OpenAI hat ein paar Neuerungen für ChatGPT vorgestellt. Das ist nicht weniger als ein Großangriff auf Google. Mit erheblichen Auswirkungen auf Medien, Content und Marketing.
Wer hier regelmäßig mitliest, der war womöglich etwas, sagen wir irritiert, dass ich in den vergangenen Wochen immer und immer wieder über einen Aspekt des Themas KI geschrieben habe, der erstaunlich wenig beachtet wird. Nämlich den, dass er unser Verständnis von Suche im Netz erheblich verändern wird. Und dass dies gewaltige Folgen haben wird. Vor kurzem habe ich das mal bei einem Seminar so erzählt. Die Blicke, die ich geerntet habe, waren so, als hätte ich vorgeschlagen, statt eines Seminars ein Ritual abzuhalten, an dessen Ende eine Ziege geopfert wird. OpenAI hat angekündigt, eine große Ankündigung zu machen. Das Unternehmen will nüchtern betrachtet ChatGPT zu dem machen, was es in den Augen vieler User ohnehin schon ist: zu einer Suchmaschine. Das war ChatGPT bisher nicht.
Das hat die User aber nicht davon abgehalten, die KI wie eine solche zu verwenden. Schlaue Idee also, dem Unser das zu geben, was er anscheinend ohnehin will: ein Google, nur in besser. Wie das geht? Künftig wird sich (angeblich) ChatGPT seine Informationen quasi in Echtzeit aus dem Netz holen können. Und somit zu einer größeren und mächtigeren Suchmaschine werden, als es Google jemals war.
Der Prompt „Fasse das Champions-League-Finale“ zusammen wäre demnach keine Utopie mehr. Selbst dann nicht, wenn das Spiel erst vor 5 Minuten zu Ende gegangen wäre. Nur in besser, das bedeutet: keine Linksammlungen mehr, durch die man sich dann durchackern muss. Stattdessen (ich habe es schon mehrfach geschrieben, wiederhole mich da aber gerne): klare Frage, eindeutige Antwort. Bevor der Einwand kommt: Schon klar, dass sich die KI irren kann und irren wird und es deshalb ein Trugschluss ist zu glauben, dass die Antworten immer so klar und richtig sind, wie man das gerne hätte. Soweit also die Theorie. Und auch wenn die Theorie natürlich nur die Theorie bleiben wird: Das, was wir in der kommenden Woche sehen werden, ist eine der interessantesten Entwicklungen, die es in Digitalistan in den nächsten Jahren geben wird. Vor allem deshalb, weil so viele unterschiedliche Bereiche davon betroffen sein werden. Welche das genau sein werden, weiß man natürlich bis jetzt nicht. Wir in Medien und Kommunikation werden aber sicher dabei sein. Fangen wir deshalb mit den Sachen an, die einigermaßen erwartbar sind.
ChatGPT macht Journalismus und Kommunikation
Mal angenommen, OpenAI schafft es tatsächlich, das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen. Eine Echtzeit-Suche mit der Fähigkeit, Inhalte zu analysieren und zusammenzufassen, wäre das nicht gleichzeitig der Beginn einer Art KI-gesteuerten Journalismus? Bleiben wir beim Champions-League-Finale: Wäre eine KI dann nicht potenziell schneller und zuverlässiger beim Zusammenfassen eines Spielverlaufs als jeder noch versierte Kicker-Redakteur? Und könnte die KI nicht noch sehr viel individueller zusammenfassen, was den User interessiert? Wenn jemand beispielsweise nur die statistischen Daten des Spiels haben will oder die Aussagen der Trainer nach dem Spiel? Diese neue Variante von OpenAI wäre also dann in der Lage, aus unzähligen vielen Informationen in Echtzeit genau das zu extrahieren, was EINEN User interessiert. Sie müsste sich keinerlei Gedanken darüber machen, was möglichst VIELE wissen wollen könnten. Noch dazu, wenn man sich einen eigenen Account anlegt und mit einer ganzen Reihe von Custom Prompts der KI klare Vorgaben machen, was man wissen will.
Das Ende der bisherigen Suche
Richtig suchen (oder googeln, wie man inzwischen gerne sagt) ist eine kleine Kunst für sich. Um möglichst präzise Ergebnisse zu bekommen, muss man auch möglichst genau suchen. Und dafür wiederum muss man die Eigenheiten von seinem Google etwa ein wenig kennen. Das ließe sich zwar von Prompten genauso sagen. Nur dass Maschinen wie Perplexity oder eben auch das „neue“ ChatGPT gar keine Prompts mehr benötigen, sondern schlichtweg Fragen beantworten. Wenn man dann noch das Thema Algorithmen dazu denkt, dann ist es gar eine so große Utopie mehr sich vorzustellen, wie KI und Algorithmus zusammen den hyperpersonalisierten Newsletter schreiben. Um nur mal ein Beispiel zu nennen.
Das Ziel ist nicht mehr SEO und Google
SEO, mit Verlaub, ist immer noch mein Albtraum. Ja, ich weiß, dringend nötig. Aber an und zu ist auch eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt dringend nötig. SEO ist für mich persönlich ein echter Kreativitäts-Killer. Weil ich meinen Text an Dinge anpassen muss, an die ich ihn vielleicht gar nicht anpassen will. Mit dem SEO bisheriger Prägung könnte es mittelfristig dahingehen. Weil es dann vielleicht gar nicht mehr unser Ziel ist, unsere Geschichten möglichst weit in den Google-Linksammlungen nach vorn zu bringen. Stattdessen könnte es relevanter werden, bei ChatGPT oder Perplexity als Quelle aufzutauchen und von dort aus Traffic zu bekommen. Wie das geht, wissen wir natürlich bisher nicht. Aber absehbar sind zwei Dinge:
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Die klassische Suche verliert an Relevanz, KI übernimmt auch hier.
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Das Fenster wird enger, kaum anzunehmen, dass eine ChatGPT-Suche als Quelle 374 verschiedene Links auswirft. Perplexity beispielsweise konzentriert sich schon jetzt auf einige wenige und aus seiner Sicht relevante Quellen.
Kaum vorstellbar, dass Google, Microsoft und all die anderen, die irgendwas mit Suche anbieten, darauf nicht reagieren werden. Es ist keine sonderlich gewagte Prognose, wenn man sagt: Das, was OpenAI da aufbauen will, wird bald der neue Goldstandard der Suche sein.
It’s the Content, stupid!
Ich sehe allerdings schon ein paar Verleger und andere Medienmenschen vor meinem geistigen Auge, die schulterzuckend sagen: na, und? Was haben wir damit zu tun? Und all die üblichen Dinge wiederholen, die wir seit 25 Jahren hören. Wie einzigartig und unersetzlich hochwertiger Inhalt sei. Und am Ende wird irgendjemand womöglich noch sagen, dass guter Inhalt eben etwas koste. Das wird der User, der sich gerade seine Tageszusammenfassung von OpenAI hat liefern lassen, womöglich etwas anders sehen, aber sei’s drum. Eine einfache Geschichte also: Das neue Google ändert mal wieder fast alles. Mit SEO kommen wir nicht mehr weit und der Traffic, den uns Google rüberschaufelt, wird absehbar auch weniger werden.
Wenn sich User erst einmal an die Möglichkeit gewöhnt haben, dass man sich von einer KI Dinge subsumieren lassen kann, dann wäre es sinnvoll, solche Möglichkeiten selbst anzubieten. Sonst ist die alte Klage bald wieder absehbar; nämlich die, dass dieses böse Internet und irgendwelche Tech-Firmen unter Zuhilfenahme von nur halb legalen Mitteln alles zerstören. Dabei geht es mal wieder, ganz einfach, nur um den Content. Und um die Frage, wie man ihn gerne präsentiert haben möchte. Mühsames Zusammensuchen ist so spannend wie Kopfrechnen in der Mathematik. Kann man schon machen, aber auf Dauer hilft so ein kleiner Taschenrechner ganz ungemein.
KI, der Quasi-Taschenrechner für alle, die irgendwas mit Content machen.
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