumindest nur eine zögerliche Erholung. Bis die (Werbe-)Wirtschaft wieder ihr Vor-Corona-Niveau erreiche, könne es demnach 2022 werden.
Dazu kommt eine andere Frage, bei deren Beantwortung es ebenfalls im Regelfall zwei Varianten gibt: Wird es jemals wieder so werden wie „vor Corona“? Menschen seien träge und würden nach überstandener Krise weitermachen wie zuvor – das sagen die einen. Nichts bleibt mehr, wie es war, glauben die anderen.
Diese beiden Unwägbarkeiten werden auch das Leben etablierter Medien künftig massiv beeinflussen. Angenommen, in beiden Fällen kommt es zu der optimistischen Variante: Dann ist zwar noch lange nicht alles wieder gut, man gewönne allerdings etwas Aufschub.
Aber wehe, wenn nicht!
Nehmen wir erstmal die wirtschaftliche Situation: Eine Zeit lang kann man als Medienunternehmen so eine Situation schon durchhalten. Man kann einen Teil der Belegschaft auf Kurzarbeit setzen, man kann Umfänge und Inhalte reduzieren. Auf Dauer ist das aber nur eine Notlösung. Bliebe es längere Zeit bei den befürchteten Rückgängen, ist das mit etwaigen Zuwächsen in den Digitalgeschäften und den anderen Vetriebserlösen nicht mehr aufzufangen. Für die USA befürchten sowohl das Nieman Lab als auch das Reuters Institute bereits, dass das der US-Lokalpresse den endgültigen Rest geben könnte.
Schon klar, die USA sind nicht Deutschland. Trotzdem: Die Krise bringt auch bei uns vor allem die Regionalzeitungen viel schneller an einen Punkt, von dem sie dachten (oder hofften), er sei noch relativ weit weg. Nämlich an den Punkt, an dem sie sich entscheiden müssen: Ein paar Jahre des „Weiter so“ mit einem absehbaren Ende – oder doch noch einmal der Versuch, sich zukunftsfähig zu machen? Da wäre zwar der positive Ausgang keinesfalls garantiert. Die Überlebenschancen wären dennoch weitaus besser als bei Variante 1. Was auch nicht schwer ist. Bei Variante 1 stehen die mittelfristigen Chancen zum Überleben nämlich bei gleich null.
Die Grundsatzfragen für die kommenden Jahre
Daneben stellen sich für viele Blätter in den kommenden Jahren ein paar Grundsatzfragen – inzwischen drängender denn je:
Sind gedruckte Ausgaben an allen Werktagen noch sinnvoll bzw. zu finanzieren? In einigen Teilen Ostdeutschlands beispielsweise sind die Verlage intern zunehmend zu der Auffassung gekommen: sinnvoll vielleicht, finanzierbar vor allem bei Zustellung durch Träger, auf keinen Fall. Falls nicht, wie kompensiert man das?
Wie werden wir zu einem hauptsächlich leser- und umsatzorientierten Unternehmen, ohne dabei an journalistischer Relevanz einzubüßen? Wie machen wir aus eindimensionalem Verlautbarungsjournalismus eine publizistische Community?
Wie kommen wir an das richtige Personal, nämlich an solches, dass digitale Strukturen denken und vorausplanen kann? An Journalisten und Manager, die begreifen, dass online nicht einfach nur eine Verlängerung von Print, sondern die einzige Zukunft für Medienhäuser ist? Wie schaffen wir es, dass unsere gesamte Belegschaft digital denkt und arbeitet – und nicht nur „der Online“, den sich inzwischen fast jedes Haus leistet?
Folgen aus den veränderten Arbeits- und Nutzungsgewohnheiten nicht auch völlig neue Redaktionsstrukturen? Wie sinnvoll sind in Zeiten von Zoom und anderen virtuellen Strukturen noch Redaktionen, die sich jeden Tag zur gleichen Zeit alle am gleichen Ort versammeln? Könnten nicht beispielsweise kleine Lokalredaktionen künftig eher virtuelle Konstrukte sein, die man mittelfristig auf Wegen wie Videocalls erreicht, anstatt in jeder Kleinstadt Redaktionen und Geschäftsstellen betreiben zu müssen? Wie bekommen wir mehr Flexibilität in der Fläche statt starre Beamtenstrukturen?
Und schließlich: verkaufen, fusionieren oder bleiben? Speziell in Deutschland hatte sich in den letzten Jahren abgezeichnet, dass kleine Verlage alleine kaum mehr überleben können. Die Marktkonzentration wird nicht nur einfach weitergehen. Corona wirkt dort eher wie ein Brandbeschleuniger. Vor dieser Grundsatzentscheidung werden in den nächsten Jahren noch etliche Verlage stehen.
Ein ganzes Geschäftsmodell steht zur Debatte
Grundsätzlich steht auch die Geschäftsidee der Massenmedien (und damit der Zeitungen) in Frage. Sie sind, der Name ist Programm, auf Masse, auf Reichweite aus. Die Idee, insbesondere bei Tageszeitungen, ist immer noch: Möglichst viel für möglichst viele. Sie machen immer noch Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, das Wetter, Kreuzworträtsel, die Kinderseite und Lokales in einem Aufwasch. Von allem ein bisschen, nichts wirklich schlecht, aber eben auch nur sehr selten etwas richtig gut.
Das ist ein Konzept, das im digitalen Zeitalter antiquiert ist. Digital Natives wissen sehr genau, wo sie sich Inhalte zu ihren Interessen besorgen können. Nicht nur in sozialen Netzwerken, nicht nur bei YouTube – von diesen Mediären abgesehen, gibt es zudem so viele Special-Interest-Angebote, mit denen sie selbstverständlich mühelos umgehen können. Ist es da wirklich noch ein Mehrwert, wenn man als Kurator des Tages auftritt? Kann man sich heute noch 30jährige vorstellen, die sich von einer Redaktion den Tag und die Welt erklären lassen wollen?
Weil bei solchen Debatten gerne mal der Einwurf „Medienvielfalt“ kommt: Ist es wirklich Vielfalt, wenn 300 Tageszeitungen in Deutschland mehr oder weniger das gleiche kuratieren, von Lokalem abgesehen? Und aus ökonomischer Sicht: Wer soll es als lohnendes Investment betrachten, drei Dutzend bedruckte Seiten zu kaufen, in denen weitgehend das steht, was er aus dem Netz schon weiß?
Die Kernkompetenz von Journalismus ist nicht Werbung
Kurz gesagt: Journalisten müssten auf journalistische Reputation setzen, sie müssten Unverzichtbarkeit demonstrieren. Das ist beim Großteil der deutschen Regionalzeitungen kaum der Fall, selbst wenn sie noch so oft auf ihre lokalen Qualitäten verweisen. In den meisten Blättern macht die lokale Berichterstattung maximal ein Viertel des Blattes aus.
Das ist sowohl aus journalistischer als auch ökonomischer Sicht absurd. Dass dieses idiotische Prinzip ernsthaft in Frage gestellt wird, sieht man kaum, selbst bei denen nicht, die sich gerne bei den berüchtigten Journalistenpreisen abfeiern lassen.
Wenn man aber die Fokussierung auf die Werberlöse reduziert, dann müsste sich Journalismus zwangsläufig mehr über die Vetriebserlöse finanzieren. Die wiederum werden nur signifikant steigen, wenn sich Zeitungen wieder verstärkt auf ihre Inhalte konzentrieren. Das müsste weder für Journalisten noch für Leser ein Fehler sein, im Gegenteil.
Schon jetzt ist absehbar, dass das klassische Zeitungs-Abo in den Augen vieler zum Luxus wird, auf den man leicht verzichten kann. Warum also dann nicht konsequent auf dieses Publikum setzen? Auf Leser, denen ihr Journalismus auch im Lokalen buchstäblich etwas Wert ist. Die gerne hochwertigen Inhalt wollen und bereit sind, dafür zu bezahlen? Alle anderen wird man über kurz oder lang ohnehin verlieren. Schon alleine deshalb, weil es von dem, was diese Zielgruppe haben will, im Netz mehr als genug und noch dazu gratis gibt.
Die Kernkompetenz von Journalisten ist Journalismus. Nicht Werbung. Betrachtet man dazu die Entwicklung im digitalen Journalismus, dann wird klar, dass es die Werbefinanzierung auf breiter Basis nicht sein kann, was die Häuser rettet. Höchste Zeit also, sich wieder auf das zu besinnen, was Journalismus bedeutet.
Unser (Arbeits-)Leben wird virtueller. Was auf den ersten Blick nach einer Binse klingt, bringt mehr Veränderung mit sich, als man meinen könnte. Read More
Laptop und Handy als Arbeitsmittel für virtuelle Arbeitswelten – das ist künftig Standard. (Foto: Pixabay).
Erst mal was zum Schämen: Ich bin früher leidenschaftlich gerne geflogen. Nicht selbst, der Pilotenschein ist immer ein Traum geblieben. Aber als Passagier, da war (und ich glaube: es ist immer noch) Fliegen eines der tollsten Dinge, die ich mir vorstellen kann. Zu besten (oder schlimmsten) Zeiten hatte ich von zwei Airlines irgendwelche besonderen Status-Vielfliegerkarten. Das war gottseidank zu Zeiten, als man dafür noch nicht zum Paria gemacht wurde, weil ganz viele (ich auch) es schlichtweg nicht besser wussten.
Überhaupt, ich war gerne unterwegs. Immer nach ein paar Wochen der klassischen Büroarbeit am fixen Standort wurde ich nervös. Ich brauche Tapetenwechsel, schrie dann ungefähr alles in mir. Dass das hier alles in der Vergangenheitsform steht, hat nichts mit einer plötzlichen Läuterung zu tun. Sondern mit der Einsicht in das Unvermeidliche. Nee, nicht der Klimawandel, der natürlich auch, aber von dem abgesehen: Unser Leben virtualisiert sich gerade in einer Dramatik und einem Tempo, das nicht mal die größten Euphoriker zu Zeiten des Neuen Marktes für möglich gehalten hätten. Und die hielten, die Älteren erinnern sich, jeden noch so großen Nonsens für möglich (das Ende ist allerdings bekannt).
Umgekehrt hatte ich bei vielen Redaktionen und anderen Teams, für die ich gearbeitet habe, immer das unbestimmte Gefühl, dass diese klassische Büro-Struktur ihnen nicht gut tut. Man kommt jeden Tag rein, trifft die gleichen Leute, wickelt seine Routinen ab und geht wieder heim. Ich weiß nicht, wie kreativ man sein kann, wenn man so lebt und arbeitet.
Zoomen ist das neue googlen
Das mit der Virtualisierung habe nicht ich erfunden, obwohl ich das gerne für mich in Anspruch nehmen würde. Tatsächlich hat schon in den 60er-Jahren ein Medientheoritiker das vorausgesagt, was sich jetzt, ein gutes halbes Jahrhundert später, deutlich abzeichnet: So wie früher wird es nicht mehr werden. Zoomen wird bald genauso zu unserem Wortschatz gehören wie googlen.
Das hat, man ahnt es, mit Corona zu tun. So, wie gerade alles, was passiert oder auch nicht passiert, mit Corona zu tun hat. Man kommt beim Staunen kaum mehr hinterher. Meine Frau beispielsweise hat wochenlang in Videokonferenzen virtuellen Unterricht gehalten, obwohl es an ihrer Schule nicht mal ein vernünftiges WLAN gibt. Bei uns melden sich plötzlich Kunden mit Anliegen, die vor allem ein Kriterium haben: Es soll schnell gehen. Sogar bei Kunden, denen man nicht zu nahe tritt, wenn man sagt, dass ihre Entscheidungsprozesse so etwas Ähnliches sind wie bezahlte Profikiller für jegliche Form der Kreativität.
Schnelligkeit also als neuer Maßstab. Könnte damit zu tun haben, dass vielerorts soviel Zeit bei der Digitalisierung verschlafen wurde, dass man jetzt keine Zeit mehr hat.
Was die Virtualisierung angeht und damit verbunden das Fliegen, Fahren, Reisen:
Das wird nicht mehr zurückkommen in dieser Form, nicht nur für mich nicht. Niemand würde ernsthaft behaupten, dass sich persönlicher Kontakt komplett ersetzen lässt, das kann man ja auch gar nicht wollen. Aber um sich mal eben für zwei Stunden mit ein paar Projektbeteiligten zu besprechen, die quer über Europa verteilt sind, muss man beim besten Willen nicht mehr in einen Flieger oder einen Zug steigen. Man muss virtuelle Zusammenarbeit nicht mehr über etliche Cloud-Dienste mühsam organisieren und man muss überhaupt viel weniger müssen.
Das wiederum ist etwas (kleiner Spoiler, jetzt kommt etwas Eigenwerbung), was mir an dem Konstrukt Jakubetz & Laban immer sehr gefallen hat. Auch wenn ich immer gerne unterwegs gewesen bin, mit zunehmenden Alter merkt man (oder besser gesagt: merke ich) zweierlei:
Man sitzt nicht mehr so gerne in einer wie auch immer gearteten Form von „Büro“.
Man muss nicht immer mit 15 anderen in einer Kaffeeküche stehen.
Hintern-Plattsitzen wird auch durch Kicker und Tischtennis nicht besser
Außerdem lernt man vergleichsweise schnell, dass unsere Idee von „Agenturen“ (als eine solche sehen wir uns ja, wenn auch im weiteren Sinne) überkommen ist. Zumindest dann, wenn wir darunter verstehen, dass wir im alten Sinne uns alle zusammen den Hintern in „Büros“ plattsitzen. Selbst dann, wenn dieses Büro durch Kicker und Tischtennisplatten aufgelockert wird.
Die Idee dahinter ist auch mit Tischtennis nämlich immer noch die Gleiche: Menschen versammeln sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort, um gemeinsam zu einer festgelegten Zeit kreativ zu sein. Das funktioniert meistens leidlich gut. Man sollte den Bildern von gut gelaunten, attraktiven, jungen Menschen mit Smartphones und Tablets nicht zu sehr trauen.Und auch, wenn mir natürlich klar ist, dass ein „Home Office für alle“ auch nicht die Lösung aller Probleme ist: Diese Virtualisierung, die wir jetzt erleben, birgt enorm viele Chancen. Für Flexibilisierung und Schnelligkeit, das vor allem. Wer die mühsamen und mählichen Meetings in vielen Unternehmen kennt, der ahnt, was ich meine. Schnell mal ein paar Leute für einen Video-Call zusammentrommeln, der ggf. nach zehn Minuten wieder vorbei ist, das geht einfach, schnell und bindet kaum Ressourcen. Statt bei einer „Dienstreise“ ganze Tage auf der Strecke zu verbringen,kann man viel schnellere und bessere Ergebnisse im virtuellen Raum erzielen.
Und wenn man die richtigen Leute an seiner Seite hat, kann man sich auch darauf verlassen: Die Leute arbeiten besser, wenn sie ihrem eigenen Rhythmus folgen können. Wenn sie nicht lange Wege zurücklegen und den starren Strukturen des „Büros“ folgen müssen. Selbst das Erstellen und Verschicken sogar sehr, sehr großer Datenmengen erfordert heute nicht mehr die Infrastruktur großer Firmen.
Und ich weiß natürlich auch, dass die Segnungen der Digitalisierung und der Virtualisierung schon länger angepriesen werden. Ganz neu ist das nicht. Dass in dieser Beziehung bisher im deutschen Arbeits-, Agentur- und Medienleben nicht viel umgesetzt wurde, hatte viel mit fehlendem Druck und der daraus resultierenden Trägheit zu tun.
Wenn also diese ganze Corona-Geschichte irgendwas Gutes an sich haben sollte, dann das: Plötzlich werden Dinge möglich, die man noch vor ein paar Wochen für mindestens unmöglich gehalten hätte. Für uns Medienmenschen muss das keineswegs eine schlechte Nachricht sein.
In den USA haben eine ganze Menge Zeitungen ihre Paywalls hochgezogen. Zumindest für die Bereiche, in denen es um das Corona-Virus geht. Meine Podcast-Software „Zencastr“ (sehr empfehlenswert übrigens!) hebt bis zum 1. Juli bei den kostenlosen Accounts alle Beschränkungen auf und bietet dieselben Funktionalitäten wie bei den bezahlten. Der Duden stellt Lernapps für Schüler kostenlos zur Verfügung, einige andere Unternehmen auch. Die Reihe könnte man noch lange fortsetzen. Read More
Soweit ich das sehe (korrigieren Sie mich gerne, wenn Sie etwas anderes entdecke), muss in Deutschland großteils immer noch bezahlt werden, wenn es um Corona geht. Die Debatte darüber gab es teilweise schon in den diversen sozialen Netzwerken. Die meisten der Anbieter wiesen die Kritik einigermaßen angesäuert zurück. Mit den bekannten Argumenten: Guter Journalismus koste nun mal Geld, man müsse die viele Arbeit der Redaktionen auch finanzieren.
Das ist sicher richtig. In Normalzeiten. In Krisenzeiten, in extremen Ausnahmelagen wie jetzt ist es: kleingeistig, schofelig, kurzsichtig und dumm.
Erst mal ist das ein fatales Zeichen. Während das ganze Land solidarisch zusammenrückt oder es wenigstens tun sollte, sagen diese Anbieter: Schon möglich, dass wir eine Ausnahmesituation haben, wir beteiligen uns dennoch nicht.
Man müsste ein solches zeitlich begrenztes Hochziehen der Paywalls nicht mal aus purem Altruismus machen. Schon alleine eine simple Wahrscheinlichkeitsrechung würde zur Begründung reichen: Wer bisher für das Onlineangebot nicht zahlen will, wird es höchstwahrscheinlich auch künftig nicht tun. Der zu erwartende Nutzerzuwachs geht also gegen null. Würde man dagegen temporär und teilweise die Schranken öffnen, bliebe vermutlich ein bestimmter Prozentsatz hängen. Nicht die Mehrheit, vielleicht nicht mal die Hälfte. Aber vermutlich: mehr als null. Und selbst wenn kein einziger Neukunde dazukäme, wäre es dann halt ein Nullsummenspiel. Das aber dann wenigstens positiv auf die Marke eingezahlt hätte.
Zumal es ja auch journalistisch ein bisschen schwierig ist, wenn man auf der einen Seite über Solidarität und die besonderen Anforderungen schreibt, die diese Zeit nun mal stellt. Nur um dann wegen ein paar wenigen Euro zu sagen: Business as usual, wer Informationen will, muss zahlen.
In Krisenzeiten zeigt sich, was Journalismus, Journalisten, Agenturen und andere Kommunikatoren so können. Vermutlich werden wir vieles aus den jetzigen Wochen und Monaten mitnehmen. Und: Während die einen sich digital neu erfinden, gehen die Besitzstandswahrer endgültig unter. Read More
Kein Witz, so etwas ist uns vor nicht allzu langer Zeit noch passiert: Ein Kunde vergab einen Auftrag an einen Mitbewerber von uns (mit wir/uns meine ich Jakubetz&Laban, Agentur für Medienentwicklung). Nicht, weil wir schlechter, teurer waren oder aus anderen messbaren Kriterien unterlagen. Sondern weil wir nach dem Eindruck des potenziellen Kunden im Gegensatz zum Mitbewerber keine klassische, „echte“ Agentur seien. Zu verstehen unter „echt“ war demnach: ein Büro mit ein paar 9-to-5-Jobs. Und die Strukturen, die man nun mal so hat. Mit eindeutigen Hierarchien, Seniors und Juniors, einem Konfi und allem, was sonst noch dazu gehört.
Das hat meinen geschätzten Kompagnon Kristian Laban und mich noch nie interessiert. Natürlich ist mir klar, dass alles, was derzeit an extremen Ausschlägen zu verspüren ist, irgendwann wieder zurückgeht. Auch der Hype um Telekommunikation, um Videomeetings, um virtuelle Redaktionen und Einheiten. Trotzdem: So wie früher wird es nicht mehr werden. Warum auch? Wer einmal die vielen Segnungen von virtuellen Strukturen genutzt hat, will nicht wieder zurück in Großraumbüros. Zumal klassische Strukturen bei uns wenig Sinn machen würden: Wir produzieren von Print über Podcast bis hin zu Multimedia alles Mögliche. Das ist für einen kleinen Laden wie unseren weder strukturell abzubilden noch sinnvoll. Mit unseren digitalen Strukturen ist es allerdings kein Problem, unsere Kapazitäten dann zusammenzuschalten, wenn wir es brauchen.
Vermutlich werden wir uns schon bald wundern, wie wir unseren Alltag ohne virtuelle Strukturen geschafft haben
So einfach, so gut: Videoschalten mit Zoom. (Foto: zoom.us)
Sicher bin ich mir jedenfalls: So schnell wird uns niemand mehr einen Auftrag nicht geben, weil wir keine „richtige“ Agentur und Redaktion unter einem Dach sind. Spätestens jetzt kann man ganz gut nachvollziehen, dass die Zeit der starren Strukturen mit Präsenzpflichten und der immer noch verblüffend populären Idee des 9-5-Jobs zu Ende geht.Bevor jetzt alle jubeln und sich auf selige Zeiten in der Jogginghose im Home Office freuen: Zu solchen Strukturen gehören neben einem gesunden Vertrauen in die lieben Kollegen auch Selbstdisziplin und eine einigermaßen straffe virtuelle Organisation. Man muss Redaktionssitzungen beispielsweise trotz alledem abhalten. Man hat seine Termine und seine Deadlines wie im „richtigen“ Leben. Wenn man also eine virtuelle Redaktion oder Agentur lediglich mit einem entspannteren Leben und mit weniger Zwängen gleichsetzt, wird man damit nicht viel Freude haben. Erfolg übrigens auch nicht.
Die Sehnsucht nach seriösen Medien
Gute Zeiten für den seriösen Journalismus: Die „Tagesschau“ kommt inzwischen auf rund 18 Millionen Zuschauer am Abend, die „guten“ Nachrichtenseiten im Netz verzeichnen enormen Andrang, Natürlich gilt auch hier: Verschwörungstheoretiker und Aluhüte werden weiter an die abenteuerlichsten Geschichten glauben.
Trotzdem kann man mitnehmen: In Krisenzeiten wächst der Wunsch nach seriöser Information. Keine ganz schlechten Zeiten für Journalisten, könnte man meinen. Weil das angeblich so stark gesunkene Vertrauen in Medien vielleicht viel größer ist als gedacht. Man hört jedenfalls aktuell vergleichsweise wenig von Wutbürgern und anderen Medienhassern. Also, außer dem üblichen Zeug natürlich, zu dem u.a. auch die amüsante Geschichte gehört, die ganzen Sperrungen und Einschränkungen des öffentlichen Lebens hätten nur den Zweck, unbemerkt Flüchtlinge einfliegen zu können.
Dass viele Redaktionen jetzt mit zusätzlichen Newslettern und anderen digitalen Angeboten reagieren, zeigt zweierlei: Diejenigen, die das tun, haben halbwegs begriffen, was Journalismus heute leisten kann. Für sie sehe ich gar nicht mal so schwarz in der Zukunft. Und die anderen? Die, die immer noch weitgehend ungerührt ihren täglichen Stiefel machen und sich womöglich sogar massiv hinter Paywalls verschanzen? Für die werden die Zeiten nach Corona um kein bisschen besser. Jede Krise ist schließlich auch eine Chance, sich neu zu erfinden.
Und für alle anderen gilt, was die großartige Brand eins schon vor zwölf Jahren titelte:
Letzte Woche habe ich echt gestaunt: Die geschätzten Freunde vom „Digital Publishing Report“ haben eine digitale Konferenz zum Thema Audio veranstaltet. Und, so weit ich das gesehen habe, über 200 Leute waren den Tag über mit dabei. Soll nochmal einer sagen, Audios und Podcasts wären nicht der ganz heiße Scheiß (aktuell wenigstens). Read More
Und wie das so ist mit Hypes: Da werden dann gerne mal Dinge zum Allheilmittel erklärt. Jetzt sollen es also Podcasts sein, die Medien, Marketing und Kommunikation retten sollen. Und auch das ist typisch für Hypes beim Thema Medien: Das Format wird aktuell über den Inhalt gestellt. Hauptsache Podcast!
Man erlebt das leider immer wieder, ähnlich wie zu den Zeiten, als man begriff, dass Webvideos eine interessante Geschichte sein können: Irgendjemand macht irgendwas. Im Falle Podcasts macht jemand das Mikro auf und redet mehr oder weniger planlos drauflos. Technisch ist das Kriterium eines Podcasts ja schnell erfüllt.
Und schließlich noch etwas, was typisch ist für Hypes: Immer dann, wenn sich eine Sache richtig heiß läuft, kommt zuverlässig jemand um die Ecke und prophezeit, dass die ganze Geschichte ihre besten Zeiten hinter sich hat. Das ist bei Podcasts nicht anders (warum das aber Unsinn ist, habe ich hier beschrieben).
Der grundlegende Fehler: die Verengung auf das Thema Podcasts. Audios sind genauso ein Multichannel-Thema wie Videos oder jeder andere Inhalt im Netz. Ein Podcast ist nur eine Teilmenge daraus. Man muss also in Kategorien denken. Und nicht in Formaten.
Podcasts sind kein Selbstzweck
Ein Beispiel, von dem ich in dieser Konferenz erzählt habe: Der Podcast einer nicht ganz unbekannten Zeitschrift. Interessantes Thema, guter Markenname, äußerer Rahmen des Podcasts ebenfalls völlig ok (ordentlicher Sound, gutes On-Air-Design, angenehme Stimmen). Aber dann, der Inhalt. Der Blick auf die Uhr zeigt: Geschlagene zehn Minuten und die Hosts sind immer noch nicht auf den Punkt gekommen. Umständlich-langatmiges Gefasel, warum man diesen Podcast macht, was man damit erreichen will, wer die Idee hat, was…gähn, schnarch. Abgeschaltet. Schade, wieder eine vertane Podcast-Chance.
Was ich immer wieder interessant finde: Anscheinend gibt es ausreichend viele Menschen, die ernsthaft glauben, man könne nahezu jeden Zweck und jedes Thema mit einem Podcast bespielen. Dabei ist es genau umgekehrt. Audios eignen sich, so wie im Grunde jede journalistische Darstellungsform, nur dann, wenn man buchstäblich etwas zu sagen hat. Eine Geschichte zu erzählen hat. Und eben irgendwas mit Inhalt präsentiert.
Immer, wenn man das vergisst, kommt Murks raus. Podcasts, in denen Menschen gnadenlos am Publikum vorbeireden. Podcasts, in denen sich Hosts vor allem selber gefallen. Und die so langweilig und unprofessionell sind, dass man sich schon fast wieder zu wundern beginnt, dass Podcasts immer noch Euphorie auslösen. Also, zumindest auf Seiten der Produzenten. Ob User auch nur annähernd so begeistert sind wie manche Podcaster von sich selbst, würde ich ja doch noch etwas bezweifeln wollen.
Kurz gesagt: Auch Podcasts sind kein Selbstzweck. Niemand braucht den drölfigsten unbeholfenen Content-Marketing-Versuch, über den sich bestenfalls die betreuende PR-Agentur freut, weil sie dem Auftraggeber erzählen kann, welch wunderbar neues Tool man da gemeinsam entwickelt hat.
5 Tipps für Podcast-Einsteiger
Habe ich eine Geschichte? Eine, die auch über mehrere Folgen hinweg trägt? Ein Podcast muss kein Endlos-Projekt sein, aber ein bisschen Substanz sollte er schon haben. Und schafft der Stoff einer einzelnen Folge dann auch mal 15 Minuten und mehr? Ich bin kein Dogmatiker, wenn es um Formate und Längen geht, aber ein guter Drei-Minuten-Podcast ist vermutlich eher die Ausnahme.
Habe ich jemanden, der sich gut anhört? Grundsätzlich gibt es kaum etwas Schlimmeres, als die ganzen normierten Radio-Moderatoren heutiger Tage (am allerschlimmsten: Format-Radios). Umgekehrt bedeutet das nicht, dass jeder, der unfallfrei drei deutsche Sätze sprechen kann, ein geeigneter Host für einen Podcast sein muss. Eine radiotaugliche Stimme ist zumindest mal kein Nachteil. Und wenn man dann auch noch so klingt, als habe man das Sprechen und Moderieren in den Grundzügen mal erlernt – prima! Haben Sie nicht? Kann man nachholen. Aber setzen Sie sich bitte nicht einfach ans Mikro und plappern los.
Habe ich ein Format? Schon klar, Sie können jetzt gerne die Augen verdrehen, weil es doch genau das Schöne an Podcasts ist, dass man mit ihnen die Fesseln von Formaten abstreifen kann. Also, wenn es Ihnen lieber ist, nennen wir es: Struktur. Ein paar Fixpunkte, an denen sich der Hörer orientieren kann. Eine Idee, was man überhaupt zu hören bekommen soll. Und solche simplen Dinge wie ein brauchbares On-Air-Design. Damit man vergleichsweise schnell wieder erkannt wird und so etwas wie eine akustische Identität bekommt.
Was macht eigentlich meine Technik? Aus den Anfangstagen der Podcasterei stammt die charmante Idee, man brauche nicht sehr viel mehr als ein Aufnahmegerät und ein Mikrofon. So hörten sich viele Podcasts anfangs auch an. Manche tun es immer noch. Wenn Sie eine Chance haben wollen, unter der runden halben Millionen Shows, die es beispielsweise bei iTunes oder Spotify gibt, halbwegs zu bestehen, sparen Sie nicht an der Technik. Unter den gut funktionierenden Podcasts im deutschsprachigen Raum weiß ich keinen, der mit einem Mikro und einem Rekorder alleine auskommt (Wer was anderes weiß, gerne in den Kommentaren posten). Professionalität beginnt beim Thema Audio beim Klang. Den kann man nicht nur kaufen, man muss es sogar.
Wer ist meine Zielgruppe? Die Frage steht zwar bei jeder Form von Publikation im Raum. Trotzdem, manchmal sieht es so aus, als würden sich das ausgerechnet Podcaster eher selten fragen. In solchen Fällen bin ich ein großer Anhänger des Elevator Pitchs. Wer soll sich das anhören und warum? Wenn Sie diese Frage nicht in 30 Sekunden anhören können, sollten Sie sich die Idee mit dem Podcast nochmal überlegen.
Und schließlich die Bonus-Überlegung: Wenn ich mir schon die Mühe mache, all die gerade angeführten Dinge zu entwickeln, zu kaufen, zu produzieren – warum dann nicht noch ein Stück weiter denken beim Thema Audio? Kann man diese Inhalte nicht auch noch für andere Plattformen konfigurieren? Lässt sich beispielsweise ein Skill für einen Smartspeaker entwickeln, eine Idee für Sprachassistenten aller Art zumindest vorhalten? Audio ist schließlich mehr als nur Podcast. Sondern, genau betrachtet, einer der großen Märkte der Zukunft.
Die Rhein-Zeitung wagt ein bizarres Experiment: Sie wird zu Deutschlands erster Lokalzeitung ohne Lokalredaktionen. Sie schließt nämlich entgegen erster Meldungen nicht nur kleine Redaktionsstandorte. Sondern de facto: alle Lokalredaktionen. Sie könnte damit einen Vorgeschmack auf das geben, was wir in den kommenden Jahre in einigen Regionen erleben werden. Read More
Die Meldung sorte für ein paar Tage für etwas Aufsehen und geriet dann wieder in Vergessenheit. Die Rhein-Zeitung in Koblenz wolle, so berichtete es der SWR, kleinere Redaktions-Standorte schließen und sie zu Regional-Desks zusammenlegen. Rückzug aus der Fläche also. Keine sehr kluge Entscheidung für eine Regionalzeitung. Aber eine, bei der man zumindest deren Hintergrund nachvollziehen konnte. Wer finanziell unter Druck steht, muss an die Kosten ran. Zumal gerade bei regionalen Zeitungsverlagen auf der Einnahmenseite keine Besserung in Sicht ist.
Tatsächlich aber berichtete der SWR nur einen Teil des Kürzungsumfangs. Geschlossen werden nämlich – Stand heute – nicht nur die kleineren Lokalredaktionen der RZ. Sondern: alle, außer natürlich Koblenz. In der Fläche bleiben nur zwei Regionaldesks, einer im Süden, einer im Osten.
Was bleibt, sind drei Regionaldesks. Lokalredaktionen bisheriger Prägung sind dann Geschichte.
Geplant ist zwar auch noch ein Desk „Mitte“. Aber nachdem das wohl am Verlagsstandort in Koblenz entstehen wird, bleibt draußen nichts mehr übrig. Die RZ wird damit vermutlich zur ersten Lokalzeitung Deutschlands ohne echte Lokalredaktionen. Was übrigens nicht einfach eine Idee, ein Papier aus den Köpfen irgendwelcher Berater ist. Sondern schon bald Realität: Die ersten Schließungen bisherigen Standorte wie beispielsweise Cochem, Andernach, Mayr, Koblenz und einige mehr sollen bereits in den kommenden Wochen über die Bühne gehen.
Nach den Plänen des Verlages finden dann die Leser an den Türen nur noch Hinweise darauf, dass die Geschäftsstellen geschlossen sind. Die Redaktionsräume sollen bis auf weiteres genutzt werden. Allerdings nicht aus journalistischen Erwägungen heraus. Der Hintergrund ist profaner: Bisher sind noch keine geeigneten Räumlichkeiten für die geplanten Decks gefunden worden. Sobald das der Fall ist, verlassen auch die Redaktionen die bisherigen Standorte.
Verworfen wurden übrigens auch Pläne, wenigstens kleine „Korrespondenten-Büros“ vor Ort zu lassen. Alles muss raus. In die Desks. Oder eben in das Home-Office, wenn in einem Desk mal gerade zu viel Betrieb herrschen sollte.
Aus 16 Standorten werden also drei. So radikal ist bisher noch keine deutsche Regionalzeitung vorgegangen.
Kürzen, streichen, sparen: Viel mehr fällt vielen Verlagen nicht ein
Die künftige Ausrichtung der RZ zeigt, wie wenig in den Regionalverlagen die eigentliche Problematik verstanden wird. Sie denken häufig immer noch so einfallslos wie schon vor 20 Jahren, als sich allmählich abzeichnete, dass das Thema Digitalisierung mehr bedeutet als ein paar Internetseiten. Die Debatten beschränken sich weitgehend auf finanzielle Aspekte: Paywalls, Kostensenkungen, lauter solches Zeug.
Das ist nicht nur einfallslos, sondern auch bezeichnend: Wer mit dem Rücken zur Wand steht, kommt meistens so daher. Im Falle der Rhein-Zeitung lässt sich das leicht nachvollziehen: Kreative Potentiale haben das Haus verlassen, Platz für innovative Ideen gibt es nicht mehr.
Umgekehrt wird die finanzielle Situation in vielen Häusern zunehmend bedrückender: Die Einnahmen sinken weiter. Die Vetriebserlöse lassen sich nicht mehr steigern, weil viele Zeitungen inzwischen so derart teuer geworden sind, dass man bei weiteren Erhöhungen mit massiven Abonnenten-Verlusten rechnen müsste.
Und dort, wo die Zukunft liegt (nämlich im Digitalen) klafft bei den allermeisten ein großes Loch.
Man verweist bei der Debatte über die Lage der deutschen Tageszeitungen gerne darauf, dass wir von amerikanischen Zuständen weit entfernt seien. Das ist insofern richtig, als dass dort inzwischen ganze Landstriche ohne eigene Zeitung sind.
Und dass das Verbreitungsgebiet der Rhein-Zeitung nunmehr keine eigene Zeitung mehr hat, lässt sich ja nicht behaupten.
Trotzdem: Das Beispiel RZ ist ein erster Vorgeschmack, wohin die Reise geht. Wenn manche Städte in einer Region zwischen 30 Minuten und einer Stunde brauchen, um ihre nächstgelegene Lokalredaktion zu erreichen, dann ist man davon nicht mehr so weit entfernt. Leser und Redaktion können noch schwerer eine Bindung zueinander aufbauen, als wie das schon jetzt der Fall ist.
Auch für Journalisten werden Lokalzeitungen zunehmend unattraktiv
Aber es sind ja nicht nur die Leser, die unter dem RZ-Kahlschlag zu leiden haben. Auch auf die Redakteure des Blattes kommen harte Zeiten zu. Zwar betonen Chefredaktion und Geschäftsführung in internen Mitteilungen, dass „genügend Arbeitsplätze für alle“ in den neu zu errichtenden Decks für die jeweiligen Regionen vorhanden seien.
Wenn man aber schon Selbstverständlichkeiten ausdrücklich betonen muss, sollte man stutzig werden.
Und außerdem: Man könne ja auch von anderen Stellen aus arbeiten, das muss nicht immer die Redaktion sein, heißt es im Haus. Digitales Equipment wie personalisierte Laptops sollen es möglich machen. Auch das ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Man ahnt aber auch, worauf das hinausläuft: Redakteure machen ihre Privatwohnungen zunehmend mehr zum eigenen Arbeitsplatz. Wenn man nicht weiß, ob man am Desk überhaupt einen Platz bekommt, wer nimmt dann eine möglicherweise längere Anfahrt zu ebendiesem Arbeitsplatz in Kauf?
Das lässt sich kurzfristig schon mal machen. Über einen längeren Zeitpunkt hinweg bedeutet das aber auch, dass solche Redaktionen zu einem zunehmend unattraktiven Arbeitsplatz werden. Welcher begabte, junge Journalist geht zu einem Arbeitgeber, dessen einzige Perspektive es ist, mit rigiden Sparmaßnahmen irgendwie zu überleben?
Insofern würde man es sich zu leicht machen, würde man einfach darauf verweisen, dass die RZ in dieser Ausprägung ein Einzelfall sei. Im Gegenteil: Das Blatt in Koblenz könnte ungewollt zu einem Role-Model werden.
Wer schlau ist, lernt daraus. Wie man es besser nicht macht.
Mist, jetzt muss ich meinen ursprünglichen Vorsatz, 2020 nicht über Tageszeitungen zu bloggen, schon das zweite Mal in diesem Jahr brechen. Und wir haben noch nicht einmal März. Kann es sein, dass dieses Jahr unangenehmer wird, als wir dachten? Oder ist das nur eine zufällige Häufung schlechter Nachrichten für die Lokalzeitung? Read More
Wie dem auch sei, hier kommt die eigentliche Nachricht: Die „Rhein-Zeitung“ in Koblenz plant laut einer Meldung des SWR, nahezu alle kleinen Lokalredaktionen zu schließen und sie zu größeren, zentralen Einheiten zusammenzulegen. Der Hintergrund dieses Plans (vorausgesetzt, die SWR-Meldung ist korrekt) ist klar: Legt man ein paar kleine Standorte zu einem großen zusammen, spart man Geld. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das naheliegend: Der Unterhalt von drei oder vier Häusern kostet einfach mehr als der von einem einzigen. Und dass, ebenfalls aus Controller-Sicht gesprochen, die Lokalredaktion Cochem kein Gewinnbringer ist, liegt auch auf der Hand
(Foto: Pexels/Pixabay.com)
Also, Standorte schließen, zusammenlegen, schon ist alles wieder gut! Diese Idee zeigt zweierlei. Zum einen: Wie groß der finanzielle Druck allmählich wird, unter dem Regionalzeitungen stehen. Zum anderen: Wie wenig in vielen Verlagen immer noch verstanden wird, was das eigentliche Kerngeschäft ist. Und dass es sich leider häufig um Lippenbekenntnisse handelt, wenn Regionalverlage die Bedeutung und die tiefe Verwurzelung mit ihrer Region betonen.
Tatsächlich hat ein solcher Rückzug aus der Fläche nicht nur betriebswirtschaftliche Aspekte. Er hat praktische Auswirkungen und er beschädigt das Image.
Fangen wir erst mal mit Letzterem an: Für Leser ist es ein klares Signal, wenn sich eine Zeitung aus ihrer Stadt verabschiedet. „Die in Koblenz“ interessieren sich nicht für uns, was sollen die Leute dort auch anderes denken? Immer weniger Angebot für immer mehr Geld, das wird künftigen Lesern gar nicht und auch treuen Stammlesern nur noch schwer zu vermitteln sein. Der Leser einer Lokalzeitung lässt sich ungern auf die Rolle eines reinen Kostenfaktors reduzieren. Das unterscheidet im Übrigen eine Zeitung von einer Bank. Auch Banken ziehen sich zurück, schließen kleine, unrentable Standorte. Bankfilialen haben allerdings im Zeitalter der Digitalisierung erheblich an Bedeutung verloren. Sie können weitgehend durch Automaten und das Netz ersetzt werden. Eine Lokalredaktion ist aber mehr als eine Maschine, ein Mittel zum Zweck.
Lokales aus der Retorte funktioniert nicht
Womit wir auch schon beim nächsten Punkt wären. Auch im digitalen Zeitalter lebt eine gute Lokalredaktion noch von Dingen, die schon vor 50 Jahren wichtig waren. Von der Nähe zu Region und Menschen. Davon, dass man weiß, was die Leute bewegt. Davon, dass man abends auch mal im Wirtshaus sitzt. Und davon, dass die Leser schnell mal um die Ecke in „ihre“ Redaktion gehen und mit „ihren“ Redakteuren spricht. Eine Redaktion, die 20 oder 30 Kilometer entfernt ist, erfüllt diese Funktion nicht mehr.
Ich habe es selbst einmal vor etliche Jahren erlebt, welche Auswirkungen es hat, wenn man die Bedeutung dieser Standortnähe unterschätzt. Bei der PNP lagerte man damals im Zuge des Neubaus die Passauer Stadtredaktion gemeinsam mit allen anderen aus. In ein Industriegebiet, rund zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Bei allen anderen Redaktionen funktionierte das mühelos, bei der Lokalredaktion nicht. Es dauerte nicht allzu lange, da wurde die Redaktion wieder zurückversetzt ins Stadtzentrum (wo sie auch heute noch ist). Eine Lokalredaktion gehört in die Stadt – an diesem simplen Grundsatz wird sich nichts ändern, so lange es noch Lokaljournalismus gibt.
Und wie geht es weiter? Auch das lässt sich absehen – und ist so archetypisch für viele Regionalverlage.
Erst einmal passiert: nichts. Gut, ein paar Bürgermeister, Gemeinderäte und Leser werden protestieren. Aber was will man machen, Konkurrenz gibt es keine. Spürbar werden die Auswirkungen also nicht sein, zumindest anfangs nicht. Im Gegenteil. Auf der Zahlenseite werden sich die Schließungen positiv auswirken, weswegen Verleger und Controller sagen: Sehr ihr, ihr Redaktions-Romantiker, so sichert man Zukunft! Jemand, der 30 Jahre lang die Zeitung gelesen hat, bestellt sie nicht so schnell ab.
Für alle anderen aber geht wieder ein guter Grund verloren, eine Lokalzeitung zu lesen. Eine Lokalzeitung ohne Lokal, das ist wie Fernsehen ohne Farbe, wie Radio ohne Ton. Mittelfristig schaltet niemand mehr ein.
Die Spirale für Regionalzeitungen jedenfalls dreht sich schneller. Und schneller.
Und am Ende? War dann wieder das böse Internet schuld!