Zugfahren anno 2006

Zug fahren kann gelegentlich eine erhellende Wirkung haben. Eineinhalb Stunden war ich heute unterwegs und das ist eine Zeitspanne, für die ich mir früher entweder ein paar Zeitungen oder ein Buch als Zeitvertreib eingepackt habe.  Und das schien mir früher das normalste auf der ganzen Welt zu sein, ebenso wie es für mich als Volontär vor 20 Jahren das normalste auf der ganzen Welt war, dass ich zur Produktion von Medien in einem Büro sitzen und dafür durchaus schweres Gerät verwenden muss. Davon abgesehen, dass ich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu jemand publizieren muss, der in der Lage ist, sich diese Produktionsmittel auch zu leisten (äh, klingt das jetzt nach Marx?).

Und schließlich war auch klar, dass die Möglichkeit, Medien zu konsumieren, sowohl zeitlich als auch eine ziemlich eingeschränkte Sache war.

Wenn mir also jemand damals prophezeit hätte, ich könne nahezu von jedem Ort der Welt publizieren, ohne dazu im Besitz teurer Produktionsmittel zu sein (hab ich meinen Marx nicht brav gelernt?), hätte ich ihn für reichlich bescheuert erklärt.  Für ebenfalls absurd hätte ich den Gedanken gehalten, nebenbei nahezu jedes beliebige Medium konsumieren zu können, so dass mir die Zeit im Zug fast zu knapp wird.

Tatsächlich ist beides Realität geworden. Ich befülle meine Blogs, in dem ich meinen Laptop auf den Knien habe, ich höre nebenbei eine sehr solide Wahlberichterstattung auf B 5 mit dem Handy-integrierten Radio, und wenn die Zeit irgendwie noch reicht, arbeite ich noch meine neuesten Podcasts und Videopodcasts mit dem guten, alten i-Pod ab.

Das alles bei einer rumpelnden Zugfahrt aus der Provinz nach München.

Die grundsätzlichen Erwägungen, keine Sorge, sind nur ein temporärer Zustand. Der packt mich meistens an den Vorabenden einer neuen DJS-Woche, weil ich weiß, dass ich dann wieder fünf Tage Überzeugungsarbeit leisten muss. Für die Überzeugung, dass der kreative, zerstörerische, gigantische Umbruch der Medienlandschaft nicht kommen wird, sondern schon lange begonnen hat.

(Amen. Während des Schreibens komme ich mir gerade etwas arg missionarisch vor. Bitte haltet mich zurück, falls ich ankündige, demnächst nach Afrika zu gehen.)

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