Eine kleine Sommerbilanz

Nachdem jetzt sogar bei uns in Bayern die Ferien bald zu Ende gehen (nicht neidisch werden, Nordlichter!) und man den Sommer insofern als fast beendet betrachten darf, ziehen wir doch einfach mal eine Art Dreivierteljahresbilanz 2007. Eine kleine Aufarbeitung von großen Ankündigungen im (zumindest diesen Ankündigungen zufolge) wichtigsten Medienjahr ungefähr seit Menschengedenken.

Focus online – im Frühjahr von Herrn Turi auf dessen „Branchendienst“ mit einem euphorisierten „wow“ begrüßt und zum Generalangreifer auf SPON ernannt.  Ist inzwischen zu einem soliden Portal geworden, mit allem zudem versehen, wovon man im tu-oh-Rausch meinte, es müsse so sein. Schöne Community, die meisten must-have-tools und auch ein paar nice-to-have-tools. Dass man zwingend auf die Idee käme, sich seine Nachrichten-Agenda des Tages dort zu holen, ist allerdings nicht der Fall, nicht wirklich jedenfalls. Was fehlt, ist so etwas ähnliches wie ein journalistisches Profil. Kommerzieller Erfolg: Legt nach IVW-Ausweisung jeden Monat solide zu, mal mehr, mal weniger. Ist jetzt bei ca. 14 Mio. Visits und damit nur noch knapp unter 60 Mio. von SPON entfernt. Der von Herrn Turi benannte Generalangriff auf die Marktführerschaft ist demnach bereits in ca. drei Jahren beendet, vorausgesetzt, SPON legt bis dahin nicht zu.

Stern.de: Von Peter Turi zum Generalangreifer auf SPON ernannt. Macht Communitys, Listenzeugs und alles, was man im tu-oh-Zeitalter…ähm…siehe oben. Dito, was journalistisches Profil angeht. Will jetzt irgendwie ganz viel mit Video machen. Von Peter Turi deswegen zum…ach nee, war ja schon.  Ist jetzt bei ca. 12,6 Mio. Visits und damit nur noch knapp unter 60 Mio. von SPON entfernt. Der von Herrn Turi benannte Generalangriff auf die Marktführerschaft ist demnach bereits in ca. etwas mehr als drei Jahren beendet, vorausgesetzt, SPON legt bis dahin nicht zu.

welt.de: Von Peter Turi nicht zum Generalangreifer auf SPON ernannt. Von der Konkurrenz ängstlich beäugt, dann einige Querschläge. Poseners Anti-Diekmann-Eintrag im Blog, Keeses Einlassungen über Disziplin beim Bloggen, einige befremdliche User-Kommentare und das Chefredakteurs-Blog-Experiment mehr oder minder auch eingestellt – es ist, sagen wir mal so, etwas ruhiger geworden um das Projekt. Keine IVW-Zahl gefunden, trotzdem die Prognose: Angriff auf die Marktführerschaft dauert noch ein bisschen.

sueddeutsche.de: Kriegt regelmäßig von Herrn Niggemeier eine reingezimmert, was Strafe genug ist. Deswegen hier außer Konkurrenz. Macht lustige Symbolfotos und Bildunterschriften, 130teilige Bildergalerien und außerdem eine Qualitätsoffensive.  IVW hält es mit Haindling: Es geht runter. Und dann wieder rauf. Prognose: schwierig.

waz.de: Lustig. Seit einem Jahr wartet die Branche. Sogar das Entwicklungsblog dümpelt. Letzter Eintrag vor knapp zwei Monaten. Prognose: Reminiszenz an die New Economy, was das Verhaltsmuster angeht. Die kleinlaute Phase ist meistens ein sicherer Beleg dafür, dass intern irgendwas furchtbar daneben gegangen ist (und ich weiß aus eigener Erfahrung, wovon ich spreche).

n24.de: Da war mal eine Offensive angekündigt. Digital sogar. Ich schau mal nach, wo sie ist, versprochen. Prognose: Jetzt lasst mich doch erst mal suchen, verdammt. 

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Chat Atkins

    Jaja, die Herren Verleger, die lassen sich eben gern als ‚General Angreifer‘ schmeicheln, in Wirklichkeit aber gleichen sie Cunctatoren, die alles Geld in bunte Klick-Gewehre und in das Plopp und Flopp von Flash-Raketen stecken, aber keinen Cent für gute Schützen investieren mögen. Der ganze Firlefanz heißt auf Festveranstaltungen übrigens ‚moderner Qualitätsjournalismus‘ …

  2. cjakubetz

    Ja. Content is king. Und dann kauft man sich wieder bei irgendeinem social-schlagmichtot-portal ein. Klasse Strategie, das.

  3. Peter Turi

    Was Herr Turi mal festhalten wollte:

    Ich war sowohl bei focus.de als auch bei stern.de nur der Überbringer der Nachricht: „Wir wollen Spiegel Online überholen“, war jeweils die Aussage der Chefredakteure, nicht meine.

    Das ist ungefähr so, als würde man den Überbringer einer schlechten Nachricht erschlagen (soll ja schon vorgekommen sein).

    Wenn man die beiden Dinge nicht unterscheiden kann (Urheber und Überbringer), kann man wahrscheinlich auch keinen Branchendienst von einem „Branchendienst“ unterscheiden. Schade eigentlich.

  4. cjakubetz

    Möglicherweise dann im Überschwang der Ironie falsch bezeichnet: Tatsächlich hätte es im korrekten Nachrichtendeutsch heißen müssen, die genannten Angebote hätten gegenüber dem Branchendienst turi2 angekündigt…however, der Tenor dieses kleinen Postings sollte nicht sein „Wie oft hat sich Peter Turi in den letzten Monaten verschätzt“. Und Branchendienst steht deswegen in „“, weil der Branchendienst tatsächlich bspw. in den Blogcharts als Blog gelistet ist. Jaja, ich weiß, das eine schließt das andere nicht aus und künftig sollte ich das mit der Ironie bleiben lassen, wenn man sie nicht sofort als solche erkennt…

  5. Thomas Mrazek

    „welt.de: (…) Keine IVW-Zahl gefunden“ – schlechte Recherche, ts …:
    „Die Welt“ wird unter D gelistet und hat zirka 7,6 Millionen Visits (zum Vergleich: Sueddeutsche.de 11,5 Millionen, FAZ.net 11,2 Millionen und der Tagesspiegel (die wollten doch „irgendwie“ auch mal angreifen) hat es im Juli aus „technischen Gründen“ nicht geschafft, zu melden; im Juni hatte der Tagesspiegel bescheidene 1,8 Millionen Visits zu melden.

  6. cjakubetz

    Auf das“D“ bin ich nicht gekommen und sollte mich wohl deswegen schämen. Und die 1,8 Mio. beim TSP wundern mich. Deren Relaunch finde ich nämlich – wie schon etliche Male gesagt – ziemlich gelungen.

  7. jolly rogers

    Am peinlichsten ist doch die WAZ-Geschichte: Großbloggerin eingekauft. Abgeschifft. Fertig.

  8. Holger

    Tagesspiegel: Im August dann 2,34 Mio visit. Also Zuwachs gegen Juni.

    Andererseits hatte der Tagesspiegel im Monat vor dem Relaunch, also im Mai, noch 4 Millionen visit. Und da stutze ich dann doch, da mir gerade bei einem anderen Relaunch hier in unserer Gegend die selbe Tendenz begegnet ist: Die Schweriner Volkszeitung verlor mit ihrem neuen Layout (seit 2. Juli) auch immerhin 25 % ihrer visit.

    Vielleicht sollte ich unser dringend überholungsbedürftiges Regionalzeitungsportal doch nicht anfassen?

  9. cjakubetz

    Oder in solides 90er-Layout zurückverwandeln.

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