Würde man jemandem den typischen Verlauf eines Hypes erklären wollen, man bräuchte nach diesem Jahr nur ein Wort: Clubhouse.Read More
Jeder ist im Clubhouse. Das konnte man für ein paar Wochen im Jahr 2021 vermuten. (Foto: Envato Market)
Selten hat ein Hype all die Zutaten gehabt, die dazu gehören: Ein hysterischer Run auf das Objekt der Begierde. Besinnungsloses Überhöhen des Objekts und krampfhaftes Aufladen mit Bedeutung. Für die Zukunft der Kommunikation und der Medien. Würde man an dieser Stelle eine Aufzählung all der Prognosen veröffentlichen, es gäbe viel zu lachen.
Danach die extreme Gegenreaktion: Die Clubhouse-Kinder legen das Spielzeug aus der Hand, weil es erstens doch nicht so spannend ist. Und weil, ein nicht zu unterschätzender Faktor, die Exklusivität schnell weg war. Wenn sich Krethi und Plethi im gerade noch so elitären Club rumtreiben, verliert das schnell an Reiz. Der App-Kaiser, auch das stellte sich schnell raus, war zudem nackt. Eine App, die viele Menschen zu einer riesigen oder manchmal auch nur kleinen Telefonkonferenz zusammenschließt: Nett, aber braucht das wer?
Was in diesem Blog zu Clubhouse schon erschienen ist:
Zumal sich Pandemie bedingt schnell ganz andere Möglichkeiten eröffnen: Tools wie Zoom machen heute Konferenzen, Gespräche, Fortbildungen, Entertainment mit ganz anderen Möglichkeiten zur Realität, da verliert ein schepperndes Telefon, in dem Menschen durcheinander reden, schnell seinen Reiz.
Und heute? Die neue ARD-ZDF-Onlinestudie attestiert dem ehemaligen Massenphänomen Clubhouse eine de facto nicht mehr messbare Reichweite. Mit der Relevanz war es ohnehin nie weit her. Inhaltlich ist dort viel Unsinn gequasselt worden und außerhalb der Medien- und Kommunikations-Bubble hieß es oft nur: Club-was?
It’s the content, stupid!
Was man ebenfalls daraus mitnehmen kann: Es geht um den Inhalt, nicht nur um Technik. Dass man viel quasseln kann, bedeutet nicht, dass man es auch tun muss. Es gibt so unendlich viele Möglichkeiten zur Kommunikation, da ist es abstrus zu glauben, man müsse einfach nur noch einen Kanal schaffen und dann hat das dauerhaft Bestand. Gequasselt wird viel, was bleiben will, muss sowas wie Substanz haben.
Man lernt aber aber auch etwas anderes. Über unsere Branche allgemein und den (Tech-) Journalismus im Besonderen: Für eine schnelle Aufregung sind wir immer mal zu haben. Wenn irgendwo ein kleiner Hype entsteht, sind wir gerne mit dabei. Und hinterher will es keiner gewesen sein. Das fing bei Second Life so an und ist bei Clubhouse noch lange nicht zu Ende.
Podcast D25: Woran Clubhouse gescheitert ist
Mit dem Digital-Experten Martin Hoffmann haben wir uns bei D25 schon im März darüber unterhalten, warum der Clubhouse-Hype endlich sein dürfte. Wenn man es heute nachhört: Fast exakt so ist es gekommen.
Was bleibt, wenn die Digital-Karawane weitergezogen ist? Wie bei jedem Hype: Nach der Desillusionierung könnte man anfangen, sich produktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es ist ja nicht so, dass “Social Audio” keine Potentiale hätte. Live-Formate werden in Medien und Kommunikation auch weiter an Bedeutung im Medienmix gewinnen. Wie die Technik funktionieren kann, wissen wir ja inzwischen. Jetzt kommt es darauf an, dafür auch gute Formate zu finden. Sonst wird das Clubhouse irgendwann als nette Ruine eines kurzen Hypes rund um das Thema Audio in Erinnerung bleiben.
Audio boomt. So gut, so banal. Im Zeitalter von Podcast, Livestream und Zoom-Call ist das keine echte Überraschung. Erstaunlicher ist da schon, wie schlampig viele mit dem wichtigsten Bestandteil dessen umgehen. Sogar solche, die es eigentlich besser wissen müssten. Read More
Ein halbwegs ordentliches Mikro – und schon sind der Podcast und der Zoom-Call gerettet. (Foto: Envato Elements)
Stellen Sie sich vor, eine kleine Änderung könnte die Qualität, Intelligenz, Sympathie und wahrgenommene Wichtigkeit eines jeden Menschen in Ihrem Podcast drastisch verbessern. Oder in Ihrem Zoom-Meeting. Oder überhaupt bei allem, was irgendwie mit Audio zu tun hat.
Würden Sie es tun?
Also, dann verraten wir Ihnen etwas: Der wichtigste Aspekt ist die Tonqualität! Daran sollten und müssten Sie dringend arbeiten, Zeit und auch ein paar Euro investieren.
Sie gähnen jetzt und sagen: So banal, das sei doch klar? Dann gehören Sie zu einer Minderheit. Zumindest, wenn man praktisches Handeln als Maßstab nimmt. Erstaunlich viele, eine beeindruckende Mehrheit, lässt es: knattern, krachen, rauchen, knarzen. Und sie denken: Ich habe Airpods dran, muss also super klingen.
Jedes 50-Euro-Mikro klingt besser als AirPods
Das aber ist ein Trugschluss. Den Sie spätestens dann bemerken, wenn Sie den direkten Vergleich zu einem halbwegs ordentlichen Mikro haben. Jedes 50-Euro-USB-Mikro klingt um Welten besser. Airpods sind prima zum Musikhören und zum Telefonieren. Für mehr waren sie nie gedacht.
Diese Mikros haben wir bei HYBRID Eins im Einsatz:
Mikro
Kosten
Shure SM7 B
ca. 400 Euro
Shure MV 7
ca. 230 Euro
Sennheiser Handmic Digital
ca. 230 Euro
Sennheiser MD 42
ca. 200 Euro
Rode NT-USB
ca. 180 Euro
Rode Reporter Handheld Mic
ca. 100 Euro
Klar, das Gegenargument kenne ich: dass es bei einer Erzählung, bei einem Podcast in erster Linie um die Struktur der Geschichte geht. Ich weiß, dass es um frische Inhalte und Perspektiven geht. Ich weiß, dass ein engagierter Moderator für ein engagiertes Publikum sorgt. Und natürlich weiß ich, dass nicht in jedem Zoom-Call Menschen mit sensiblen Ohren sitzen und der Zweck meistens die Mittel heiligt.
Die Sache ist nur die: Fast jeder Podcast wäre effektiver, erfolgreicher und wirkungsvoller, wenn die Audioqualität besser wäre (gilt für Zoom-Meetings genauso).
Und nein, wir reden hier nicht von Gimmicks. Für Spielzeuge, die allenfalls für ein paar Audio-Nerds spannend sind. Im Gegenteil: Schlechter Sound geht sogar zu Lasten Ihrer Glaubwürdigkeit. Je mehr Ihr Mikro scheppert und klirrt, umso weniger wird man Sie für seriös und glaubwürdig halten.
Glauben Sie nicht? Dabei kann man diesen Effekt sogar wissenschaftlich nachweisen. Kurz zusammengefasst: Eine neue Studie der USC und der Australian National University zeigt, dass die Audioqualität einen Einfluss darauf hat, ob Menschen glauben, was sie hören – und ob sie der Quelle der Informationen vertrauen. Aus einem eher simplen Grund: Wenn man es den Menschen schwer macht, Informationen zu verarbeiten, werden sie misstrauisch.
Und wer würde bestreiten, dass es nicht eben einfach ist, Informationen zu verarbeiten, die man schon rein akustisch kaum versteht?
Sie investieren eine Menge Zeit, Mühe und Geld in ein Projekt. Und dann vernachlässigen Sie das Wichtigste?
Jaja, ich weiß. Ich habe das alles schon gehört:
„Skype-Anrufe sind gut genug fürs Fernsehen, warum sind sie nicht gut genug für einen Podcast?“ (PR-Agentur)
„Ich verspreche Ihnen, dass das eingebaute Laptop-Mikrofon des CEO von höchster Qualität ist.“ (Auch PR-Agentur; der Mann benutzte dann später ein Macbook Air)
„Wir müssen via Zoom aufnehmen, der Chef macht nichts anderes.“ (Eine Person, die offenbar Audio hasst).
Und nein, bevor Sie zusammenzucken: Das alles muss weder teuer noch komplex sein. Im Gegenteil, es war noch nie so einfach, guten Klang zu bekommen. Oder zumindest einen ordentlichen Klang, muss ja nicht gleiuch HiFi sein.
Deshalb wiederhole ich das gerne nochmal: In jedem größeren Elektronikgeschäft der Welt gibt es USB-Mikrofone für 50 Euro, die besser sind als Ihr Laptop-Mikrofon.
Die Airpods zum Musikhören dürfen Sie ja trotzdem gerne behalten (auch wenn ich da ja…aber nein, das würde jetzt zu weit führen).
(Freundlicher Hinweis: Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, unser Audio-Guide erscheint demnächst. Und wenn Sie unsere praktische Hilfe brauchen, melden Sie sich gerne bei HYBRID Eins.)
Audio, Video, doch lieber ein Text? Das ist die falsche Frage. Stattdessen: gutes Storytelling, Narrative – und die Darstellungsform ist egal. Read More
Video oder doch lieber Audio? Egal, so lange die Geschichte gut ist. (Foto: Envato Elements)
Seit inzwischen einigen Jahren bemühen sie sich bei ARD und ZDF redlich: Was tut sich im Netz, wie ist die Lage der Online-Nation? Das alles wird mit vielen Zahlen und bunten Grafiken hinterlegt und ist seit einigen Jahren nur noch mäßig aufregend. Nicht, dass die beiden Öffis irgendwas falsch machen würden. Man weiß nur das Meiste schon. (Für die Neugierigen unter Ihnen: Das Ding heißt ARD-ZDF-Onlinestudie.)
Das wiederum ist nicht sehr verwunderlich im Jahr 14 des iPhone und des gefühlt 50jährigen Jubiläum des Web. Ob nun 87 oder 89 oder 91 Prozent der Deutschen im Netz sind, macht bestenfalls für Menschen einen Unterschied, die ein quasi-erotisches Verhältnis zu Zahlen haben. Man kann jedenfalls aus solchen Zahlen nicht sehr viel mehr herauslesen, als dass das Netz zum festen Bestandteil des Lebens geworden ist. Und weil das wiederum niemand mehr ernsthaft abstreiten würde, ist der Erkenntnisgewinn dieser Zahlen sehr überschaubar.
Ist also die Frage, welche Rückschlüsse man aus dieser und den vielen anderen Zahlen schließt, die ARD und ZDF vorgelegt haben.
Vermutlich gibt es da vor allem eine: Wenn wir heute vom Publizieren im Netz sprechen, (mir geht dieses grauenvolle Phrasenmonster “Content” noch immer nicht flüssig aus der Tastatur), dann hat das potentiell immer mit der Idee eines 360-Grad-Storytellings zu tun. Die Geschichte lässt sich also in einem Kreis erzählen, man kann beliebig einsteigen, einen Mittelpunkt muss es nicht zwingend geben.
Video oder Audio? Hauptsache Storytelling!
Schaut man nämlich in den Zahlen- und Tabellenwust der Studie, dann bemerkt man vor allem eines:
Für die User spielt die Frage nach der Darstellungsform nur noch eine untergeordnete Rolle. Weniger geschwollen gesagt: Es ist ihm wurscht, ob man ihm ein Video, ein Audio, einen Text vorsetzt. Hauptsache, es ist gut und es passt zu der Situation, in der er gerade ist. Ein 60-Minuten-HD-Video ist sicher was feines, aber nicht, wenn einer gerade für drei Stationen in der U-Bahn sitzt. So wie umgekehrt für jemanden, der gerade mit dem Tablet schmökernd auf der Couch liegt, der 90-Sekunden-Info-Happen womöglich nur bedingt zufriedenstellend ist, wo er doch gerade mal Zeit und Lust auf ein wenig ausführlichere Information hätte.
Schaut man sich diese Zahlen an, erkennt man schnell: Die Entweder-Oder-Debatten sind für eine halbwegs vernünftige Inhaltestrategie obsolet geworden. Machen wir lieber ein Video oder ein Audio oder einen Text, das ist im Kern die falsche Frage. Zumindest dann, wenn man voraussetzt, dass der User, den es ohnehin nicht gibt, bestimmte Präferenzen bezüglich der äußeren Form hätte. Jeder einzelne hat solche Präferenzen natürlich, aber im Ganzen, siehe Statistik, sind sie nicht mehr erkennbar. Und somit auch nicht relevant. Der Einzelne mag also möglicherweis lieber schauen als hören. Daraus die Aussage zu machen, dass der User lieber Videos schaut als Audios zu nutzen, haut aber nicht (mehr) hin.
Die Digitalisierung, der große Gleichmacher, hat die Mediengrenzen aufgelöst. Das ist die große Veränderung im Vergleich zur Dekade davor, als man noch Rankings machen konnte. Was wiederum bedeutet, dass Medien- und Kommunikationsmacher aufhören müssen, in solchen Darstellungs-Silos zu denken. Das klingt simpel und nachvollziehbar. In der Praxis erlebt man aber oft genug noch genau diese Denkweise: Video oder Audio oder Text?
Content, Kontext, Endgerät
Und man erlebt leider genauso oft den falschen Rückschluss aus den digitaler Verschiebungen. Vor allem den, dass man, wenn der User jetzt keine klare Präferenz mehr hat, meint: Ok, dann machen wir eben immer alles. Das glauben zumindest, die theoretisch die Ressourcen dafür hätten, die meisten haben sie ja nicht mal in der Theorie. Der Gedanke ist aber auch dann grundfalsch, wenn man diese Ressourcen hätte. Das Gießkannenprinzip funktioniert nicht.
Es wäre also ebenso schlaue wie simple Grundvoraussetzung, wenn man sich ein paar Dinge vorab überlegen würde:
In welchem Kontext steht die Geschichte, die wir publizieren wollen, auf welchem Kanal könnte sie erscheinen?
Auf welchem Endgerät wird sie mutmaßlich konsumiert?
Und: Wie kann unter diesen Voraussetzungen die Geschichte am besten erzählt werden?
Content, Kontext, Endgerät: Auf diesen Dreisatz wird es also ankommen, will man entscheiden, wie und wo man eine Geschichte präsentiert. Was wiederum bedeutet: So wie in einem CMS Daten möglichst neutral gehalten werden sollten, müssen wir auch in unserer eigenen strategischen Denkweise in dieser Neutralität ankommen. Das berühmte “von der Geschichte her denken”, was auf Seminaren und in anderen von der Theorie dominierten Runden oft hört, in der Praxis aber immer noch erstaunlich selten sieht.
Wie man das hinbekommt? Indem man sich intensiv mit all diesen Variationen auseinandersetzt. Indem man versucht zu verstehen, was ein gutes Video ausmacht. Wie Audios und Podcasts funktionieren. Und natürlich auch, was einen guten Text ausmacht (diese Kunst geht in den Debatten um die richtige Multimedialität gerne mal unter).
Natürlich muss man nicht alle diese Dinge in der Praxis beherrschen. Nicht aus jedem wird ein großer VJ oder ein Podcast-Host. Was Sie nicht daran hindern sollte, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, was dazugehört, um genau das zu sein. Kurz gesagt: Werden Sie Storyteller!
(Transparenzhinweis: Mit unserer Firma HYBRID Eins machen wir 360-Grad-Storytelling für Redaktionen und Unternehmen)
Mit der App Clubhouse könnte es schon bald abwärts gehen. Dagegen steht dem Thema Social Audio generell eine spannende Zukunft bevor. Read More
Vorweg der Hinweis aus Transparenzgründen: Ich kann mit Clubhouse nicht allzu viel anfangen, meine schon vor Wochen beschriebenen Eindrücke haben sich nicht wesentlich geändert. Nach wie vor halte ich Clubhouse für einen (gewollt) elitären Laden. Dass ich bei den wenigen Veranstaltungen, bei denen ich zugehört habe, irgendeinen Erkenntnisgewinn davon getragen hätte, kann ich nicht behaupten. Gut, man muss nicht aus jeder Plauderrunde mit einem großen Maß an Erkenntnis rausgehen. Manchmal kann einfach nur plaudern ja auch ganz nett sein, vor allem in Zeiten wie diesen. Trotzdem denke ich mir fast immer, wenn ich mit dem Thema Clubhouse in Verbindung komme: Schade um die Zeit.
Zumal sich ein wenig überraschendes Phänomen auch in den iPhone-Plauderrunden herauskristallisiert: Am Ende sind es dann doch wieder die ewig gleichen Wort- und Meinungsführer, die sich auf den Bühnen rumtreiben. Manchmal kommt mir Clubhouse vor wie ein gesprochenes Twitter. Vielleicht ist es auch das, was mich stört: Mir ist schon meine Zeit für extensives Twittern zu schade. Ich müsste unverhältnismäßig viel Zeit für eine am Ende oberflächliche Kommunikation aufwenden. Wenn man sich dann noch den aktuellen Gereiztheitsgrad in einer nicht nur, aber eben auch von digitalen Plattformen getriebenen Empörungsgesellschaft anschaut…ach nö, count me out. Und was die unvermeidlichen Dauerredner zu erzählen haben, bekomme ich auch auf anderen Kanälen mit. Nicht immer zu meiner ausgesprochenen Freude übrigens.
Alles in allem also: Ein sehr kleiner, meinungsfreudiger, bestens vernetzter Kreis, der allerdings in seiner ganzen Winzhaftigkeit erstaunliche Parallelen zu Twitter aufweist (aufschlussreiche Zahlen dazu übrigens hier).
Das Genre „Social Audio“ hat Potenzial
So weit, so öde also. Weil aber andere Kanäle gerade dabei sind, Clubhouse-Klone zu erstellen und Clubhouse damit das Periscope-Schicksal (erinnert sich wer?) zu bereiten, muss man über das Phänomen „Social Audio“ noch mal neu nachdenken. Wenn man sich das ganze Eliten-Gedöns wegdenkt und sich von der Idee verabschiedet, Social Audio sei ausschließlich auf diesem Kanal und als geschlossene Runde denkbar, kommt man auf interessante Möglichkeiten.
Im Gegenteil: Social Audio muss keineswegs zum Tummelplatz von Pseudo-Eliten werden. Gerade der grundsätzlich niedrigschwellige Zugang macht es zu einer interessanten Option für alles, was schnell, live und interaktiv sein soll.
Um noch mal auf Twitter zu kommen: Das Phänomen des gemeinsamen Fußball- oder Tatort-Schauens gehört zu den wichtigsten Assets, die eine solche Plattform überhaupt haben kann. Social Audio also als Komplementär-Medium zu anderen Veranstaltungen? Da werden wir in den kommenden Jahren noch viele Entwicklungen sehen (wenn das Genre dann endlich mal den Clubhouse-Käfig verlässt).
Ansonsten hat der geschätzte Kollege Martin Hoffmann schon vor geraumer Zeit aufgeschrieben, warum er der App Clubhouse keine allzu große Zukunft einräumt (wohlgemerkt der App, nicht dem Genre). Die aktuelle Entwicklung gibt ihm recht. Nicht nur, dass jeder Clubhouse-User bemerkt, dass die Zahl der anberaumten Quasselrunden inzwischen signifikant unter der der großen Hype-Zeit vor rund vier Wochen liegt (gut, da gehört auch nicht viel dazu, damals hat jedes Kaffeekränzchen einen eigenen Raum eröffnet). Auch die Charts des App-Stores zeigen einen deutlichen Trend. Aktuell (Stand: Freitag, 12.3.) liegt sie auf Platz 64, knapp hinter dem Drogeriemarkt dm.
Grund genug, dass ich mich mit Martin Hoffmann über die Zukunft von Social Audio und Clubhouse unterhalte! Das Ergebnis sehr und hört ihr hier in der neuen Folge von D25, dem Digitalisierungs-Podcast von HYBRID Eins.
(Den Podcast gibt es u.a. hier bei Spotify und auf allen anderen guten Plattformen)
Welchen Sinn machen Blogs noch? Vor ein paar Tagen bin ich über diese Debatte gestolpert. Bezeichnenderweise nicht in einem Blog, sondern bei LinkedIn. Sind Blogs also tot? Nein, nur die Plattformen, auf denen wir inzwischen kommunizieren, sind deutlich mehr geworden. Damit verändern sich auch die Inhalte. Read More
Vor 16 Jahren habe ich dieses Blog hier ins Leben gerufen. Das war damals zwar nicht völlig wagemutig, aber für einen Journalisten zumindest nicht ganz die Regel. Blogger, das waren die, die im Journalismus kein Bein mehr auf den Boden bringen, hieß es gerne. Wenn Journalisten von Bloggern sprachen, klang immer auch ein unterschwelliges „Bäh“ mit. Vor allem deshalb, weil Bloggen kein „richtiger“ Journalismus war. Für die Jüngeren unter den Lesern: „Richtiger“ Journalismus fand damals immer auf Papier oder bei einem Sender statt und je älter dieses Papier oder der Sender, desto besser. Ich hatte also am Anfang einigen Erklärungsbedarf, als ich zu bloggen begann.
Das hielt aber gar nicht so lange an, wie ich befürchtete. Bloggen galt plötzlich als cool, als Must-have. In der Spitze verstiegen sich Menschen in Theorien wie die, dass es irgendwann mal keine Zeitungen, keine Webseiten und keine Sender mehr geben würde, weil alles in der Kunstform des Blogs aufgehe. Man schummelt nicht, wenn man sagt, dass Blogs mal so was waren wie Clubhouse heute. Wollte man haben, musste man haben. Selbst dann, wenn man sich gar nicht sicher war, was man damit überhaupt anfangen wollte. Es gab erstaunlich viele, die ohne Sinn und Plan bloggten. Auch das ist eine Parallele zu den Klubhäuslern unserer Tage.
Jedenfalls ging das lange vergleichsweise gut mit der Bloggerei. Ich erinnere mich, dass ich sogar zweimal eine Summer School im Rahmen meines Lehrauftrags an der Uni Passau mit dem Thema Blogs beglücken durfte und Seminaranfragen gab es auch reichlich. Da war für mich allerdings immer eine Grenze erreicht: In einem Bloggerseminar kann man bestenfalls was über ein paar Grundlagen erzählen. Kreativität dagegen in einem Tagesseminar? Daran glauben bestenfalls die, die auch 14-Tage-Kurse zum Erlernen einer Fremdsprache buchen.
Und heute? Es muss ein schleichender Prozess gewesen sein. Einer, in dem Blogs an Bedeutung verloren haben. Für mich selbst, aber auch für viele andere. Bei mir merke ich es an den gnadenlosen WordPress-Statistiken, nach denen alles in den vergangenen zehn Jahren gesunken ist. Die Frequenz meiner Beiträge. Die Userzahlen. Und auch das, die Interaktionen mit den Lesern. Kommentare finden mittlerweile hauptsächlich in den sozialen Netzwerken statt. Wenn ich hier mal einen entdecke, handelt es sich im Regelfall um Spam. Das ist schade auf der einen Seite. Und nicht zu ändern auf der anderen. Die Digitalisierung frisst ihre Kinder im Höllentempo, da machen Blogs keinen Unterschied.
Klammer auf: Natürlich gibt es nach wie vor ausgezeichnete Blogs und ich würde niemandem abraten zu bloggen. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass der Hype vorbei ist. Muss ja auch kein Fehler sein. Klammer wieder zu.
Das alles heißt nicht, dass wir jetzt den Backlash erleben und alle wieder zurück zu…siehe oben. Im Gegenteil. Publizieren heute, das bedeutet vor allem, dass man sich in einen ganz besonderen Aggregatszustand versetzt.
Der Blogger ist längst ein Multi-Publizist geworden
Am ehesten könnte man das als „flüssig“ bezeichnen. Weil es nicht mehr reicht, wenn man „nur“ auf einem oder zwei Kanälen publiziert. Der Blogger von damals ist der Multi-Publizist von heute. Der mal im sozialen Netzwerk unterwegs ist und dann wieder auf seiner Webseite. Mal hat er seinen Podcast, dann seinen YouTube-Channel, um schließlich ein wenig bei Clubhouse rumzupalavern (an der Formulierung erkennen Sie, dass mich Clubhouse noch nicht restlos überzeugt).
Die Digitalisierung frisst ihre Kinder, ich wiederhole mich da gerne. Das, was wir den Zeitungen, den Sendern, den verstockten traditionellen Medienmachern prophezeit haben, droht uns jetzt selber, wenn wir nicht ordentlich aufpassen. Das hat ein bisschen was mit Biologie zu tun. Wir Endzwanziger von damals sind mittlerweile um die 50 und werden zunehmend öfter als Boomer belächelt, nicht immer zu Unrecht. Möglicherweise beginnen wir allmählich, die Endzwanziger von heute ebenso wenig zu verstehen wie uns damals die ganzen Verleger und Intendanten. Und ja, Dinge ändern sich. Schneller denn je. Meistens ist das sogar ganz ok so.
Nicht mal auf Facebook und Twitter kann man sich mehr verlassen, dabei galten diese beiden zu unserer Zeit noch als gesetzt. Wenn man sich auf nix einigen konnte, so viel stand fest: Als Medienmensch musst du bei Facebook und Twitter sein, alles andere bedeutet deinen Untergang.
Aus der Facebook-Ecke modern die ersten Gerüche des Niedergangs
Heute schadet es immer noch nicht, dort zu sein. Speziell Facebook aber verliert mehr und mehr seinen Reiz. Ich bin noch nie so zugespamt worden wie im letzten halben Jahr. Der Messenger und die “ Freundschaftsanfragen“ sehen inzwischen so aus wie mein Spamordner bei Gmail. Naturgeile Teenies, Kreditangebote, billige und manchmal sogar raffinierte Fakes, dazu das Abwandern des Fachpublikums beispielsweise zu LinkedIn. Das alles sind untrügliche Zeichen des Niedergangs von Plattformen. Twitter ist in seiner ganzen Übellaunigkeit und Schreihalsigkeit noch schwerer auszuhalten, schade drum.
Raus also bei Facebook, rein bei LinkedIn und Clubhouse? Klingt auf den ersten Blick plausibel, ist aber zu kurz gedacht. Es ist ja nicht nur eine Frage der Trends. Bei denen weht das strenge Lüftlein des Zeitgeists sehr in Richtung LinkedIn und Clubhouse, während es in der Ecke Facebook gerade etwas moderig zu riechen beginnt. Darum geht nicht, der Trend ist mal mehr, mal weniger dein Friend.
Stattdessen gewinnen zwei Dinge an Bedeutung. Das eine: Aufmerksamkeit. Das andere: Zielgruppen. Beides zusammen ist die Kombination, die über Erfolg und Misserfolg entscheidet.
Aufmerksamkeit, klar, die war schon immer wichtig. Der Unterschied zu früher ist nur, dass sich um das bisschen Aufmerksamkeit, das jeder zu vergeben hat, zunehmend mehr Anbieter streiten. Und dass umgekehrt der User zunehmend filtert, blockt und personalisiert (was bleibt ihm anderes übrig?) Dass Apple beispielsweise künftig Facebook in die Parade fährt und den Nutzer fragt, ob er sich von der Facebook-App auch wirklich vollumfänglich tracken lassen mag, ist nicht einfach nur ein Akt der Unfreundlichkeit. Er ist exemplarisch dafür, wo die Reise hingeht. Wenn dein Kunde einschaltet, solltest du da sein. Blöd nur, dass du immer weniger weißt, wo und wann dein Kunde genau was einschaltet.
Wenn es also um die Frage geht, wo du sein solltest, wird die Antwort zunehmend öfter sein: sowohl als auch statt entweder – oder. Das macht die ganze Angelegenheit leider ein ganzes Stück kniffliger.
Du solltest wenigstens halbwegs wissen, für wen du publizierst
Umso wichtiger ist das alte Prinzip: Kenne deine Zielgruppe! Dazu gehört inzwischen nicht mehr nur die soziographische Analyse. Alter, Geschlecht, Wohnort, all diese Dinge sind die Basis. Mindestens genau so wichtig ist inzwischen die Frage nach ihren bevorzugten Medien und Endgeräten.
Darauf gibt es leider keine standardisierten Antworten. Wir können uns nur in wenigen Dinge sicher sein. Die Zukunft von Print ist sehr überschaubar, der Desktop spielt bei der Mediennutzung auch eine eher geringe Rolle. Irgendwie mobil also in einem Mix aus Video, Audio, Grafik, Text und Bild. Möglicherweise alles in einem einzigen Stück.
Die Zeiten sind zunehmend audiovisuell. Das merkt man nicht nur an der Popularität von YouTube, sondern vor allem daran, wie positiv User auf interaktive Grafiken und Animationen reagieren. Das sind Inhalte, die helfen, komplizierte Themen zu erklären – und somit sehr effektive Wege, Geschichten zu erzählen. Das alles wiederum können viele der Darstellungsformen, die wir noch aus analogen Zeiten kennen, schlichtweg nicht leisten.
Geschichten erzählen, um also wieder auf die eingangs gestellte Frage nach den Blogs zurückzukommen – darum ging es im Wesentlichen damals schon. Genau genommen ging es nie um etwas anderes. Nur, dass man heute natürlich sein Blog behalten kann und so etwas wie ein Content-Hub nicht schaden kann – und man trotzdem seine Geschichten idealerweise auf Plattformen verteilt und sie dem Publikum dort erzählt, wo es gerade auf Empfang geht.
Vor Kurzem hat ein Kollege angeregt, ich solle für mich selbst eine kleine Bilanz ziehen, was inhaltlich von meinen Ideen und Prognosen im Buch „Universalcode 2020“ eingetroffen ist. Schon das eine oder andere, würde ich sagen. Vor allem, dass der Untertitel „Content-Kontext -Endgerät“ noch einen Tick relevanter geworden ist.
Das ist alles, worum es sich dreht. Content, Kontext, Endgerät. Und wenn der User auf Empfang geht, musst du da sein.
(Fotos auf dieser Seite: Gerd Altmann/Pixabay, Christian Jakubetz)
Zu den Dingen, die ich in meinem Leben nie geschafft habe, gehört der Lions-Club. Man muss dort vorgeschlagen, nominiert, eingeladen werden. Man kann also nicht einfach hingehen und sagen: Hallo, hier bin ich, ich wäre jetzt dann gerne Mitglied bei euch. So läuft das nicht. Die Exklusivität der Lions entsteht ja gerade dadurch durch die Verknappung des Angebots, jetzt mal rein aus Marketing-Sicht gesprochen. Read More
Jedenfalls hat sich in den langen Jahren meines Lebens nie jemanden gefunden, der mich einer Lions-Mitgliedschaft für würdig befunden hätte. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, damit zu leben. Auch deswegen, weil mir die Löwen tendenziell immer ein bisschen affig vorgekommen sind. Ein wenig zu blasiert, zu überzeugt von der eigenen Wichtigkeit, zu sehr Typ Sakko mit Goldknöpfen und Business-Kostümchen.
Womit wir dann endlich beim aktuellen Medienhype schlechthin wären, dem „Clubhouse“. Auch hier gilt: In ist, wer drin ist. Und um reinzukommen, musst du ein paar Voraussetzungen erfüllen.
Nummer eins: Du musst ein iPhone haben. Mit so einem schnöden Android-Ding hast du keine Chance.
Nummer zwei: Du musst erst mal jemanden finden, der dich einlädt. Invitation only, sorry, geschlossene Gesellschaft.
Was wiederum einen auch den Lions wohlbekannten Effekt erzeugt: Wenn man denn drin ist, kennt man sich. In den verschiedenen Clubräumen trift man nicht nur bekannte, sondern auch mal sehr bekannte, richtig bekannte Namen. Parteichefs beispielsweise oder Minister. Nicht so eine Bonsaiprominenz aus unseren Medienkreisen. Wobei, das Prinzip kennt man: Ein bisschen was vom Glanz des Prominenten fällt immer ab, man fühlt sich dann gleich gar nicht mehr so nach Cord-Sakko mit Ärmelschonern. Sondern eher nach Designeranzug und edlem Gesöff in der Hand.
Natürlich trifft man sich in Lions-Clubs nicht nur zum schnöden Smalltalk. Man ist ja wichtig. Und deswegen dreht es sich meistens um die wirklich wichtigen Dinge der Branche. Nur sehr selten findet man Clubräume, in denen es um den richtigen Aufbau einer Kunstsammlung geht. Dort findet man viele Menschen, die sich den richtigen Aufbau einer Kunstsammlung leisten können oder wenigstens hoffen, es irgendwann tun zu können.
Nomen est omen, übrigens. In solchen Clubräumen wird viel gesprochen. Sehr viel sogar, um nicht zu sagen: andauernd. Das ist ja das Prinzip einer Audio-App. Vermutlich ist die Beobachtung dieser Gespräche ein Fest für Soziologen: Man findet schnell heraus, wer die Wortführer sind. Und wer weniger zu sagen hat. Es gibt wenige Wortführer und viel stumm zuhörendes Fußvolk, auch das: fast wie im richtigen Leben.
Müsste man also das Clubhouse-Feeling richtig beschreiben, man könnte es als eine virtuelle Mischung aus DLD, re:publica und After-Show-Party beschreiben, zumindest dann, wenn man aus der Medienecke kommt. Das kann man ganz amüsant finden und vielleicht sogar wichtig, weil auch die Medienbranche immer noch eine ist, in der ohne die richtigen Kontakte nur wenig geht. Inhaltlich ist Clubhouse bestimmt auch super spannend, wenn man sich denn entscheiden kann, wo man überhaupt hin will, zwischen all den Räumen zur richtigen Kunstsammlung oder auch zur Zukunft des Content-Marketings unter Berücksichtigung von Künstlicher Intelligenz.
Würde man also den klassischen Clubhouse-Besucher fragen, wie er das Ding so findet, er würde mehrheitlich sagen: spannend. Das kann alles und nix heißen und wie das alles ausgeht, sagt man damit ja auch nicht.
Ich würde sagen: schaun mehr mal. Ob da in einem Jahr noch jemand drüber redet. Medienmenschen sind bei Hypes ja immer besonders anfällig. Aber auch genauso gnadenlos, wenn der Hype wieder nachlässt. Und ob man das jetzt, wenn auf einmal so viel Fußvolk reinströmt, immer noch so exklusiv findet, würde ich auch erstmal abwarten.
Müsste man das Medienjahr 2020 zusammenfassen, es wäre einfach: Corona hat uns bei der Digitalisierung um Jahre nach vorne geworfen. Auch wenn viele das noch gar nicht begriffen haben, die alte Medienwelt ist endgültig obsolet geworden. Read More
2020 hat verstärkt, was Nerds schon immer wussten: Das Netz ist omnipräsent. Wir gehen nicht online. Wir leben online. Und natürlich kommunizieren wir dauerhaft online. Mittendrin in Lockdown #2 ist das einfacher denn je zu verstehen: Was bliebe uns auch anderes übrig?
Eine kleine Binse zu Beginn dieses Textes, der sich mit dem Jahr 2020 in Medien und Kommunikation beschäftigen soll: Covid-19 hat alles und noch dazu unseren Glauben auf die Probe gestellt. Und wer hätte gedacht, dass es auch einen Crashkurs in persönlicher Technologie erfordern würde? Doch genauso ist es gekommen: In all den Jahren, in denen ich jetzt über Digitalisierung und Medien schreibe, hat es noch nie einen derart gewaltigen Schub gegeben. Es war einer, der nicht auf Freiwilligkeit basierte. Sondern erzwungen wurde. So ist der Mensch nunmal. So viel aber schon mal vorweg: Es hat uns nicht geschadet (was man leider von vielen anderen Aspekten der Pandemie nicht behaupten kann).
Das Coronavirus markiert einen Wendepunkt für Nerds und Nicht-Nerds gleichermaßen. Gleichzeitig aber legt das Virus das vielleicht größte Versäumnis der Medien offen: Sie laufen häufig den Möglichkeiten, die digitale Technik inzwischen zu bieten hat, immer noch ein ganzes Stück hinterher.
Hybride und digitale Kommunikation
Die Videochat-App Zoom hat in diesem Jahr eine erstaunliche Karriere hingelegt. Sie wurde gleichzeitig zu einem Substantiv, Verb und Adjektiv. „Sollen wir zoomen?“, gehört zu den gängigsten Fragen, die man 2020 zu hören bekommen hat. Dabei handelt es sich bei Zoom und seinen Apologeten um mehr als eine Software, mit der man Videochats durchführen kann.
Zoom steht sinnbildlich für anderes. Für eine neue Form von Kommunikation, Information, Events. Mit ihrer Hilfe lassen sich ganze Kongresse veranstalten, lassen sich Menschen aus der ganzen Welt zu jeder Zeit an jedem Platz zusammenholen.
Umgerechnet in die Bedürfnisse von Medien und Kommunikation bedeutet das: Es gibt unzählige Möglichkeiten, daraus neue Formate zu entwickeln. Das können ganz simple „Talking Heads“ sein, zwei oder drei Menschen in einem live gestreamten Gespräch. Es ließen sich daraus aber auch ganze Town-Hall-Meetings machen, Redaktionen oder Unternehmen im Dialog mit Nutzern oder Kunden. Der Aufwand wäre vergleichsweise gering, die Kosten überschaubar.
Zu sehen davon ist im deutschen Alltag davon bisher: wenig, sehr wenig. Ich habe immer noch ausreichend viele Redaktionen gesehen, die mit Stolz verkündeten, einen neuen Newsletter oder (aber nur die ganz Wagemutigen!) jetzt auch bei Tik-Tok zu sein. Ansonsten waren die Reaktionen auf die Pandemie häufig von trostloser Einfallslosigkeit: Kurzarbeiten, Honorar- und Budgetkürzungen. Die ganze Klaviatur dessen, wenn einem die Chancen der Veränderung eher Angst machen.
Livestreaming mit HYBRID Eins…
Ich habe das auch am eigenen Leib gespürt: Im März habe ich den geschätzten Kollegen Steffen Meier und Marco Maas „HYBRID Eins“ gegründet. Ein kleines Unternehmen, das sich, wie der Name schon sagt, mit hybrid-digitaler Kommunikation beschäftigt. Das erste knappe Jahr lief besser erwartet, wir hatten Kunden auf Ministerien- und Konzernebene. Klassische Medien und Journalisten waren nicht darunter. Ich habe diese Beobachtung einer Kollegin aus einer Agentur erzählt. Überrascht war sie davon nicht: „Medienunternehmen kommen grundsätzlich ein paar Jahre später als alle anderen“, sagte sie mir. Im ersten Moment musste ich lachen. Im zweiten dachte ich mir: Das sagt leider zu Beginn des Jahres 2021 alles, was man über große Teile der Branche wissen muss.
Geschlafen, auch das muss man eingestehen, wurde in der Branche allerdings nicht erst seit März, als es mit der Pandemie so richtig los ging. Sondern schon seit Ende der Neunziger. Nach wie vor gilt für viele: Man läuft den Entwicklungen hinterher, als (um einen Modebegriff aus Pandemie-Zeiten zu verwenden) endlich mal vor die Welle zu kommen. Und weil sich Geschichte wiederholt, ist auch dieses nicht verwunderlich: Die User sind schon lange viel weiter. Echtzeit-Kommunikation, das sichere Verwenden von Bewegtbild und Streams gehören zur Routine vieler Menschen. Man würde sie gewiss nicht überfordern, würde man adäquate Formate in den medialen Alltag einbauen.
Bevor der Einwand kommt: Schon klar, die Zukunft wird nicht allein durch das entschieden, was bequem oder möglich ist. Neue Online-Formate müssen erst noch ein nachhaltiges Geschäft finden. Auf der anderen Seite: Bei welchem neuen Geschäftsmodell wäre das nicht so?
Vieles aus dem Jahr 2020 wird bleiben
Als die neuen Technologien zu Beginn des Jahres unseres Alltag eroberten, da dachte ich: Einsiedlertechnologie. Du bekommst alles was du brauchst, um nie wieder dein Haus zu verlassen. Inzwischen denke ich, dass ich mit dieser Einschätzung daneben gelegen bin. Natürlich kann man sich mithilfe dieser Tools und Angebote zum Einsiedler machen. Wenn man will, kann man es aber auch genau umgekehrt machen. Und noch schneller, direkter, persönlicher kommunizieren und interagieren.
Stichwort „Geschichte, die sich wiederholt“: Generell werde ich das Gefühl nicht los, dass die aktuelle Grundhaltung der aus dem Beginn des neuen Millenniums ähnlich ist. Man hält das alles für eine vorübergehende Erscheinung, die ebenso wundersam wie das Virus wieder verschwunden wird. Nach Corona, so glaubt man gerne, ist dann alles wie vorher.
Das Virus wird möglicherweise in absehbarer Zeit seinen Schrecken verloren haben. Der Digitalisierungsschub aber bleibt. Viele Branchen werden nicht mehr zum früheren Status quo zurückkehren. Für Medien und Kommunikation gilt das uneingeschränkt ebenfalls.
Weniger theoretisch gesagt bedeutet das: Zoom wird nicht wieder von den Rechnern verschwinden. Webcams und Mikrofone bleiben installiert. Für jeden, der kommunizieren will, hat sich 2020 ein gigantischer neuer Kanal eröffnet. Jeder Rechner, jedes Smartphone ist zum potenziellen Sender wie Empfänger geworden. Theoretisch waren sie das zuvor auch schon. Das aber nur mit sehr eingeschränkten Möglichkeiten. Inzwischen sind sie zum Sinnbild dafür geworden, dass die Digitalisierung von Medien und Kommunikation auf ihrem Höhepunkt angekommen ist. Wir können uns 1:1 von Angesicht zu Angesicht begegnen.
Die langfristigen Auswirkungen dessen kennen wir noch nicht. Es wird aber höchste Zeit, uns damit zu beschäftigen.
Ob es eine gute Idee ist, einen Text in einem Medienblog mit dem bösen C-Wort zu beginnen? Keine Ahnung. Aber weil man ja an Corona ohnehin nicht vorbei kommt, warum sollte man nicht? Zumal das C-Thema eines ist, das uns beim Thema Medien und Kommunikation mindestens genauso betrifft wie die Gastronomie (oder sonst wen). Sicher ist jedenfalls: Das Leben macht mehr und mehr Hybride. Read More
Einen Begriff habe ich in den letzten Monaten immer wieder gehört: Zwangs-Digitalisierung. Wie über alle zugespitzten Formulierungen ließe sich auch hierüber streiten. Aber im Kern trifft es das schon. Vieles von dem, was wir 2020 an Veränderungen gesehen haben, war so weder geplant noch sonderlich gewollt. Eigentlich könnte man sagen: wie immer, wenn es um Innovationen geht. Es gibt die einen, die Spaß dran haben. Und die anderen, die erst in die Gänge kommen, wenn es anfängt wehzutun. Man sagt nichts Böses und Überraschendes, wenn man festhält: Letztere sind eindeutig in der Mehrheit. So ist der Mensch nun mal.
Wie auch immer, es sind viele Dinge passiert, die man zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht erwartet hätte. Redaktionen arbeiten plötzlich in Remote-Strukturen. Konferenzen und Meetings heißen jetzt Zoom-Calls. Der Gebrauch von solchen Tools, Webcams, Mikrofonen und an manchen Stellen sogar halbwegs vernünftigen Lampen sind eher Standard als Ausnahme. Man trifft sich, ohne sich zu treffen. Echte Hybride eben.
Aber das sind erst mal nur Äußerlichkeiten. Ein Zoom-Account und eine Webcam machen noch keine Digitalisierung. Und Arbeiten vom Home-Office macht aus Redaktionen keine Digital-Disruptoren. Aber in einigen wenigen Ansätzen erkennt man schon, was das Jahr 2020 auch in Medien und Kommunikation verändert.
Für alle die, die es kurz und präzise mögen:
Mehr Video. Mehr Audio. Mehr Live. Mehr Hybride.
Für alle, die noch weiterlesen mögen – hier kommt es detaillierter und vor allem auch mit Begründungen für diese Annahme.
Unsere Büros, egal ob zu Hause oder woanders, sind potenzielle Studios für alles. Im Regelfall kann man mit jedem halbwegs vernünftigen Rechner und einem stabil schnellen Netz produzieren und senden, was man will. Ob vorproduziert oder in Echtzeit (früher nannte man das „live“), das spielt keine Rolle. Diese Erkenntnis ist nicht neu, spätestens mit Beginn der DSL-Ära ist das grundsätzlich schon so. Trotzdem: In der Breite kommen wir erst jetzt dahinter, was das bedeuten kann, Corona sei Dank (so ein Virus muss ja auch was Gutes haben – oder, wie Churchill angeblich gesagt haben soll: Never miss a good crisis).
Uns dämmert jetzt erst, was eigentlich alles schon lange ginge
Was dazu kommt: Wir können schon lange in Videokonferenzen miteinander kommunizieren. Zoom ist nichts, was im Jahr 2020 erfunden wurde. Und trotzdem dämmert uns erst jetzt gezwungenermaßen, dass man damit sehr viel machen kann als ein paar schlechte Video-Talks. Man kann nicht viel weniger als: alles.
Ein paar der großen Medien und Unternehmen haben das bereits erkannt und sich zunutze gemacht. Die „Washington Post“ beispielsweise hat inzwischen eigene „Live“-Sektion gebaut, in der nahezu täglich Programm gesendet wird. Das ist nicht wirklich „Fernsehen“ (funktioniert als Web-Format eh nicht), aber eben doch sehr viel professioneller als ein paar Leute, die man in einer Amateur-Videoschalte zusammenpackt. Kann man live sehen oder auch on Demand, geht im Netz, mobile, in Social Media. So einfach, so naheliegend so brillant.
In Deutschland entdeckt „Spiegel Online“ so langsam die Möglichkeiten solcher Formate, auch wenn das alles noch sehr deutsch ist: Sehr konventionell, sehr TV-lastig. Das „Spitzengespräch“ mit Markus Feldenkirchen wird bewusst „Talk“ genannt. Sieht aus wie eine Mischung aus Anne Will und „Spiegel TV“, aber immerhin: Besser als nix.
Zoom als Event-Plattform? Das hat noch mal ganz neues, disruptives Potenzial. Vor allem, weil (auch wenn das womöglich zynisch klingt) die Zeiten gerade die richtigen sind für interaktive Online-Events.
Zumal bei anderen immer noch gähnende Leere herrscht. Vielleicht hängt es ja damit zusammen, dass irgendjemand den Medienschaffenden dieses Landes gesteckt hat, dass Podcasts eine prima Sache sind und man deswegen damit beschäftigt ist, diesem Boom hinterherzuhecheln. Jedenfalls, Livestreaming, interaktive und hybride Formate sind eher die Ausnahme als die Regel.
Dabei staune ich immer noch, wenn ich Produktionen wie beispielsweise den Feldenkirchen-Talk beim „Spiegel“ sehe. Das ist vergleichsweise aufwendig und teuer und unbeweglich. Und damit exakt das Gegenteil von dem, was digitale Video- und Liveproduktion heute sein könnte.
Und dann noch eine Meldung, die sich erst mal unspektakulär liest – und dennoch das Paradebeispiel dafür ist, wo die Entwicklung hingeht. In den USA wurde eine Beta-Version der neuen Plattform namens „On Zoom“ gestartet. Nutzer können kostenlose und kostenpflichtige Events einstellen. Mit dem Angebot will Zoom eine Marktlücke füllen, die entstanden ist, als im Corona-Lockdown viele Künstler und Coaches kostenpflichtige Inhalte anboten, aber keine zentrale Plattform dafür hatten.
Hybride Events werden zum Standard
Was das bedeutet? Nicht weniger als eine Normalisierung von interaktiven Videos zum Standard. Streaming ist schon länger Normalität, YouTube gibt es gefühlt seit Anbeginn der zeit. Aber Zoom als Event-Plattform? Das hat noch mal ganz neues, disruptives Potenzial. Vor allem, weil (auch wenn das womöglich zynisch klingt) die Zeiten gerade die richtigen sind für interaktive Online-Events.
Das gilt für jede Branche, für jedes Metier. Unternehmen können einen beträchtlichen Teil ihrer bisherigen Kommunikation dorthin verlagern, kein Mensch muss sich mehr in ein Auto setzen, um eine PK oder eine Präsentation zu besuchen. Seminare, Kongresse und ähnliche Veranstaltungen lassen sich mühelos so gestalten.
Und Redaktionen? Wollten die nicht ohnehin schon immer mehr Interaktion mit ihren Usern? Bitte sehr, hier wäre die Plattform. Vergesst Foren, Chats und anderen Kram, der auch schon wieder 20 Jahre alt ist. Die Zukunft ist das Online-Event, gerne als Hybrid-Veranstaltung.
Eine entscheidende Rolle spielt die schon erwähnte Zwangs-Digitalisierung, die wir in den letzten Monaten gesehen haben. Nicht nur wegen der wachsenden Gewohnheit und der damit verbundenen Akzeptanz. Sondern auch, weil die Technik besser und der Umgang souveräner geworden ist. Dinge, die früher als lustige Gadgets galten, haben sich in den letzten Monaten durchgesetzt. Webcams, Mikrofone und Lautsprecher, dazu Licht und schnelle Verbindungen. Mehr braucht es dazu gar nicht. Gemessen an den Kosten, die andere Innovationen verursacht haben, sind das die buchstäblichen Peanuts (da hätte man auch früher drauf kommen können).
Und schließlich noch eine Erkenntnis, von der ich nicht gedacht hätte, sie im Jahr 2020 nochmal aufzuschreiben:
Die digitale Transformation beginnt jetzt erst richtig.
Während der Corona-Krise haben sich Zeitungen an sich selbst berauscht: Seht her, wir können es noch! Auf den Rausch folgt der Kater. Und die Frage: Wenn sich die ganze Welt gerade ändert, wollen Verlage dann immer noch weitgehend so bleiben wie sie sind? Natürlich können sie das nicht. Im Gegenteil: Die Krise wird mittelfristig zu einem Brandbeschleuniger. Read More
Tablet statt Zeitung zum Frühstück: Einer der Nebenwirkungen der Corona-Krise ist die gestiegene Akzeptanz digitaler Medien. (Bild von Karolina Grabowska auf Pixabay)
Zu den Hochzeiten der Corona-Pandemie in Deutschland feierte sich der Journalismus gerne mal selbst. Beziehungsweise: Er ließ sich feiern. Der Journalistik-Professor Klaus Meier bescheinigte beispielsweise im tiefgründigen Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ , dass insbesondere der regionale Journalismus gerade eine Sternstunde nach der anderen erlebe. Andere Regionalblätter waren ob des professoralen Lobs so begeistert, dass sie den Beitrag der „Schwäbischen“ übernahmen.
Das Gespräch, nebenbei bemerkt, gehört vermutlich eher nicht in die Kategorie Sternstunden. Auf die bohrende Frage der „Schwäbischen“:
„Was ist Ihre Einschätzung: Schaffen regionale Medien es trotzdem, einen guten Job zu machen?“
antwortet Meier völlig überraschend:
„Ich nehme schon hervorragende Beispiele dafür wahr, wie Lokal- und Regionalmedien mit der Krise umgehen.“
So geht also dieser Sternstunden-Journalismus: Interviewer einer Regionalzeitung fragt, ob die Regionalzeitungen nicht einen tollen Job machen, der Gefragte antwortet mit einem: Ja, schon!
(Nebenher bemerkt: Der Link aufs Gespräch führt auf die Vorarlberger Nachrichten, die das Gespräch vollständig übernommen hatten. Natürlich hätte ich schon alleine aus Gründen des Anstands auf die „Schwäbische“ verlinkt, aber dort findet sich das Gespräch hinter der Paywall. Eine Sternstunde des Paid Contents, nicht wahr?)
Das ist ziemlich lustig.
Aber darum soll es gerade eigentlich gerade nicht gehen.
Sondern eher darum: rund 100 Tageszeitungen werden eingestellt bzw. erscheinen künftig nur noch digital.
Gut, nicht hier bei uns, sondern in Australien. Sie alle gehören Rupert Murdoch, der sich aus Gründen der Billigkeit dazu entschlossen hat, in seinem Zeitungsimperium Tabula Rasa zu machen. Mit dem deutschen Markt lässt sich die Entscheidung auch nur bedingt vergleichen: Knapp 40 der eingestellten Zeitungen sind kleine, lokale Titel. Sie waren schon zuvor am Rande der Rentabilität, Corona hat ihnen dann endgültig den Garaus gemacht.
Zurück auf dem Boden der Tatsachen
Trotzdem ist die Geschichte aus Australien bemerkenswert, ein Menetekel zudem. Weil es auch in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist, wann insbesondere Tageszeitungen nach den Sternstunden-Elogen auf dem Boden der Tatsachen ankommen.
Und so ist es auch gekommen, nicht nur in Australien. Tatsächlich gab es einen Schub bei den Digital-Verkäufen, der aber nicht sehr viel mit den Inhalten oder journalistischen Leistungen der Redaktionen zu tun hatte. Vielmehr gab es quer durch alle Gattungen einen spürbar erhöhten Informationsbedarf speziell in den Monaten März und April. Aber schon im Mai, als Corona zum gefühlten Alltag wurde, reduzierten sich die Zahlen auf ein gewohntes Maß. Alles wieder zurück auf Null, keine einzige regionale Tageszeitung konnte bleibend profitieren.
Was allerdings auch mit einer gewissen Einfallslosigkeit zu tun hatte: Die Verlage sind einfach die Verlage geblieben. Die meisten haben ein bisschen mehr als sonst digital gemacht, aber das war es auch schon.
So was wie Innovation? Grundlegende Kursänderung? Fehlanzeige. Stattdessen setzten – im Gegenteil – nicht ganz wenige Häuser beträchtliche Teile ihrer Teams erst einmal auf Kurzarbeit. Dabei wäre die Zeit jetzt so gut und reif wie nie dafür gewesen, den Kurs grundlegend zu ändern.
In Deutschland gilt es schon als innovativ, wenn jemand auf dem Schiff fährt und dabei Newsletter schreibt
Innovation? In Deutschland zählt es ja schon als revolutionär, wenn sich ein selbstverliebter Gockel mit einer passenden Mannschaft auf ein Schiff zurückzieht, einen Newsletter und ein paar Podcasts macht und ansonsten durch publizistische Albernheiten und ein sehr gesundes Selbstbewusstsein auffällt.
Dabei wächst der wirtschaftliche Druck beträchtlich. Für das Jahr 2020 rechnet beispielsweise der Zentralverband der deutsche Werbewirtschaft (ZAW) mit einem heftigen Rückgang der Werbeeinnahmen. Alleine im zurückliegenden April sollen es rund 40 Prozent über alle Mediengattungen hinweg gewesen sein. Daneben fehlen in diesem Jahr auch noch die Einnahmen von klassischen Umsatzbringern wie Olympia oder der Fußball-EM. Wer die Erlössituation vieler Verlage kennt, der ahnt, was das bedeutet.
Ob das alles einfach wieder zurückkommt, irgendwann „nach Corona“? Aktuell gibt es, wenn es um die künftige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland geht, zwei Denkschulen. Die einen vermuten, dass nach dem rasanten Absturz im Frühjahr ein ebenso schneller Aufschwung kommt. Die anderen, weniger optimistischen Prognosen sehen eine längere Rezession oder zumindest nur eine zögerliche Erholung. Bis die (Werbe-)Wirtschaft wieder ihr Vor-Corona-Niveau erreiche, könne es demnach 2022 werden.
Dazu kommt eine andere Frage, bei deren Beantwortung es ebenfalls im Regelfall zwei Varianten gibt: Wird es jemals wieder so werden wie „vor Corona“? Menschen seien träge und würden nach überstandener Krise weitermachen wie zuvor – das sagen die einen. Nichts bleibt mehr, wie es war, glauben die anderen.
Diese beiden Unwägbarkeiten werden auch das Leben etablierter Medien künftig massiv beeinflussen. Angenommen, in beiden Fällen kommt es zu der optimistischen Variante: Dann ist zwar noch lange nicht alles wieder gut, man gewönne allerdings etwas Aufschub.
Aber wehe, wenn nicht!
Nehmen wir erstmal die wirtschaftliche Situation: Eine Zeit lang kann man als Medienunternehmen so eine Situation schon durchhalten. Man kann einen Teil der Belegschaft auf Kurzarbeit setzen, man kann Umfänge und Inhalte reduzieren. Auf Dauer ist das aber nur eine Notlösung. Bliebe es längere Zeit bei den befürchteten Rückgängen, ist das mit etwaigen Zuwächsen in den Digitalgeschäften und den anderen Vetriebserlösen nicht mehr aufzufangen. Für die USA befürchten sowohl das Nieman Lab als auch das Reuters Institute bereits, dass das der US-Lokalpresse den endgültigen Rest geben könnte.
Schon klar, die USA sind nicht Deutschland. Trotzdem: Die Krise bringt auch bei uns vor allem die Regionalzeitungen viel schneller an einen Punkt, von dem sie dachten (oder hofften), er sei noch relativ weit weg. Nämlich an den Punkt, an dem sie sich entscheiden müssen: Ein paar Jahre des „Weiter so“ mit einem absehbaren Ende – oder doch noch einmal der Versuch, sich zukunftsfähig zu machen? Da wäre zwar der positive Ausgang keinesfalls garantiert. Die Überlebenschancen wären dennoch weitaus besser als bei Variante 1. Was auch nicht schwer ist. Bei Variante 1 stehen die mittelfristigen Chancen zum Überleben nämlich bei gleich null.
Die Grundsatzfragen für die kommenden Jahre
Daneben stellen sich für viele Blätter in den kommenden Jahren ein paar Grundsatzfragen – inzwischen drängender denn je:
Sind gedruckte Ausgaben an allen Werktagen noch sinnvoll bzw. zu finanzieren? In einigen Teilen Ostdeutschlands beispielsweise sind die Verlage intern zunehmend zu der Auffassung gekommen: sinnvoll vielleicht, finanzierbar vor allem bei Zustellung durch Träger, auf keinen Fall. Falls nicht, wie kompensiert man das?
Wie werden wir zu einem hauptsächlich leser- und umsatzorientierten Unternehmen, ohne dabei an journalistischer Relevanz einzubüßen? Wie machen wir aus eindimensionalem Verlautbarungsjournalismus eine publizistische Community?
Wie kommen wir an das richtige Personal, nämlich an solches, dass digitale Strukturen denken und vorausplanen kann? An Journalisten und Manager, die begreifen, dass online nicht einfach nur eine Verlängerung von Print, sondern die einzige Zukunft für Medienhäuser ist? Wie schaffen wir es, dass unsere gesamte Belegschaft digital denkt und arbeitet – und nicht nur „der Online“, den sich inzwischen fast jedes Haus leistet?
Folgen aus den veränderten Arbeits- und Nutzungsgewohnheiten nicht auch völlig neue Redaktionsstrukturen? Wie sinnvoll sind in Zeiten von Zoom und anderen virtuellen Strukturen noch Redaktionen, die sich jeden Tag zur gleichen Zeit alle am gleichen Ort versammeln? Könnten nicht beispielsweise kleine Lokalredaktionen künftig eher virtuelle Konstrukte sein, die man mittelfristig auf Wegen wie Videocalls erreicht, anstatt in jeder Kleinstadt Redaktionen und Geschäftsstellen betreiben zu müssen? Wie bekommen wir mehr Flexibilität in der Fläche statt starre Beamtenstrukturen?
Und schließlich: verkaufen, fusionieren oder bleiben? Speziell in Deutschland hatte sich in den letzten Jahren abgezeichnet, dass kleine Verlage alleine kaum mehr überleben können. Die Marktkonzentration wird nicht nur einfach weitergehen. Corona wirkt dort eher wie ein Brandbeschleuniger. Vor dieser Grundsatzentscheidung werden in den nächsten Jahren noch etliche Verlage stehen.
Ein ganzes Geschäftsmodell steht zur Debatte
Grundsätzlich steht auch die Geschäftsidee der Massenmedien (und damit der Zeitungen) in Frage. Sie sind, der Name ist Programm, auf Masse, auf Reichweite aus. Die Idee, insbesondere bei Tageszeitungen, ist immer noch: Möglichst viel für möglichst viele. Sie machen immer noch Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, das Wetter, Kreuzworträtsel, die Kinderseite und Lokales in einem Aufwasch. Von allem ein bisschen, nichts wirklich schlecht, aber eben auch nur sehr selten etwas richtig gut.
Das ist ein Konzept, das im digitalen Zeitalter antiquiert ist. Digital Natives wissen sehr genau, wo sie sich Inhalte zu ihren Interessen besorgen können. Nicht nur in sozialen Netzwerken, nicht nur bei YouTube – von diesen Mediären abgesehen, gibt es zudem so viele Special-Interest-Angebote, mit denen sie selbstverständlich mühelos umgehen können. Ist es da wirklich noch ein Mehrwert, wenn man als Kurator des Tages auftritt? Kann man sich heute noch 30jährige vorstellen, die sich von einer Redaktion den Tag und die Welt erklären lassen wollen?
Weil bei solchen Debatten gerne mal der Einwurf „Medienvielfalt“ kommt: Ist es wirklich Vielfalt, wenn 300 Tageszeitungen in Deutschland mehr oder weniger das gleiche kuratieren, von Lokalem abgesehen? Und aus ökonomischer Sicht: Wer soll es als lohnendes Investment betrachten, drei Dutzend bedruckte Seiten zu kaufen, in denen weitgehend das steht, was er aus dem Netz schon weiß?
Die Kernkompetenz von Journalismus ist nicht Werbung
Kurz gesagt: Journalisten müssten auf journalistische Reputation setzen, sie müssten Unverzichtbarkeit demonstrieren. Das ist beim Großteil der deutschen Regionalzeitungen kaum der Fall, selbst wenn sie noch so oft auf ihre lokalen Qualitäten verweisen. In den meisten Blättern macht die lokale Berichterstattung maximal ein Viertel des Blattes aus.
Das ist sowohl aus journalistischer als auch ökonomischer Sicht absurd. Dass dieses idiotische Prinzip ernsthaft in Frage gestellt wird, sieht man kaum, selbst bei denen nicht, die sich gerne bei den berüchtigten Journalistenpreisen abfeiern lassen.
Wenn man aber die Fokussierung auf die Werberlöse reduziert, dann müsste sich Journalismus zwangsläufig mehr über die Vetriebserlöse finanzieren. Die wiederum werden nur signifikant steigen, wenn sich Zeitungen wieder verstärkt auf ihre Inhalte konzentrieren. Das müsste weder für Journalisten noch für Leser ein Fehler sein, im Gegenteil.
Schon jetzt ist absehbar, dass das klassische Zeitungs-Abo in den Augen vieler zum Luxus wird, auf den man leicht verzichten kann. Warum also dann nicht konsequent auf dieses Publikum setzen? Auf Leser, denen ihr Journalismus auch im Lokalen buchstäblich etwas Wert ist. Die gerne hochwertigen Inhalt wollen und bereit sind, dafür zu bezahlen? Alle anderen wird man über kurz oder lang ohnehin verlieren. Schon alleine deshalb, weil es von dem, was diese Zielgruppe haben will, im Netz mehr als genug und noch dazu gratis gibt.
Die Kernkompetenz von Journalisten ist Journalismus. Nicht Werbung. Betrachtet man dazu die Entwicklung im digitalen Journalismus, dann wird klar, dass es die Werbefinanzierung auf breiter Basis nicht sein kann, was die Häuser rettet. Höchste Zeit also, sich wieder auf das zu besinnen, was Journalismus bedeutet.
Unser (Arbeits-)Leben wird virtueller. Was auf den ersten Blick nach einer Binse klingt, bringt mehr Veränderung mit sich, als man meinen könnte. Read More
Laptop und Handy als Arbeitsmittel für virtuelle Arbeitswelten – das ist künftig Standard. (Foto: Pixabay).
Erst mal was zum Schämen: Ich bin früher leidenschaftlich gerne geflogen. Nicht selbst, der Pilotenschein ist immer ein Traum geblieben. Aber als Passagier, da war (und ich glaube: es ist immer noch) Fliegen eines der tollsten Dinge, die ich mir vorstellen kann. Zu besten (oder schlimmsten) Zeiten hatte ich von zwei Airlines irgendwelche besonderen Status-Vielfliegerkarten. Das war gottseidank zu Zeiten, als man dafür noch nicht zum Paria gemacht wurde, weil ganz viele (ich auch) es schlichtweg nicht besser wussten.
Überhaupt, ich war gerne unterwegs. Immer nach ein paar Wochen der klassischen Büroarbeit am fixen Standort wurde ich nervös. Ich brauche Tapetenwechsel, schrie dann ungefähr alles in mir. Dass das hier alles in der Vergangenheitsform steht, hat nichts mit einer plötzlichen Läuterung zu tun. Sondern mit der Einsicht in das Unvermeidliche. Nee, nicht der Klimawandel, der natürlich auch, aber von dem abgesehen: Unser Leben virtualisiert sich gerade in einer Dramatik und einem Tempo, das nicht mal die größten Euphoriker zu Zeiten des Neuen Marktes für möglich gehalten hätten. Und die hielten, die Älteren erinnern sich, jeden noch so großen Nonsens für möglich (das Ende ist allerdings bekannt).
Umgekehrt hatte ich bei vielen Redaktionen und anderen Teams, für die ich gearbeitet habe, immer das unbestimmte Gefühl, dass diese klassische Büro-Struktur ihnen nicht gut tut. Man kommt jeden Tag rein, trifft die gleichen Leute, wickelt seine Routinen ab und geht wieder heim. Ich weiß nicht, wie kreativ man sein kann, wenn man so lebt und arbeitet.
Zoomen ist das neue googlen
Das mit der Virtualisierung habe nicht ich erfunden, obwohl ich das gerne für mich in Anspruch nehmen würde. Tatsächlich hat schon in den 60er-Jahren ein Medientheoritiker das vorausgesagt, was sich jetzt, ein gutes halbes Jahrhundert später, deutlich abzeichnet: So wie früher wird es nicht mehr werden. Zoomen wird bald genauso zu unserem Wortschatz gehören wie googlen.
Das hat, man ahnt es, mit Corona zu tun. So, wie gerade alles, was passiert oder auch nicht passiert, mit Corona zu tun hat. Man kommt beim Staunen kaum mehr hinterher. Meine Frau beispielsweise hat wochenlang in Videokonferenzen virtuellen Unterricht gehalten, obwohl es an ihrer Schule nicht mal ein vernünftiges WLAN gibt. Bei uns melden sich plötzlich Kunden mit Anliegen, die vor allem ein Kriterium haben: Es soll schnell gehen. Sogar bei Kunden, denen man nicht zu nahe tritt, wenn man sagt, dass ihre Entscheidungsprozesse so etwas Ähnliches sind wie bezahlte Profikiller für jegliche Form der Kreativität.
Schnelligkeit also als neuer Maßstab. Könnte damit zu tun haben, dass vielerorts soviel Zeit bei der Digitalisierung verschlafen wurde, dass man jetzt keine Zeit mehr hat.
Was die Virtualisierung angeht und damit verbunden das Fliegen, Fahren, Reisen:
Das wird nicht mehr zurückkommen in dieser Form, nicht nur für mich nicht. Niemand würde ernsthaft behaupten, dass sich persönlicher Kontakt komplett ersetzen lässt, das kann man ja auch gar nicht wollen. Aber um sich mal eben für zwei Stunden mit ein paar Projektbeteiligten zu besprechen, die quer über Europa verteilt sind, muss man beim besten Willen nicht mehr in einen Flieger oder einen Zug steigen. Man muss virtuelle Zusammenarbeit nicht mehr über etliche Cloud-Dienste mühsam organisieren und man muss überhaupt viel weniger müssen.
Das wiederum ist etwas (kleiner Spoiler, jetzt kommt etwas Eigenwerbung), was mir an dem Konstrukt Jakubetz & Laban immer sehr gefallen hat. Auch wenn ich immer gerne unterwegs gewesen bin, mit zunehmenden Alter merkt man (oder besser gesagt: merke ich) zweierlei:
Man sitzt nicht mehr so gerne in einer wie auch immer gearteten Form von „Büro“.
Man muss nicht immer mit 15 anderen in einer Kaffeeküche stehen.
Hintern-Plattsitzen wird auch durch Kicker und Tischtennis nicht besser
Außerdem lernt man vergleichsweise schnell, dass unsere Idee von „Agenturen“ (als eine solche sehen wir uns ja, wenn auch im weiteren Sinne) überkommen ist. Zumindest dann, wenn wir darunter verstehen, dass wir im alten Sinne uns alle zusammen den Hintern in „Büros“ plattsitzen. Selbst dann, wenn dieses Büro durch Kicker und Tischtennisplatten aufgelockert wird.
Die Idee dahinter ist auch mit Tischtennis nämlich immer noch die Gleiche: Menschen versammeln sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort, um gemeinsam zu einer festgelegten Zeit kreativ zu sein. Das funktioniert meistens leidlich gut. Man sollte den Bildern von gut gelaunten, attraktiven, jungen Menschen mit Smartphones und Tablets nicht zu sehr trauen.Und auch, wenn mir natürlich klar ist, dass ein „Home Office für alle“ auch nicht die Lösung aller Probleme ist: Diese Virtualisierung, die wir jetzt erleben, birgt enorm viele Chancen. Für Flexibilisierung und Schnelligkeit, das vor allem. Wer die mühsamen und mählichen Meetings in vielen Unternehmen kennt, der ahnt, was ich meine. Schnell mal ein paar Leute für einen Video-Call zusammentrommeln, der ggf. nach zehn Minuten wieder vorbei ist, das geht einfach, schnell und bindet kaum Ressourcen. Statt bei einer „Dienstreise“ ganze Tage auf der Strecke zu verbringen,kann man viel schnellere und bessere Ergebnisse im virtuellen Raum erzielen.
Und wenn man die richtigen Leute an seiner Seite hat, kann man sich auch darauf verlassen: Die Leute arbeiten besser, wenn sie ihrem eigenen Rhythmus folgen können. Wenn sie nicht lange Wege zurücklegen und den starren Strukturen des „Büros“ folgen müssen. Selbst das Erstellen und Verschicken sogar sehr, sehr großer Datenmengen erfordert heute nicht mehr die Infrastruktur großer Firmen.
Und ich weiß natürlich auch, dass die Segnungen der Digitalisierung und der Virtualisierung schon länger angepriesen werden. Ganz neu ist das nicht. Dass in dieser Beziehung bisher im deutschen Arbeits-, Agentur- und Medienleben nicht viel umgesetzt wurde, hatte viel mit fehlendem Druck und der daraus resultierenden Trägheit zu tun.
Wenn also diese ganze Corona-Geschichte irgendwas Gutes an sich haben sollte, dann das: Plötzlich werden Dinge möglich, die man noch vor ein paar Wochen für mindestens unmöglich gehalten hätte. Für uns Medienmenschen muss das keineswegs eine schlechte Nachricht sein.