Manchester

Damit wir uns nicht falsch verstehen (und das ist mir in letzter Zeit oft passiert): Ich glaube natürlich sehr stark an die Digitalisierung, an multimediale Newsdesks, an crossmediale Produktionen, an bewegtes Bild (vor allem im Netz, weniger im TV). Und Negroponte, auch wenn es hier zum zehnten Mal steht, halte ich für einen der klügsten Köpfe überhaupt. Es wird vieles so kommen wie er sagt.

Ich glaube aber definitiv nicht an Scharlatanerie oder daran, dass man mit einfachsten Mitteln und unter Auslassung jeglichen Qualitätsanspruchs künftig Medien machen kann. Nur weil die Technik plötzlich mehr kann und billiger wird, nur weil die Barrieren zum Erstellen von Medien niedriger geworden sind, gibt es weder Heerscharen von künftigen Nebenbeijournalisten, die billigst Inhalte liefern, für die man nur noch die technische Umgebung stellen muss. Noch wird es möglich sein, alle etablierten Journalisten rauszuschmeißen und ein junges, natürlich outgesourctes Team in eine multimediale Lokalredaktion zu packen, wie man es gerade bei der Münsterschen Zeitung praktiziert hat. Journalismus ist mehr als die Summe der technischen Teile, Journalismus ist nicht die Hülle, sondern der Geist, der in der Hülle drin steckt. Ob die Hülle digital oder analog ist, spielt erst mal nur eine sehr untergeordnete Rolle. Man kann das schon machen, dass man in Manchester-Manier Inhalte entweder von Leuten machen lässt, die ihn eigentlich besser nicht machen sollten, oder man kann eben auch 2000-Euro-Redakteure alles zusammen bedienen lassen, von Print bis online. Kann man – ich kenne nur noch kein Model, wo eine reine Reduzierung aufs digitale Billig-Nomadentum funktioniert hätte. Und es wird auch künftig nicht funktionieren, so zumindest nicht.
 

Ja aber…höre ich da schon Einwände, ja aber, bei der New York Times und anderen macht man das doch auch, dieses Zeug mit den Multimedia-Desks und „online first“ und  Citizen Media und all das andere. Stimmt. Aber niemand bei der NYT käme auf den Gedanken, die komplette Redaktion rauszuwerfen und durch digitale Billigarbeiter zu ersetzen. Und niemand wird dort ernsthaft darüber nachdenken, tausende Leser als Reporter einzusetzen.

Kommunikation mit Leser und Zuschauern, das ist etwas grundlegend anderes, als ihnen einfach das Medium komplett zu überlassen und ihnen noch ein ziemlich höhnisches „Machs doch selbst“ hinterherzurufen. Man sollte sich deswegen ja nicht gleich wieder die Zeiten der hermetisch abgeriegelten Redaktionsräume zurückwünschen…

Und außerdem bleibt die Frage: Will das ernsthaft eine kritische Masse – dieses selbst Reporter spielen? Das Trauerspiel Readers Edition sagt anderes , und dort hatte man immerhin mal angekündigt, 20 Millionen Menschen zu Reportern machen zu wollen. Aktuell jedenfalls, am Dienstagmorgen, wird die Seite aufgemacht mit einem rund 24 Stunden alten Bericht über die Eröffnung der Barocktage in Berlin vom vergangenen Wochenende; immerhin: eine ziemlich exklusive Themenauswahl.

Der Lackmus-Test kommt, wenn der erste Reiz vorbei ist, wenn man die ersten paar Male die eigenen Texte, Fotos, Filme irgendwo gesehen hat. Danach steigt man wieder aus – oder man macht weiter. Und für diejenigen, die dann ernsthaft weitermachen wollen, stellt sich schnell die Frage: Warum nicht das Ganze professionalisieren, statt Hobbyjournalist zu sein. Und dann sind wir eben doch wieder beim richtigen, echten Journalisten und das ist letztendlich ja auch gut so.

Dieser wiederum wird sich wandeln müssen, er wird Dialoge statt Monologe führen müssen, er wird schneller und flexibler werden müssen. Und er wird – kurios genug – noch professioneller werden müssen. 

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