Verlage und öffentlich-rechtliche Sender setzen munter ihren Kleinkrieg um den richtigen Wortanteil fort. Währenddessen sie sich im Silicon Valley vermutlich amüsiert fragen, ob sie eigentlich noch ganz dabei sind, diese Deutschen…Read More
Beim WDR haben sie etwas Lustiges beschlossen: Die Online-Aktivitäten des Senders sollen sich künftig mehr auf audiovisuelle Inhalte konzentrieren. Nachrichten in Textform? Nur noch als knappe Zusammenfassung. Der Wortanteil soll dann künftig irgendwo bei 30 Prozent liegen. Oder mehr oder weniger, auf jeden Fall: wenig.
Darüber sollten die Zeitungsverlage jubilieren. Schließlich ist es das, was sie seit langem von den öffentlich-rechtlichen Sendern fordern. Sie erinnern sich: die Sache mit der Presseähnlichkeit und den nordkoreanischen Verhältnissen, wenn eine Staatspresse den freien, demokratischen Blättern die Existenzgrundlage entzieht (nebenbei bemerkt frage ich mich bei letzterem Argument ja immer, für wie blöd man eigentlich den durchschnittlichen Medienkonsumenten hält).
Gleichzeitig (auch wenn das nicht unbedingt zusammenhängen muss) machen sie im „Medienmagazin“ auf WDR 5 gerade eine interessante Reihe. Dort beleuchtet man die Lage der Tageszeitungen in den Ländern, in denen es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Weil, so der WDR: Nach der Logik der Verlage müsste es den Zeitungen in solchen Ländern ja deutlich bessergehen. Wenig überraschend kommt der WDR zu der Erkenntnis, dass das keineswegs der Fall ist.
Über solchen Nonsens könnte man noch eine ganze Zeit weiter debattieren. So, wie man es die ganzen letzten Jahre mit Hingabe getan hat. Darin waren viele Verlage in den letzten Jahren unbestritten Weltmeister: im Eröffnen von Nebenkriegsschauplätzen. Beispielsweise um ein Leistungsschutzrecht. Das hat man irgendwann mit Brachialgewalt durchgesetzt. Angeblich, weil Google auf Kosten und mit Inhalten der Verlage eine ganze Menge Geld verdient und ihnen die Existenzgrundlage raubt (kommt Ihnen bekannt vor, sagen Sie?). Und jetzt eben der Wortanteil, die Presseähnlichkeit. Ganz so, als würden Zeitungen hauptsächlich wegen öffentlich-rechtlicher Angebote Leser verlieren. Man müsste mal in den Verlagen die kündigenden Abonnenten nach ihren Gründen fragen. Ich bin sicher, dass öffentlich-rechtliche Angebote dort keine Rolle spielen würden. Leider fragt man allerdings in vielen Verlagen Kunden gar nicht erst nach ihrer Meinung.
Wortanteil und LSR: Eine absurde Debatte
Überhaupt ist das alles ein bisschen absurd, was in Deutschlands Medien gerade so gespielt wird: Der WDR nimmt seinen Textanteil zurück. Der BR wiederum hat das zwar nicht vor, sendet aber als eine Art Friedenssignal, dass er den geplanten Frequenztausch zwischen dem Jugendkanal „Puls“ und BR-Klassik nun doch nicht vornehmen will. Der BDZV-Chef wiederum steigert den verbalen Beschuss mit Begriffen wie „Nordkorea“ und „digitale Staatspresse“, will das alles dann aber nicht so gemeint haben, denkt aber gleichzeitig, dass die Wahl der Begriffe schon alleine deswegen ok war, weil sie mit den Zugeständnissen der öffentlich-rechtlichen ja ihren Zweck erfüllt haben.
Gleichzeitig darf man als Journalist jetzt ein bisschen rätseln: Wenn der Wortanteil bei Angeboten wie denen des WDR auf rund 30 Prozent runtergeht, steigen dann jetzt endlich die Zugriffszahlen und vor allem die digitalen Erlöse der Verlage? Ist Text besser als Video? Werden dem WDR die User davonrennen, weil sie jetzt nur noch 30 Prozent Text bekommen? Und wieso überhaupt 30 Prozent? Warum nicht 15 oder 50 oder 5?
Im Silicon Valley würden sie sich in der Zwischenzeit beömmeln, wenn ihnen Mediendebatten in Deutschland nicht komplett wumpe wären. In diesem komischen Land irgendwo in Europa glauben sie also ernsthaft, die Medienzukunft lasse sich in eine bessere Richtung navigieren, wenn man irgendwelche Quoten für Textanteile festlegt? Oder dass man versucht, Google ein paar Cent für Textschnipsel abzupressen?
Genau bei dem Thema hat Google den Verlagen übrigens mal eindrucksvoll demonstriert, was eine kommunikative Harke ist: Die Digital News Initiative gegründet, ein paar Dollar aus der Portokasse genommen, Projekte auch von Verlagen gefördert – und schon ist das alles nicht mehr so schlimm. Hurra, wir kriegen Kohle von Google, haben eine ganze Reihe deutscher Verlage in den vergangenen zwei Jahren gejubelt. Da sitzt man da und reibt sich die Augen. Waren die Jungs von Google nicht eben noch die Leibhaftigen selbst?
Zwei Fußkranke bekämpfen sich
Google ist also draußen aus den Debatten, an Facebook traut man sich auch nicht so richtig dran. Bleiben die öffentlich-rechtlichen, die man jetzt mit Brachialgewalt und mit Hilfe weitgehend kenntnisbefreiter Gerichte (die drucken Apps auch schon mal aus) zu irgendwelchen Quoten verdonnern will. Verlage und öffentlich-rechtliche Sender, zwei, bei denen es in den kommenden Jahren vor allem um Existenzgrundlagen und Legitimationsdebatten gehen wird – ausgerechnet die zwei also spielen Kleinkrieg gegeneinander, anstatt darüber nachzudenken, dass sie sich möglicherweise gemeinsam gegen ganz andere Bedrohungen wappnen müssten (in der Schweiz beispielweise gibt es schon ganz passable Kooperationen).
Gespannt darf man unterdessen sein, bei welchem Debattenstand wir in fünf Jahren sein werden. Dem Auflagenschwund haben die meisten Verlage nämlich immer noch nichts entgegenzusetzen. Und bei der Suche nach digitalen Geschäftsmodellen werden 30-Prozent-Quoten auch nicht unbedingt weiterhelfen.
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