Lokaljournalismus: Es bleibt, wie es ist

Als ich mein Volontariat bei einer kleinen Tageszeitung in Niederbayern absolviert habe, war allen Beteiligten klar: Lange geht das so nicht mehr weiter mit dem Lokaljournalismus.

Wir, das waren gleichermaßen: Leser und Journalisten. Beide ahnten wir, dass das alles schon sehr speziell ist. Dieses ständige „alles ist gut“, das mantra-artige „Aufsteigerregion Niederbayern“ (eine sehr schöne PR-Leistung der CSU, so einen Begriff in den Sprachgebrauch zu etablieren). Der Terminjournalismus, die Vereinsberichterstattung. Die grässlichen Fotos, das gestelzte Deutsch, das…ach, Sie wissen, was ich meine, wen Sie sich jemals einen durchschnittlichen deutschen Lokalteil zu Gemüte geführt haben.

Das alles ist mittlerweile ziemlich genau 30 Jahre her. Die Vokabeln, mit denen man Lokaljournalisten belegt, sind oft noch dieselben. Bei den einen mehr und bei den anderen weniger verdient hört man immer noch: Terminjournalismus. Heile-Welt-Journalismus. Gar-kein-Journalismus. Vermutlich gibt es nach wie vor nur wenige Lokalredakteure, deren Blatt nicht schon mal als „Käseblättchen“ geschmäht wurde. Und das unfassbar dämliche Argument, unfassbar dämliches Zeug ins Blatt heben zu sollen, existiert auch immer noch: Ihr bringt doch sonst auch jeden Schmarrn!

Kurz gesagt: Es hat sich nicht so viel Grundlegendes geändert seit 1986.

Das Phänomen Lokaljournalismus

Der Lokaljournalismus, zumal der gedruckte in der Tageszeitung, ist ein echtes Phänomen in Deutschland.  Mitten in den größten Umbrüchen  ist er erstaunlich veränderungsresistent. Und, das ist besonders verblüffend: offenbar von den Nutzern nicht anders gewollt. Das widerspricht zwar ungefähr allem, was man in Seminaren und Panels und Blogs so liest und hört, ist aber ähnlich wie beim Teletext: Auch der sieht ja immer noch so aus wie in seinen Gründertagen. Würde man ihn modernisieren wollen, es gäbe vermutlich einen Aufstand bei den Nutzern.

Wenn es um Lokaljournalismus geht, sind die Nutzer in Deutschland ein  konservatives Volk. Nach wie vor stehen Lokaljournalisten nicht gerade an der Spitze der Ansehens-Skala. Und unverändert gilt der Lokaljournalismus vielen als etwas, was zwar irgendwie notwendig, aber kein richtiger Journalismus ist. Lokalzeitung? Hat man halt, findet sie aber so sexy wie ein paar alte Socken.

Dam müsste es doch mit dem Teufel zugehen, würde man im Zeitalter der hemmungslosen Digitalisierung nicht auch diese ganzen verstaubten Käseblättchen vom Markt fegen und durch irgendwas Hippes ersetzen können. Apps beispielsweise. Oder Blogs. Oder irgendwas mit sozialen Netzen.

Lokales im Web? Eher unwichtig.

Und dann wirft man einen Blick auf die neuesten Zahlen von Bitcom – und man staunt: 41 Prozent informieren sich gar nicht über das Lokalgeschehen im Web. Von den verbliebenen 59 Prozent, die es doch tun, entscheiden sich 28 Prozent für die Webseite einer Lokalzeitungen. Die gehypten Lokalblogs hingegen bringen es nur auf 20 Prozent. Und auch alle anderen Anbieter, Stadtmagazine oder Lokalsender, landen mit ihren Webangeboten hinter den Lokalzeitungen.

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Das ist nicht nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Zu erklären ist er kaum, zumindest dann nicht, wenn man Menschen so reden hört über ihre Lokalredaktionen. Trotzdem gibt es eine Erklärung: Lokalzeitungs-Leser sind enorm geduldige, man könnte auch sagen: träge Kunden. Bis jemand seine Lokalzeitung abbestellt oder zur Konkurrenz wechselt, muss schon viel passieren. Mit der trägen Treue von Lesern der Lokalblätter können bestenfalls noch Banken konkurrieren, die sich ebenfalls enorm anstrengen müssen, bis sie einen Kunden zur Kündigung treiben.

Kein ganz neues Phänomen übrigens: Der Markt der Lokalzeitungen ist in Deutschland schon seit Jahrzehnten kein echter Markt. In vielen Regionen Deutschlands existieren De-facto-Monopole, die nicht mehr aufzubrechen sein werden. Wer seine Claims in einer Region abgesteckt hat, der ist dort meistens medialer Alleinherrscher.

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Tageszeitungen in Deutschland. (Grafik: ZMG)

Umgekehrt: Gerade in den letzten 12 Monaten hat sich die Euphorie um Lokalblogs deutlich abgekühlt (und ich gebe zu: Ich hatte deren Potential auch deutlich größer eingeschätzt). Tatsächlich nehmen viele ein Lokalblog gerne als zusätzliches Informations-Angebot mit, sind aber nur selten dazu bereit, dafür auch Geld auszugeben. Noch gravierender: Anzeigenkunden. Die meisten von ihnen kommen mit ihren Regionalblättern vor Ort leidlich aus, lokale Blogs sind für die meisten eine zu vernachlässigende Größe.

Der Kritiker als Nestbeschmutzer

Zumal es speziell im Lokaljournalismus noch ein weiteres Phänomen gibt, das jeder kennt, das es eigentlich nicht geben dürfte – und über das deshalb öffentlich eher weniger gesprochen wird: Natürlich wollen wir alle kritischen und unabhängigen Journalismus. Aber bitte, wenn es das um das eigene Revier geht, da wird dann aus dem kritischen Journalisten schnell ein Nestbeschmutzer. Und so genau will man es ja auch gar nicht wissen, wenn es um die eigene Haustür geht. Würde man sich also als alternatives Lokalmedium irgendwie gegen die Vorstellung der meistens heilen Welt positionieren, man könnte ebenso gut vorsorglich Insolvenz beantragen.

Es ist deshalb keine gewagte Prognose: Neben dem Teletext wird auch der (gedruckte) Lokaljournalismus von den Veränderungen durch die Digitalisierung weniger spüren als viele andere.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. teekay

    Du deutest es zwar an, aber ich wuerde den Link noch stärker betonen: Solange die oligopolistischen Verlage noch eine zufriedenstellende Marge einfahren wird es (gedruckten) Lokaljournalismus geben. Das hat wenig mit Inhalt oder ‚Lokaljournalismus wird besser/schlechter‘ zu tun, als damit, dass die Verlage einen immer billiger produzierten Mantel mit Anzeigen fuellen können. Und wenn in ein paar Jahren die klassische Abonennten-Generation weggestorben ist, dann gibt es eben eine Gratiszeitung-was die ‚Metro‘ global kann, kann Funke regional und dann gibt es eine duenne, gedruckte gratis WAZ-RP-WP-ein bisschen mehr Inhalt als das ‚Wochenblatt‘ oder wie das Gratiszeug heisst, bessere Reichweite, etablierte Marke und dann kann man nochmal 5 Jahre ueberleben.

  2. DirkNB

    Solange sich lokaler Internetjournalismus nicht rechnet, wird es den (nur) in gedruckter Form geben. Und das dürfte wirklich noch relativ lange sein, denn „lokales Internet“ ist der Widerspruch in sich. Es gab zwar schon mal hyperregionale oder hyperlokale Blogs, wenn man da aber genauer hinguckt, sind auch die zwar geografisch, aber nicht von der Zahl potenzieller Leser eingeschränkt. Und rechnen sich (trotzdem) nicht.
    Stellt sich die Frage, warum sich sowas nicht rechnen kann. Die Internetanzeige lebt vom Klick darauf und dem daraus folgenden Umsatz oder Gewinn. Eindeutig zuordnenbar und rückverfolgbar. Die Zeitungsanzeige lebt vom Glauben dran, dass sie was bewirkt … Und mit Glauben war immer schon mehr Geld zu machen als mit Wissen. 😉

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