Grimmes Stellungnahme

Der Kommentarfunktion sei Dank, jetzt wissen wir an dieser Stelle auch, dass zur umstrittenen Nachnominierung des „Elektrischen Reporters“ inzwischen doch auch schon eine Stellungnahme des Instituts existiert.

Sie liest sich in etwa so einsichtig wie ein Bulletin des ZK der SED:

„Als – wie üblich – zu Beginn der Jurysitzung mögliche Nachnominierungen erörtert wurden und dabei der Vorschlag gemacht wurde, auch den „Elektrischen Reporter“ in die möglichen drei Nachnominierungen einzubeziehen, trat Mario Sixtus sofort von der Jury-Mitgliedschaft zurück. Weder hat er seinen „Elektrischen Reporter“ vorgeschlagen, noch hat er an einer Diskussion und Entscheidung der Jury teilgenommen. Die Bedingung des Statuts – nämlich die Unvereinbarkeit der Hauptverantwortung für eine Site und einer persönlichen Entscheidung über diese Site im laufenden Wettbewerb – wurde folglich jederzeit eingehalten. Insofern hat es auch keinerlei Interessensverquickung, Doppelfunktion oder Günstlingswirtschaft gegeben.“

Man hält es also tatsächlich für nötig, eigens zu betonen, dass Mario Sixtus nicht als Jurymitglied über sein eigenes Angebot entscheiden wird, als wenn das nicht das Allermindeste wäre, was man verlangen sollte. Und es wird betont, dass es nicht Sixtus selbst war, der diesen Vorschlag eingereicht hat. Davon abgesehen, dass das auch niemand ersthaft behauptet hat: Auch das ist doch wohl das Allermindeste. Fällt also dem Grimme-Institut ersnthaft nichts anderes ein, als zu betonen, dass mal all die Dinge, die man allenfalls aus Bananenrepubliken kennt, nicht getan zu haben? Was für eine klägliche Argumentation, das.

Gleichwohl, diese Argumentation ist symptomatisch für Grimme allgemein und für den GOA im Allgemeinen: Ein kleiner, elitärer Kreis, überzeugt von seiner eigenen Großartigkeit, verteilt die Preise an einen kleinen elitären Kreis, der vermutlich ebenfalls von der eigenen Großartigkeit überzeugt ist. Kritik daran – z.B. die, dass sich aus 1500 Vorschlägen doch noch irgendwas anderes als das eigene Jurymitglied finden lassen muss, werden in dem Tenor abgetan, dass vermutlich der weniger elitäre Kreis der Außenstehenden ganz einfach nicht verstanden hat, was sich in dem kleinen elitären Kreis abgespielt hat. Wie gesagt: So dachte das ZK der SED damals auch.

Ich habe ein ähnliches Spiel schon mal vor drei Jahren gehabt. Damals machte ich mir die Mühe einer Mail an Grimme und fragte nach, ob es nicht irgendwie ein klitzekleines Missverhältnis sei, wenn 1500 Seiten vorgeschlagen würden und bei den Nominierungen seien dann ungefähr 60 Prozent Seiten, die von öffentlich-rechtlichen TV-Sendern gemacht worden seien. Die Antwort im gewohnten ZK-Deutsch: Für die Qualität eines Angebots spiele seine Hekunft nun mal keine Rolle und deswegen habe man sich eben entschieden, gefühlte 87 Angebote von ARD und ZDF zu nominieren.

So ist das nun bei Grimme: Die Hüter der Qualität sind unangreifbar, wer nicht glaubt, hat´s einfach nicht kapiert und verdient.

Um Missverstädnisse auszuräumen: Ich habe großen Respekt vor der Arbeit derer, die jetzt nominiert sind – auch und vor allem vor dem Elektrischen Reporter. Es geht hier nicht darum, die Qualität von Sixtus oder dem ER zu diskutieren.

Aber mir waren ZK´s schon immer suspekt. Wenn man jedenfalls demnächst in Marl wieder den Zeigefinger hebt, um auf das Böse in der Medienwelt hinzuweisen, werde ich sicher nicht mehr hinschauen.

Auch wenn das natürlich keinen Menschen interessiert, in dem kleinen, elitären Zirkel.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. stefan

    warum lässt du den schluss der erklärung völlig unter den tisch fallen, der meiner meinung nach zeit, dass man bei grimmes nicht so taub und stur ist, wie du es beschreibst?

    „Da gleichwohl der für Außenstehende so nicht einsehbare Entscheidungsprozess zu kritischen Vermutungen und zu falschen Schlussfolgerungen geführt hat, wird das Grimme-Institut für den Wettbewerb 2008 eine Änderung des Statuts erörtern, im Sinne einer auch öffentlich nachvollziehbaren Klarheit des Verfahrens.“

  2. Fabian Mohr

    Disclaimer vorweg: Ich war dieses Jahr Mitglied der Nominierungskommission. Ich war auch mal vor langer Zeit Kollege von Christian Jakubetz beim ZDF (wir haben uns nicht geschlagen, es sind keine Prozesse anhängig, wir grüßen uns herzlich).

    Christian, der Grimme/SED-Vergleich… Come on, bitte nicht noch ein Bierzelt auf WordPress.

    „Ein kleiner, elitärer Kreis, überzeugt von seiner eigenen Großartigkeit, verteilt die Preise an einen kleinen elitären Kreis, der vermutlich ebenfalls von der eigenen Großartigkeit überzeugt ist.“

    Nur interessehalber: Woher nimmst Du diese Innenansicht? Ich habe da keine Leute getroffen, die „von ihrer Großartigkeit überzeugt sind“.

    Lass uns vielleicht zwei Sachen auseinanderhalten:

    1) Die Nachnominierung des sehr geschätzten Elektrischen Reporters, deren Procedere m.E. erklärungsbedürftig war

    2) Dein liebevoll-pathologischer Groll auf die Öffentlich-Rechtlichen und das, so verstehe ich zumindest deine Weltsicht, mit ihnen auf ewig alliierte Grimme-Institut

    Zu 1) Ja nu. Ich denke, dass das Grimme-Institut noch einmal explizit in dieses Thema eingestiegen ist, zeigt deutlich, dass sie sich sehr wohl darüber im klaren sind, dass da etwas unglücklich gelaufen ist.

    Das heißt aber eben nicht automatisch, dass gemauschelt wurde. Es wurde m.E. auch mitnichten gemauschelt, auch nicht in Nuancen. Es war eine wirklich unglückliche Verkettung von Missverständnissen, die die Jury in eine relativ komplizierte Lage bugsiert hat. Mit einem Ergebnis, das für Außenstehende, das verstehe ich, schwer zu sortieren ist. Shit happens. Und das meine ich jetzt nicht lustig.

    Der entscheidende Punkt ist doch, dass die Statuten in diesem Punkt genauer werden müssen – damit man in solche Situationen nicht mehr reinschlittert. Nochmal, ich rede das nicht schön. Was Du aber suggerierst, entspricht nicht den Tatsachen, ist m.E. auch nicht ganz fair.

    Zu 2) Pi mal Daumen vor zwei Jahren haben wir uns schon mal darüber unterhalten, dass deiner Ansicht nach die „Privaten“ bei der Preisvergabe des Grimme Online Awards benachteiligt werden. Mal abgesehen davon, dass das zumindest mit Blick auf die Preisträger 2005 (noch 2 Ö-Re) und 2006 (kein einziger mehr) relativ absurd ist – ich warte heute noch auf eine Antwort von dir auf meine Gegenfrage damals, welche Angebote bspw. von Privatsendern Du denn stattdessen ausgezeichnet hättest. Da kam von dir als Antwort – genau nichts.

    Zum Glück ist man im Netz nicht mehr auf TV-Privatsender als einzige Alternative zu den Öffentlich-Rechtlichen angewiesen ( das wäre auch traurig). Nein, die Lücke (welche Lücke eigentlich?) wird von wo ganz anders exzellent gefüllt, von Sites wie irights.info, Spreeblick, Wikipedia, Riesenmaschine, Blinde Kuh, Perlentaucher. Für dich auch Teile eines „kleinen elitären Kreises“?

  3. cjakubetz

    Auch ein Disclaimer vorweg: Herr Mohr und ich waren tatsächlich Kollegen und mein Eindruck war immer der, dass Fabian eher für das diffizile Denken zuständig war und ich gerne mal liebevoll-pathologischen Groll rausgelassen habe. So ticke ich nun mal leider manchmal, auch bei harmlosen Sachen wie beispielsweise dem FC Bayern. Nach einmal drüber schlafen wird´s meistens wieder leichter, aber erst mal muss der Ärger raus… Und was die Bierzelte angeht, Fabian, Mensch, du weißt doch, dass ich Niederbaer bin und die gepflegte Bierzeltraueferei in meinen Augen ein Stück Lebensqualität ist. Arbeiten wir erst mal das Thema „Private“ ab: Das war und ist dieses Jahr nicht der Kern für mich, ich hatte zunächst ja auch geschrieben, ich sei mit der Auswahl in diesem Jahr ziemlich einverstanden. Ohne Wenn und ohne Aber. Dabei bleibe ich auch. Und nochmal zu unserer Uralt-Debatte von damals: Mein Kritikpunkt, es seien zu viele ÖR-Angebote nominiert, bedeutete nicht, dass ich quasi als Kompensation fordere, eine Privaten-Quote einzuführen. Feststellung war für mich damals einfach nur, dass die Zahl der nominierten ÖR-Angebote irgendwie ein wenig überproportional war. Meine aktuelle Kritik bezieht sich, ich sag´s nochmal, auf das Prozedere, nicht auf den Kollegen Sixtus. Und, nachdem das anscheinend nicht wirklich angekommen ist, sag ich´s nochmal: Ich behaupte auch nicht, dass gemauschelt wurde, nicht mal im Ansatz. Aber die Außenwirkung eines solchen Verfahrens ist doch die: Wir haben uns 1500 Seiten angeschaut und leider müssen wir nach Durchsicht der 1500 Seiten feststellen, dass wir nicht umhin kommen, einen der unseren noch nachzunominieren. Und dann stelle ich mir gerade die Jury-Sitzung vor, die wird lustig: „Sehr interessant auch das Projekt dieses jungen Kollegen hier, ähm, wie heißt der nochmal, Sextus?“ „Sixtus.“ „Danke, jedenfalls, das was dieser Herr Saxtus da macht…“ @Stefan: Ich habe explizit auf die komplette Stellungnahme verlinkt, jeder kann sie nachlesen und zu seinen eigenen Schlüssen kommen. Ich habe die bewusste Passage deswegen herausgenommen, weil ich es für hochgradig erstaunlich hielt, dass man´es für nötig befand, solche Selbstverständlichkeiten auch noch eigens betonen zu müssen. @Fabian und Stefan: Möglicherweise wäre mir eine solche Geschichte völlig egal gewesen, wenn es sich um den Nachwuchsjounalistenpreis des Deutschen Angerverbands gehandelt hätte. Aber ausgerechnet Grimme geht nach meinem Wissen mit einem ganz besonderen Anspruch vor. Soll mir recht sein. Aber das dann die Maßstäbe der Bierzelt-Blogger auch andere sind, ist doch wohl naheliegend.

  4. Torsten

    Nachdem Mario Sixtus schon den Podcast-Preis und den LEAD-Award bekommen hat, gehörte er wohl klar zu den Favoriten für den Grimme-Online-Awards, da sein Angebot noch viel besser zur dieser Ausschreibung passt als zu den vorhergehenden. Darauf hätte Grimme im Vorfeld reagieren müssen.

  5. jo

    Torsten: Hätte man, ja. Aber hätte es was geändert?

    Unterstellt wird doch, es würde sich um eine „Mauschelei“ handeln. Wäre es keine, wenn Mario sich vorher zurückgezogen hätte und dann von seinen „Juryfreunden“ nachnominiert worden wäre? Das ist doch albern.

    Sorry, so problematisch die Nominierung eines Jurymitglieds auch ist, ich sehe keine Lösung.

    Ausser natürlich man klammert Projekte von am Award-Prozedere Beteiligten konsequent aus. Sagen wir bis zur dritten Kontaktebene bei Xing. Nicht, dass sonst noch der Freund eines Freundes das Projekt eines Freundes nominiert.

  6. cjakubetz

    Ich würde gerne nochmal was klarstellen. Ich habe nie von Mauschelei gesprochen – so dumm ist niemand, eine Mauschelei derart offenkundig zu machen. Ich würde mich auch unterstehen, den Kollegen irgendwelche Anwandlungen zu unterstellen, den einen oder anderen (siehe Disclaimer in den Kommentaren) kenne ich ja selber. Was mich ärgert, ist dieses Selbstverständnis, das es m.E. nicht zulässt, auch mal über einen Tellerrand hinauszuschauen und sich dabei so zu verengen, dass es dann immer sehr ähnliche Leute sind,die die Preise bekommen. Das kommt für mich in dieser Geschichte besonders drastisch zum Ausdruck: Das arme Institut, das sich auch gerne mal lauthals über mangelnde Qualität im Journalismus beklagt, das arme Institut also muss einen aus den eigenen Reihen nominieren, weil´s die anderen nicht können. Das ist zumindest die Außenwirkung, auch wenn die Beteiligten eine solche Intention runheraus abstreiten würden.

  7. Torsten

    Olaf: Nominierungskommission und Jury sind getrennt. Wäre in der ersten Stufe die Entscheidung gefallen, wäre das IMHO ein großer Unterschied.

    cj: das hat ganz einfache Gründe: Guuck Dir die Kriterien des Awards an und zähle nach, welche Projekte du für wirklich nominierenswert hälst. Es gibt leider nur relativ wenige Leute, die die Ressourcen und Talent haben, solche Online-Projekte durchzuziehen.

  8. cjakubetz

    Torsten, das ist exakt der Punkt, an dem wir auseinander liegen: Das glaube ich in dieser pauschalen Form nicht. Warum soll´s denn bitte online weniger begabte, fähige Journalisten geben als in den konventionellen Medien?

  9. Alexander

    Christian, ich fürchte, dass es schlicht bestimmte Faktoren gibt, die es großen, professionellen (nicht unbedingt konventionellen) Medien erleichtern, auch tolle Online-Projekte zu machen. Sei es, dass sie Kapazitäten mitnutzen können, dass sie Archive mit Bild- und Tonmaterial haben, dass sie ohnehin vor Ort sind — oder natürlich auch ganz schlicht, dass sie Leute und Budget haben. Die Nominierungen und Preise zeigen aber m. E. ziemlich gut, dass das weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung ist. So einen Startvorsprung können auch Privatpersonen ohne Apparat und Riesenbudget einholen, siehe etwa Spreeblick und Riesenmaschine.

    Ohne die notwendige Zeit und ohne Budget wird zum Beispiel aus völlig innovativen Plänen ein von der Form her relativ normales Blog. That’s life, aber womöglich nicht so wegweisend, dass es preiswürdig ist.

  10. cjakubetz

    D´accord.

    Ich fürchte, bei der ganzen Geschichte – die ja schon lange nicht nur auf diesem Blog, sondern auch bei den Herren Niggemeier und Don Alphonso diskutiert wird, ist ein wenig inzwischen vergessen worden, dass man ja gar nicht die Qualität der Nominierten, sondern das Prozedere kritisiert.

    Persönlich finde ich das insofern schade, als dass bspw. der Elektrische Reporter jetzt in eine Ecke gestellt wird, in die er gar nicht gehört, nämlich in die, dass er sich einen Preis mit unlauteren Mitteln holt.

    In der Blogbar ist übrigens ziemlich treffend das aktuelle Dilemma beschrieben, in das sich die Jury jetzt reinmanövriert hat. Viel mehr gibt´s dazu eigentlich nicht mehr zu sagen.

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