Blogger und Journalisten

Der beste Claim, den sich ein Printobjekt in seinem Online-Ableger geben kann, ist momentan bei der Titanic zu lesen:

Garantiert ohne Blogs!

Ich staune gerade jeden Tag ein kleines bisschen mehr über die Vehemenz und die Brachialgewalt, über die in der Bloggosphäre diese Posener/Diekmann-Nummer debattiert wird. Vor allem staune ich darüber, wie sehr Blogger (und dazu zähle mich selber – wenn ich nicht gerade Journalist bin) erstens unsere eigene Relevanz überschätzen und zweitens meinen, der konventionelle Journalismus stehe vor dem Untergang, wenn er sich nicht sofort den Regeln des Web im Allgemeinen und der Blogosphäre im Besonderen unterwerfe. Ich weiß allerdings nicht, ob sich das überhaupt verträgt, das Bloggen und der konventionelle Journalismus. Vielleicht sollte man ernsthaft allen traditionellen Zeitungshäusern empfehlen, von Blogs die Finger zu lassen.

Momentan jedenfalls finde ich, dass die Debatte absurde Züge annimmt. Christoph Kesse muss sich derzeit mindestens der „Dummheit“ bezichtigen lassen (leider vom von mir an sich über die Maßen geschätzten Kollegen Niggemeier), weil er ein Interview in der Süddeutschen gibt, über das man streiten kann und mit dem ich nicht immer d´accord bin. Aber „Angstschweiß und Dummheit“; Kollegen, haben wir es nicht gerade mal eine Nummer kleiner? Dem Springer-Konzern gerinnt der Angstschweiß, weil diejenigen, die ihm ohnedies ablehnend gegenüberstehen, ihm jetzt noch ein bisschen mehr ablehnend gegenüber stehen?

Und hallo, Freude vom Bildblog, es ist also ein Ausweis von „Merkwürdigkeit“, dass sich die Welt in einer satirischen (und ohnedies nicht eben lustigen) Umfrage NICHT über Kai Diekmann lustig macht? Ich hätte es eher anbiedernd gefunden, hätte man es getan.

Bloggen und Debattieren im Netz hat nichts oder nicht viel mit unseren konventionellen Vorstellungen von Journalismus zu tun. Stimmt. Das haben eine ganze Reihe konventioneller Medienhäuser noch nicht begriffen. Stimmt auch. Ich würde sogar so weit gehen, dass sich die allermeisten unserer Tageszeitungen mit den Umbrüchen und Verwerfungen, die wir momentan erleben, verdammt schwer tun, absolut kein Springer-Phänomen. Ich tu mich ja selber manchmal schwer damit. Aber tun wir doch bitte nicht so, als wären alle anderen, die (noch) drüben auf der analogen Journalisten-Seite sitzen, allesamt nicht mehr länger ernstzunehmende, bedauernswerte Kretins.

Ach, und dann würde ich doch noch mal gerne auf die hohe Debattenkultur durchaus nicht unprominenter Blogger erinnern wollen: Da gibts einen überaus bekannten, der schon mal schreibt: „Wenn du hier noch mal so einen Müll ablässt, fliegst du raus.“ Und ein weibliches Pendant habe ich schon öfter mal mit Sätzen vernommen wie dem, man solle sich doch verkrümeln, wenn´s einem nicht passt, das nächste gute Blog sei nur einen Mausklick weg.

Das finden wir dann alle toll, wir Blogger. Weil es so echt und so authentisch ist.

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare

  1. Florian

    Noch ein kleines „Aber“: Wenn ein Blogger einen Kommentar löscht, dann ist das so, wie wenn die Welt einen Kommentar löscht – aber nicht, wie wenn die Welt einen Blogeintrag löscht. Für Deinen Vergleich müßte schon Kai Pahl als verantwortlicher Websitebetreiber einen Eintrag von Don Alphonso löschen.

    P.S.: Kann es sein, daß Dein Captcha immer denselben Code anzeigt?

  2. Florian

    P.S.: Nein, kann es nicht, war wohl Einbildung.

  3. cjakubetz

    Nein, kleiner Widerspruch, das wäre so, als wenn ein Blogger einen Eintrag auf seinem eigenen Blog löscht. Sein gutes Recht, finde ich.

  4. stefan niggemeier

    Ich weiß nicht, ob Du die BILDblog-Meldung richtig verstanden hast: „Welt Online“ HAT sich über Kai Diekmann lustig gemacht. Halt nur, bis es irgendjemand bemerkt hat und Kai durch Knut ersetzt hat.

    Und den Angstschweiß hat Keese natürlich nicht wegen der Blogger, sondern weil er merkt, wie ihm die „Debatte“, die er selbst als Ausweis der neuen „Offenheit“ von „Welt Online“ eröffnet hat, entgleitet. Er hat Angst, dass seine Mitarbeiter Dinge schreiben, die ihm schaden können. Er traut sich nicht, das Thema in seinem eigenen „Welt“-Blog zu thematisieren. Er lässt die Moderatoren jeden Link zu Poseners Text löschen. Wenn er überzeugt wäre, dass er mit dem Entfernen von Poseners Text das richtige getan hat, warum kann er dann nicht zulassen, dass andere Leute ihn auf anderen Seiten lesen und sich eine eigene Meinung bilden? Meine Interpretation: Aus Angst.

    Gleichzeitig verbreitet Keese falsche Behauptungen über Poseners Text und tut so, als habe Posener eine Buchkritik geschrieben, ohne das Buch gelesen zu haben. Das ist infam. Warum macht er das? Meine Interpretation: Aus Angst. Ach so, und aus Karrieregeilheit.

    Nicht vergessen: Keese hat es auch nicht ertragen, dass „Welt Online“ in der Blog-Empfehlungsliste einen Linnk zu uns gesetzt hat, und ihn nachträglich entfernen lassen – und auch das konnte er nur mit unwahren Behauptungen erklären.

    Seit es die neue „Offenheit“ von „Welt Online“ gibt, gibt es diese Rückzugsgefechte, dieses Nachträglich-Wegmachen, dieses Nicht-Ertragen-Können von Offenheit und Debatte, und dieses Herumlügen. Und es geht nicht um eine Selbstüberschätzung der Blogosphäre. Keese selbst wollte mit „Welt Online“ ein Vorreiter sein für eine neue Art des Journalismus. Ich glaube, er bereut diesen Schritt inzwischen zutiefst. Und haben all die Kommentatoren und Blogger unrecht, die meinen, damit sei das Projekt „Welt Debatte“ de facto gestorben? Posener bloggt jetzt über Familienerlebnisse!

    Ich habe keine Lust, alle Aussagen aus Keeses bemerkenswerten Interview noch einmal in ihrer Absurdität zu würdigen, das haben Turi, Knüwer u.a. ausführlich getan. Deshalb nur zwei Sätze. Keese sagt: „Blogs sind private Tagebücher, professioneller Journalismus besteht aus der Kombination von Schreiben und Redigieren. … Keine der beiden Formen kann gewinnen, wenn man sie vermischt.“ Ich bleibe dabei: Das ist nicht nur falsch. Das ist dumm.

  5. cjakubetz

    Stefan, ich hab die Geschichte im Bildblog schon verstanden. Ich habe kapiert, dass euer Clou der war, dass erst das müde Witzchen Kai Diekmann in der ersten Fassung drin war und in der zweiten Fassung durch Knut ersetzt wurde. Mir war die zweite Fassung lieber, weil ich die erste anbiedernd fand. Ich mag die sanfte Ironie (übrigens auch auf deinem Blog) deutlich lieber als die humoristische Brechstange. Und diese „Umfrage“ war Brechstange, was haben wir gelacht. Ich fand sie also bestenfalls belanglos, als Beleg für den Springer-Gesinnungsterror dient sie für mich nicht.

    Deine Frage danach, ob diejenigen unrecht haben, die der „Welt Debatte“ Probleme progostizieren: Ich habe gerade eben mal nachgesehen, was dort aktuell debattiert wird. Als Aufmacher aktuell Paul Wolfowitz und eine Frau, die ich nicht kenne. An Position zwei antwortet ein Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht auf einen Beitrag eines Professors für Neurobiologie und dessen Ansichten zum Thema „Der Schuldbegriff als solches“. Mag sein, dass ich mich als intellektueller Gimpel oute, aber ich kann da nicht so mitdiskutieren und deswegen halte ich den Mund. Es tröstet mich, dass es anscheinend anderen auch noch so geht und vielleicht auch aus diesem Grund die Zahl der bisher abgegebenen Kommentare bei Null liegt.

    Ich halte ohnedies das Thema Kommentare/Debatten auf Webseiten von Nachrichtenangeboten für überschätzt und meine mich erinnern zu können, bei dir mal ähnliches gelesen zu haben. Ich habe mich bisher weder in eine Debatte bei der Welt eingeklinkt noch in eine Debatte bei der Süddeutschen. Die meisten sind mir einfach zu doof und in etwa so penetrant wie die Leserbriefe im Spiegel. Keine Ahnung, was man Keese noch so alles vorwerfen kann, aber daran ist er vermutlich nicht schuld.

    Wo wir übereinstimmen: Wenn der Teufel aus dem Schachterl ist, kann man ihn nicht wieder reindrücken. Ich kann dir nicht sagen, warum man nicht einfach diese Geschichte thematisiert und stattdessen den Professor der Neurobiologie um eine Position nach unten wandern lässt. An Angstschweiß glaube ich allerdings definitiv nicht. Eher daran, dass mit konventionellem und digitalem Journalismus (sorry…mir fällt keine bessere Definition ein) zwei Welten aufeinander prallen, die generell ein problem haben, miteinander zu kommunizieren. Was Keese sagt, werden ihm viele seiner Epigonen aus der analogen Welt sofort unterstreichen. Ob Springer oder nicht, das spielt keine Rolle.

    Wenn wir also um grundlegendes Journalismusverständnis diskutieren – jederzeit gerne. Wenn sich die Diskussion auf Springer als Verlagshaus oder gar auf den armen Alan Posener, der sich jetzt bestimmt prächtig amüsiert, konzentriert, dann ist mir die Debatte zu eng.

  6. stefan niggemeier

    Da sind so viele Unterstellungen bei Dir zwischen den Zeilen. Wir haben bei BILDblog die Knut-Kai-Umfrage-Geschichte sachlich nüchtern berichtet, wir haben sie in keiner Weise als „Beleg für den Springer-Gesinnungsterror“ interpretiert. Wir überlassen die Interpretation gerne unseren Lesern. Genauso übrigens bei Posener. Ich glaube, weder bei BILDblog noch bei mir wirst Du Formulierungen finden, die Posener zum „armen Posener“ machen.

    Wie erklärst Du denn Keeses diverse Lösch-Aktionen, sein Lügen, sein Zurückrudern, sein Lob des Redigierens auf 5 Stufen (ohnehin eine absurde Behauptung, wenn man sich die Realität auf Welt Online sieht) wenn nicht als verzweifelte Versuche, die Kontrolle zurückzuerlangen? Also durch Angst?

  7. cjakubetz

    Upps, sorry…unterstellen wollte ich weder dir noch Bildblog irgendwas. Der „Beleg für den Gesinnungsterror“ war, um es festzuhalten, ausschließlich meine zugegeben überspitzte Formulierung. Bei euch war davon nicht die Rede. Und „armer Posener“ stammt ebenfalls von mir.

    Gemeinsamkeiten, die wir sehen: Blogs können nicht fünf Mal redigiert werden, das ist natürlich Unfug. Debatten muss man laufen lassen, so lange sie im Rahmen des (gesetzlich) Erlaubten bleiben. Löschen et al kommt immer schlecht. Aber nachdem ich Herrn Keese nicht kenne, kann ich über seine Motive nix Gehaltvolles sagen.

    Also, damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde nicht, dass Keese und Springer bei dieser Sache ein besonders glückliche Figur abgeben und ich war auch nicht der Ansicht, Keese in seinem Interview in der SZ in allen Punkten Recht geben zu müssen. Ich glaube nur, dass dies kein Springer/Keese-Problem ist, sondern ein ziemlich weit verbreitetes.

    Machen wir doch mal die Probe aufs Exempel: Der Herr Knüwer bloggt mal eine richtige Gemeinheit über seinen Noch-Kollegen Baron und der Herr Niggemeier macht auf dem nicht existenten Blog der FAS den Herrn Schirrmacher rund. Aber so richtig fies, ok?

    Wie hoch schätzt du die Wahrscheinlichkeit ein, dass Handelsblatt und FAS danach eine entspannte, wohltemperierte Debatte auf ihren Seiten befördern (ich mein die Frage nicht mal so ironisch, wie sie klingen mag)?

  8. stefan niggemeier

    Moment mal, genau das ist doch das Problem. Natürlich kann Knüwer nicht negativ über seeinen Arbeitgeber schreiben, sagt er ja auch dauernd, soll er ja auch nicht. Aber wenn er es dann doch täte, könnte sein Arbeitgeber doch nicht daraus ein grundsätzliches Problem des Bloggens machen, die Unprofessionalität dieser Tätigkeit anprangern und die gewaltigen Vorteile des professionellen Journalismus für die Leser machen!

    Und noch einmal: Keese sagt in Sachen Posener wieder die Unwahrheit, so wie er in Sache Link auf BILDblog die Unwahrheit gesagt hat. Er hat versucht, „Welt Online“ als Vorreiter in Sachen Journalismus2.0 darzustellen, dabei ist der Verlag Axel Springer für eine offene und transparente Debatte noch ungeeigneter als viele andere Medienunternehmen.

  9. cjakubetz

    Möglicherweise kommen wir dann dem Problem schon etwas näher. Es ist exakt, wie du sagst, ein Blog eines Medienhauses ist primär nicht dazu da, seinen eigenen Arbeitgeber in die Pfanne zu hauen bzw. etwas zu tun, was ihm erheblich schaden kann (hat Posener aber getan). Dann allerdings nicht den Blogger resp. Autoren sondern das Bloggen generell zum Problem zu machen, ist natürlich unsinnig (das wiederum macht Keese). Ich denke, dass Posener und Keese eines gemeinsam haben, nämlich dass sie letztendlich unter dem Strich der Blogkultur, so es denn eine gibt, in professionellen Medien einen Bärendienst erweisen. Das ist es, was mich daran stört.

    Und noch was: Auch wenn es möglicherweise politically etwas incorrect klingt, ich bezweifle in der Tat, ob große Medienkonzerne ein guter Ort für Blogs und Blogger sind. Ich glaube nicht, dass (uaaa….Achtung, jetzt werde ich mal so richtig anbiedernd) dein Blog so gut wäre, wenn es in den Strukturen eines Großkonzerns eingeschlossen wäre. Für mich jedenfalls könnte ich es mir nicht vorstellen zu bloggen, wenn ich wüsste, dass dahinter letztendlich die Interessen eines Arbeitgebers stehen. My blog is my castle, und ich liebe es deshalb, weil mich niemand dafür bezahlt, weil es niemand kontrolliert und weil es mir scheißegal ist, ob es a.) jemand liest und ob ich b.) irgendwann mal dafür das Bundesverdienstkreuz in Bronze oder ähnlichen Tand bekomme. Ich glaube, (Achtung: Jetzt werd ich auch noch bloggender Stadtpfarrer!) ein Blog braucht Freiheit. Wäre ich irgendwo fest angestellt, würde ich dieses Blog zusperren. Sofort.

  10. Lorenz Lorenz-Meyer

    Das ist doch Unsinn. Erstens müssen gerade freie Autoren sehr vorsichtig mit dem sein, was sie in der Öffentlichkeit über potentielle Auftraggeber sagen. Und zweitens gibt es wahrlich genügend Beispiele dafür, dass eine gewisse Unabhängigkeit und kritische Distanz auch in einem redaktionellen Kontext möglich ist. Das Meckerblog der Zeit macht daraus sogar ein Programm. Aber das beste Beispiel ist meines Erachtens Thomas Knüwers Blog „Indiskretion Ehrensache“.

    Natürlich ist Knüwer viel zu klug, um sich solche Ausfälle wie den von Posener zu leisten. Sie würden z.B. von ihm mit Sicherheit keine öffentliche Bewertung der Berufung von Roland Tichy zum Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“ lesen, wenn er diese – Gott bewahre! – kritisch sehen würde. Trotzdem hat man keinen Moment den Eindruck, dass es sich bei seinem Blog um ein auf redaktionelle Linie eingeschworenes, fünffach redigiertes Kompromissprodukt handelt.

    Letztlich geht es darum, ob Redaktion und Verlag willens und angstfrei genug sind, solche Spielräume zuzulassen. Und das scheint bei einigen (z. B. ZEIT, Handelsblatt) besser zu funktionieren als bei anderen.

  11. cjakubetz

    D´accord. Um es noch einmal zu betonen: Ich halte es keineswegs für eine sehr kluge Entscheidung, wenn Springer seine Welt-Blogs jetzt auf einmal durchredigieren will. Das hat nix mehr mit Bloggen zu tun. Und auch in Sachen Knüwer und Zeit stimmen wir überein, aber danach: gähnende Leere. Insofern würde ich aus zwei durchaus gelungenen Beispielen noch nicht ableiten wollen, dass dies ein Muster für alle sein könnte.

    Im übrigen: Die Blogs, die ich bevorzuge, kommen fast alle von unabhängigen Leuten. Gute Redaktionsblogs kenne ich so gut wie keine und ehrlich gesagt, ich sehe auch keine richtige Notwendigkeit für sie.

    Ihr Eingangssatz leuchtet mir übrigens nicht ganz ein: Warum sollte ein freier Autor vorsichtiger sein müssen als ein festangestellter? Ein Ausfall wie der von Posener – da wäre es mir als Chefredakteur ziemlich wurscht, ob der Herr Posener ein freier Autor oder ein festangestellter Kommentarchef ist.

  12. Lorenz Lorenz-Meyer

    Es ist sehr viel einfacher, einen freien Autor zu blacklisten, als sich von einem fest angestellten Mitarbeiter zu trennen, oder? Kein Ärger mit dem Betriebsrat etc, und das Ganze ist praktisch nicht nachweisbar.

  13. cjakubetz

    Maybe, aber seien wir uns doch mal ehrlich: Wenn ich jemand los werden will, werde ich ihn los. Unabhängig vom Status.

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