Leser-Reporter

Keine genaue Ahnung warum, aber irgendwie muss ich bei dieser ganzen grassierenden Leserreporter-Geschichte momentan an „Big Brother“ denken. (also: das TV-Format; mit Orwell würde ich das dann doch nicht vergleichen wollen). Die eigentliche Erkenntnis damals war für mich nichts Skandalöses, sondern nur, dass es folgerichtig ziemlich langweilig ist, wenn langweilige und banale Leute ihr langweiliges und banales Leben öffentlich ausstellen.

Darf man natürlich nie laut sagen – aber bei den Leser-Reporter-Geschichten ist es ähnlich: der 37. abgeschossene Promi, der soundsovielte grotesk eingeparkte Fahrzeug, das ist die Wiedergabe langweiliger Alltagsmomente. Und was da gerade so als ganz neuer Trend bejubelt wird, gabs vor 30 Jahren schon in jeder Fernsehzeitschrift: „Unlängst begegnete ich Rex Gildo am Bahnhof, bereitwillig ließ er sich mit mir ablichten, ein sehr schönes Foto wie ich finde, würde mich eine Veröffentlichung…“

Dumm nur: Normalerweise würde ich dem ganzen Zeug ein ziemlich jähes Ende prophezeien; allerdings lief Big Brother auch sechs Staffeln lang.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Der Himmelstürmer

    Ja, der Nachrichtenwert von „Gottschalk beim Nordic Walking ertappt“ (Bild) ist nicht gerade groß.
    Wenn da wenigstens „Jauch beim Kaffeetrinken mit Christiansen abgelichtet“ herauskommen würde. Aber es wird wohl mehr Richtung „Stoiber beim Biertrinken überrascht“ tendieren. Da schau her!
    Es grüßt der Himmelstürmer

  2. Bademeisterpaul

    Ist es denn verwunderlich, wenn die Menschen sich auf solche banalen Geschichten zurück ziehen?
    Die Diskussionen der letzten Wochen über die gefakten Nachrichten aus dem Libanon, Irak, Iran usw. zeigen immer mehr, dass es den Professionellen nicht darauf ankommt, korrekt zu berichten, sondern nur ihre Story, ihr Bild, ihre Loyalität zu verkaufen – Presstituierte halt.

  3. cjakubetz

    Ich glaube, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun . Im Übrigen hab ich jetzt in einer Geschichte über das 50-Jahre-Bravo-Jubiläum gelesen, dass es schon in den 70er Jahren eine wunderbare Rubrik gab namens: „Bravo-Leser als Bravo-Reporter“.

  4. Bademeisterpaul

    Jede Lokalzeitung arbeitet doch nach dem gleichen Prinzip, indem sie ihre Leser zum Einsenden von Berichten auffordert.
    Hast Du nicht mal einen Bericht über die Klassenfahrt in der 12ten eingereicht (Carsten war damals sauer, weil er dass Foto geschossen hat aber jemand anders die Kohle kassierte)?
    Hier kriegt halt der Fotograf gleich die Kohle.
    Wird aber bald vorbei sein, Bohlen sorgt ja schon wieder für Stoff auf diesem Niveau.

  5. cjakubetz

    Da geraten mir jetzt ein paar Dinge zu sehr durcheinander. Aber ok, eines nach dem anderen.

    Lokalzeitung: Das hat mit „Leser-Reportern“ nicht sehr viel zu tun, sondern ausschließlich mit einem durchaus etwas merkwürdigen ökonomischen Brauch. Weil nämlich sich Lokalzeitungen vermutlich nicht tragen würden, wenn man jede Lokalredaktion mit einer entsprechend hohen Zahl ausstaffieren würde, engagiert man wahlweise pensionierte Oberstudienräte, ambitionierte Beinahe-Abiturienten oder Schriftführer der Reservistenkameradschaften als Hilfskräfte, lässt die schreiben und redigiert das ganze dann mehr oder weniger mühsam zu einem halbwegs lesbaren Text. Über die Honorare reden wir lieber nicht – kennst du sie? Wenn nein, es würde dir die Tränen in die Augen treiben. Es bleibt den ganzen Vereinen, Schulen (so auch damals bei dieser Klassenfahrt) und sonstwem nicht viel anderes übrig, als dieses Spiel mitzuspielen. Sonst steht nämlich gar nichts in der Zeitung. Soviel im Übrigen auch zu Deinem Studienfahrtsschlenker: Auftragsarbeit ohne Honorar. Was nicht weiter tragisch war, heute halten sich Zeitungen ja über Monate hinweg Praktikanten, die nicht bezahlt werden, aber das ist wieder was anderes…

    Bild et al: Leser als Paparazzi. Öknonomisch prima. Frag mal nen Profi-Razzi, ob er dir einen wirklichen Abschuss für 500 Euro überlässt. Du wirst nicht mal ein dreckiges Grinsen ernten. Aus Sicht der Redaktion, zumal vom Boulevard, durchaus eine nachvollziehbare Rechnung. Mich nervt es zum einen als Leser (weil mich Poldi am Strand von Malle so gar nicht juckt) und zum anderen als Dozent, weil ich inzwischen nur noch damit beschäftigt bin, zu erklären, dass das mit Citizen Media nichts aber auch gar nichts zu tun hat.

    Und ganz generell stört mich an der ganzen Geschichte, dass man unter dem Deckmäntelchen der Partizipation in einigen Häusern jetzt fleißig dabei ist, Schrott-Inhalte zu senden/zu drucken, um gleichzeitig Stellen abzubauen (AAL=Andere arbeiten lassen). Die Rechnung wird nicht aufgehen, aber bis dahin sind gutausgebildete Journalisten tendenziell davoin bedroht ihre Jobs zu verlieren, weil jemand verwackelte und unerträgliche Amateurvideos ausstrahlt und behauptet, man meine es den Zuschauern ja nur gut.

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