Kein Preis für Onliner: Viel Feind, wenig Ehre

Was macht eigentlich spezifischen und guten Online-Journalismus aus? Keine Sorge, es geht jetzt nicht schon wieder um Schneider/Raue, sondern um eine grundsätzliche Frage. Die sich deshalb stellt, weil die Jury des CNN-Awards für junge Journalisten inzwischen die Nominierungen für 2012 bekannt gegeben hat — und auf eine Nominierung in der Kategorie Online verzichtet. Bevor Sie jetzt draufschlagen und sagen, man habe das ja schon immer gewusst, wie mies die Qualität der Beiträge im Netz ist: Das was gar nicht die Begründung der Jury. Stefan Plöchinger als Chefredakteur von süddeutsche.de und Jurymitglied hat eine andere Begründung formuliert: Es fehlt überall noch an den spezifischen Erzählformen, die das Netz möglich macht (Plöchinger nimmt von dieser Kritik ausdrücklich niemanden aus). Tatsächlich scheint das das eigentliche Problem beim Journalismus im digitalen Zeitalter zu sein. Wie bekommt man es hin, eine Geschichte wirklich vernetzt zu erzählen? Über verschiedene Kanäle hinweg, multimedial, interaktiv, dazu noch das Netz als wirkliches Dialog-Medium genutzt – was sich in der Theorie so simpel anhört, ist in der Praxis immer noch enorm schwierig.

Man kommt dann aber sich wieder irgendwann zu dem mangelnden Stellenwert, den Online immer noch in vielen Häusern hat. Würde man die unzählig vielen Optionen, die es im Netz gibt, tatsächlich nutzen wollen, man bräuchte neben ein paar klugen Gedanken und ordentlichen Planungen auch anderes. Personal, Equipment und enorm viel Zeit. Wenn man also tatsächlich die momentan anscheinend unvermeidliche Manöverkritik am Zustand des Onlinejournalismus führen wollte, man müsste anderswo ansetzen als bei der Klage darüber, dass Onliner nur als Textschrubber gesehen werden. Sondern bei der Tatsache, dass sich die allerwenigsten wirkliche Gedanken darum machen, was Onlinejournalismus überhaupt sein könnte. Ich würde eine Wette darauf eingehen: Sieht man von ein paar großen und etablierten Redaktionen ab, nur die Wenigsten könnten überhaupt eine stimmige Erklärung vorbringen, was Onlinejournalismus für sie bedeutet. Manchmal nimmt das absurde Züge an, nämlich dann, wenn man zwar nicht wenig Geld zur Verfügung stellt, sich aber trotzdem über die Möglichkeiten keine Gedanken macht. Ich habe einmal die Situation erlebt, dass eine ganze Redaktion mit Premiere Pro für den Videoschnitt ausgestattet war, die Kollegen dort aber weder mit Kameras noch mit handwerklichen Grundlagen vertraut waren. Und dass man aus einem Video auch ganz was anderes machen kann, als den gebauten Beitrag oder den Aufsager, ist dort auch noch nie besprochen worden.

Nein, ich weiß auch nicht, woran das liegt. Wahrscheinlich gibt es eine ganze Reihe von Gründen, darüber würde ich nicht spekulieren wollen. Sicher aber ist: So lange wir gar nicht wissen, was wir vom Onlinejournalismus wollen und was man mit ihm machen könnte, solange wird es auch keinen guten Onlinejournalismus auf breiter Front geben.

Gar keine schlechte Idee also, in dieser Kategorie keinen Preis zu vergeben. Ob das auf der anderen Seite irgendwas bringt, sei dahingestellt. Man muss befürchten, dass der fehlende Preis für viele einfach nur die Bestätigung existierender Urteile über den Onlinejournalismus ist.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Klaus Jarchow

    Eigentlich ist die Antwort doch ziemlich einfach. Lösen wir uns erst einmal von der Vorstellung, dass eine x-beliebige Geschichte ‚monoauktorial‘ erzählt werden muss, dann ergibt erst das Netz aus Erzählungsbestandteilen verschiedener Autoren die ganze Geschichte. Das wäre dann das Neue – jede Geschichte gleicht einem multiperspektivischen Forum, wie es zuvor und auf Zellulose nur bspw. der ‚Historikerstreit‘ zustande brachte.

    Auch im Falle der Schneider-Raue-Geschichte, die du oben erwähnst, klappt dies Schema doch: Dein Statement gehört dann dazu, Thomas Knüwers verstümmeltes Zitat, Niggemeiers missglückte Verteidigung, Schneiders arrogante Reaktion – alles zusammen erst ergibt eine ‚Geschichte‘ neuen Stils, für die gilt: Historia certa, pater incerta …

    Wie man so etwas abrechnen sollte – tscha, weiß auch nicht … 😉

  2. cjakubetz

    Das ist doch aber genau das Problem: dass die Vorstellung der monomedialen Transformation einer Geschichte ins Netz immer noch eine weit vorherrschende ist. Und wer bringt das jetzt raus aus den Köpfen?

  3. Ulrike Langer

    Das bringt niemand raus auf den Köpfen, solange hierzulande in den so vielen Medien die Meinung vorherrscht, dass das Netz nur ein weiterer Kanal ist, auf dem man linearen Journalismus zwar multimedial, aber weiterhin als kommunikative Einbahnstraße versenden kann.

  4. Klaus Jarchow

    Wer das aus den Köpfen rausbringt? Nun, ich nehme mal an, die zunehmende Vernetzung selbst und das wachsende ökonomische Scheitern unilinearer Storytell-Angebote, von manchen auch ‚Verlage‘ genannt. Nur Geduld! Bei der ‚Syndication‘, also der Selbstabschreibung, sind die Verleger doch auch schon angekommen. Bis zur Selbstweiterschreibung ist es dann gar nicht mehr so weit …

  5. cjakubetz

    Ich sag das ja nur ungern, aber es trifft das Problem nur unzureichend, wenn wir auf Verlage und Verleger eindreschen. Hier geht es primär um Storytelling, eine journalistische Aufgabe also. Die Kritik der Jury ist ja auch, dass selbst Onlineredaktionen nur selten Beiträge bringen, die wirklich die Möglichkeiten des Netzes nutzen. Und obwohl ich ja auch gerne mal ein paar skeptische Sätze über Verlage und Verleger verliere, werde ich das Gefühl nicht los, dass etliche Journalisten da einfach sehr denkfaul sind.

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