Da sind wir aber pad!

Keine Ahnung, ob Matthias Döpfner und die anderen Verleger gerade bei täglichen Steve-Jobs-Dankeskniefall gestört werden (vermutlich nein, weil sie diese kleine Seite nicht lesen).  Aber weil man mich in letzter Zeit ziemlich oft gebeten hat, auf Veranstaltungen etwas Sinniges zum Thema „Medien & iPad“ zu sagen und ich befürchte, dass ein schlichtes „Wir werden sehen“ für einen Vortrag nicht ausreichen wird, quäle ich mich gerade den dritten Abend am Stück durch Zahlen, Statistiken und Studien. Auf der Suche nach Erkenntnissen, die es naturgemäß in einem so jungen Markt noch gar nicht geben kann. Das heißt, zumindest zwei habe ich dann doch gefunden. Erstens: Nichts genaues weiß man nicht. Und zweitens:  Es ist dann doch immer wieder interessant, wie man sich Ergebnisse einer Umfrage so lange hinbiegen kann, bis sie den eigentlichen Zweck erfüllen. Ich wäre jedenfalls keineswegs so optimistisch, wie manche Verlage es jetzt sind (ich vermute, das überrascht Sie jetzt nicht).  Zumal man mal wieder den Haken solcher Umfragen sieht: Die Realität ist anders. Kennt jeder, der schon mal Wahlumfragen gelesen hat: Niemand wählt rechts, niemand schaut Pornos, niemand isst Fast-Food.

Bei Tomorrow Focus hat man sich die Mühe gemacht, eine komplette Studie/Umfrage zum Thema iPad-Nutzung zu erstellen. Bei der kommt raus: Der Nutzer hat sehnsüchtig aufs iPad gewartet — noch sehnsüchtiger wartet er jetzt auf journalistische Inhalte (vermutlich vor allem aus dem Hause ToFo).

(Quelle: Tomorrow Focus AG)

Das Lesen von Tageszeitungen und Zeitschriften spiele eine große Rolle, schreiben die Studiosos von ToFo, weil das Lesen von Tageszeitungen und Zeitschriften eine der meist genutzten Anwendungen auf dem iPad sei. Man wüsste in dem Zusammenhang ja gerne, was damit gemeint sein könnte, man kann ja „die Tageszeitung“ inzwischen auch ganz gut auf konventionellen Webseiten lesen. Dass quasi auch 88,9 Prozent der iPad-Nutzer auch eine entsprechende und womöglich sogar kostenpflichtige App geladen haben, lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten. Und von Tageszeitungen schon gleich gar nicht, was allerdings insofern schon nicht erstaunlich ist, als dass es ja bisher noch nicht so rasend viel an Tageszeitungs-Apps in Deutschland gibt (ich kenne aktuell nur drei). Jedenfalls findet sich bei den Gratis-Apps gerade im Moment die von N24 als die am meisten geladene Medien-App im iPad-Store — auf dem sensationellen 42. Platz. Davor rangiert alles mögliche, nur kein Medienkram. Auch bei den Bezahl-Apps sieht es kaum besser aus, auf Platz 32 findet sch gerade im Moment mit „Geo Selection“ die erste im erweiterten Sinne medienbezogene App. Unter den ersten 200 bezahlten Apps findet sich ansonsten nichts, was aus dem Medienbereich kommt. Zugegeben, bei manchen Apps lässt sich das auch nicht erwarten, wenn sie wie beispielsweise die des „Spiegel“ ja nur Reader sind, die man einmal lädt und danach nie wieder. Trotzdem: Aus den Tatsachen der App-Charts ableiten zu wollen, dass das Lesen von Zeitungen zu den beliebtesten Beschäftigungen gehört, ist, nun ja, gewagt.

Glaubt man den ToFo-Strategen,kommt es aber noch viel doller, Hubert Burda wird sich die Hände reiben, weil das Ende der „lousy pennies“ gekommen sein dürfte. Die iPad-Nutzer, eine im Übrigen anscheinend schwer reiche Klientel mit enorm hohen Entscheider-Anteil, ist enorm zahlungsbereit, subsumiert man bei ToFo. Sie WOLLEN Geld ausgeben. Fast die Hälfte will das! Das kann man sogar so rechnen, man sollte nur vielleicht auf eine zweite Zahl schauen — nämlich die, die aussagt, wieviel Geld iPad-Nutzer im Monat auszugeben bereit sind.

(Quelle: Tomorrow Focus AG)

Über 50 Prozent wollen also Geld ausgeben – dummerweise sagen insgesamt rund 20 Prozent, dass sie nicht mehr als 5 (!) Euro im Monat (!!) ausgeben würden, die anderen sind wenigstens bereits, stolze 10 Euro am Tag pro Monat auszugeben. Bizarrer Gedanke: Würde man bei Burda ebenso jubeln, wenn es eine Studie gäbe, die besagen würde, dass es Menschen gibt, die bereit sind, einmal in Monat 5 Euro für den „Focus“ auszugeben? Liest man das also etwas anders, muss man feststellen: Für journalistische Inhalte wollen über die Hälfte der iPad-Nutzer nicht mehr als 10 Euro im Monat ausgeben, was einem Tagesbudget von etwa 30 Cent entspricht. Da lauert ja ein riesiges Potential an Paid Content. Knapp 20 Prozent wollen übrigens, richtig, gar nix ausgeben für Journalismus.

Macht aber nix, laut Studie freuen sich die iPad-Nutzer nicht nur, wenn sie zahlen dürfen, sie sind auch glücklich, wenn sie Werbung aufgespielt bekommen (ein unfassbar tolles Publikum, diese iPad-Benutzer).

(Quelle: Tomorrow Focus AG)

70 Prozent akzeptieren es (mehr oder minder zähneknirschend), wenn Werbung kostenlose Angebote finanziert. Immerhin empfinden aber 40 Prozent Werbung als störend. Was letztendlich alles keine wirklich neuen Erkenntnisse sind, das weiß jeder Privatsender, dass Menschen zur Werbung ein ambivalentes Verhältnis haben. Dass sie darüber glücklich sind, kann man daraus vermutlich nur ableiten, wenn man eine Studie mit möglichst erfreulichem Ergebnis erstellen muss.

Letztendlich verändert sich vieles auf dem iPad also gar nicht – manches wird dagegen eher sogar schlechter.  Die zähneknirschende Akzeptanz als Phänomen kennen wir, die viel bejubelte Zahlungsbereitschaft für Inhalte hingegen ist ein mittlerer Alptraum. Wenn jemand bereit ist, 5 Euro im Monat für Journalismus auszugeben, dann kann man sich kaum darüber freuen. Das sind zwei SZ-Ausgaben im Monat. Oder eineinhalb „Spiegel“. Oder eine viertel Rundfunkgebühr. Kurzum, daraus lässt sich nicht sehr viel ableiten, außer: Diejenigen, die es haben, lieben ihr iPad. Der Markt wird weiter wachsen, explosionsartig. Vielleicht werden Tablets schon bald der wichtigste Kanal für Noch-Printprodukte sein. Nur das mit der Finanzierung, das werden wir uns auch auf dem iPad nochmal überlegen müssen. Das Modell Inhalt für Geld wird auch hier nur sehr eingeschränkt funktionieren.

Toll ist das Ding trotzdem, das ich mir gleich nehmen und dort den neuen „Spiegel“ lesen werde. Auf Papier habe ich den „Spiegel“ zum letzten Mal vor knapp drei Monaten in der Hand gehabt.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Niccolo

    Warum sollte ein iPad-Nutzer ein kostenpflichtiges Medienapp laden, wenn er auf den Webseiten die News kostenlos erhält? Welcher Verlag sollte eine App erstellen, für einen noch verschwindend geringen Wert an iPad-Nutzern? Die Tablets und v.a. Netbooks erobern in den kommenden fünf bis zehn Jahren den Markt. Warum auf Apple versteifen? Lieber die Website ausbauen und endlich mal rentabel gestalten.

    Obwohl ich iPad-Skeptiker bin, hier zwei Links, die evtl. für Paid Content auf mobilen Geräten gewertet werden könnten:
    http://meedia.de/nc/details-topstory/article/studie–ipad-ersetzt-print–_100029663.html
    http://meedia.de/nc/details-topstory/article/financial-times–umsatzplus-von-elf-prozent_100031112.html

  2. Jürg

    „die anderen sind wenigstens bereits, stolze 10 Euro am Tag auszugeben…“

    … oder doch eher pro Monat !?!

    Ansonsten hast Du diese Umfrage brillant zerlegt, getreu dem Grundsatz: „Wenn sie Visionen haben, gehen sie besser zum Arzt!“

  3. cjakubetz

    @Jürg: Du hast natürlich recht. Ich hab´s geändert.

  4. Gunnar Jans

    Als regelmäßiger unkritischer Leser dieses Weltuntergangslogs weiß ich jetzt also: Zeitungen/Verlage, die nicht medienkonvergent arbeiten, wird es bald nicht mehr geben. Und Zeitungen/Verlage, die sich trauen, Geld für ihre (Dienst)leistung zu verlangen, wenn sie sie neu und spannend aufbereiten, haben auch die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Daraus folgert: Stellt junge Menschen ein, die alles können – aber bezahlt sie nicht. Jetzt würde mich nur noch eines interessieren: Wo stehen eigentlich diese ganzen Eisverkäufer, die neue und geschmacklich tolle Sorten verschenken?

  5. cjakubetz

    Ich finde gar nicht, dass die Medienwelt untergeht, wirklich nicht. Sie wird nur anders. Und ich glaube sogar, dass es in einem eingeschränkten Maß Zahlungsbereitschaft gibt für neue Produkte. Aber ich vermute auch, dass es noch andere Finanzierungsmöglichkeiten geben muss. Aus dem, was diese Studie so vorlegt, kann ich beim besten Willen kein großes Paid-Content-Potential ableiten.

    Was deinen anderen Punkt angeht, die schlechte Bezahlung von jungen und meinetwegen auch alten Leuten: Dass es das gibt, ist völlig unbestritten und sicher auch nicht akzeptabel. Man macht es sich nur ein bisschen einfach, wenn mal dabei alles aufs Internet und die böse Kostenloskultur schieben will. Die Debatte um extrem schlecht bezahlte Journalisten kenne ich, seit ich in diesem Job bin. Ich erinnere mich, als der BJV in den 80ern mal auf die Barrikaden gegangen ist und Honorare für freie Mitarbeiter bei bayerischen Tageszeitungen angeprangert hat. Da wurde teilweise Sätze von (umgerechnet) 7 Cent pro Zeile bezahlt. Damals ging´s den Blättern aber noch richtig gut, die fuhren damals exorbitante Margen ein. Aber schon damals klagten die Verlage darüber, dass mehr beim besten Willen wirklich nicht drin sei.

    Und um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde es alternativlos, wenn Medien sich künftig verstärkt auf Tablets et al verlagern. Ich bin nur skeptisch, was die Euphorie in Sachen Paid Content dort angeht.

    Und schließlich: Lad dir mal die App von „Österreich“ und schau mal nach, was die an Geld für die App verlangen. Genau: nichts. Inhalt verschenkt? So kann man das sehen. Reichweite gewonnen? So könnte man das auch sehen.

  6. Jürg

    @Gunnar: Das Problem dieser Studie ist doch nicht, dass „Zeitungen/Verlage sich trauen, Geld für ihre (Dienst)leistung zu verlangen, wenn sie sie neu und spannend aufbereiten“ – sondern dass diese Studie einen monatlichen Beitrag von 5 bis 10 Euro für die (Ex-)Printmediennutzung hochjubelt. 10 Euro kostet z.B. die Süddeutsche Zeitung im Briefkasten pro Woche (!) …

    … und ob die Inhalte der Zeitungs-Apps tatsächlich so „neu und spannend aufbereitet“ sind, darüber lässt sich diskutieren.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.