Über den Umgang mit unserem Berufsbild

Vor kurzem hatte ich eine durchaus interessante Debatte mit Journalistenschülern eines ziemlich großen Fernsehsenders. Unter anderem ging es neben den üblichen berufsspezisfischen Dingen auch darum, wie wir in einem Zeitalter der digitalen Kommunikation es denn halten wollen mit dem Umgang mit unserem Zuschauer/Leser/User. Zwischendrin mal kam die (sinngemäße) Frage, wofür es denn bitte sehr eigentlich eine Zuschauerredaktion gäbe. Nicht von der Hand zu weisen, nur: In den meisten Medienhäusern gibt es so etwas nicht, weswegen die Redaktionen vor einer simplen Alternative stehen: Entweder man spricht mit den Leuten oder man lässt es bleiben.

Ich hatte ja eigentlich gedacht, dass diese „Alternative“ gar keine sei. Die Kommunikation mit dem geneigten Publikum gehört inzwischen unabdingbar zu den Grundaufgaben des Journalisten, was bedingt, auch wenn´s wehtut, dass wir auch mal über unsere Fehler sprechen müssen. Es gibt Angenehmeres, zugegeben, aber es geht nicht anders. Nur, dass uns das anscheinend immer noch ziemlich schwer fällt, selbst bei den besten Vorsätzen. Beim WAZ-Portal „Der Westen“ beispielsweise startete man am 28.10.2007 ein Korrekturblog, in dem die Chefredakteurin daselbst ankündigte, man werde sich bemühen, in diesem Blog gemachte Fehler zu korrigieren. Seitdem bringt es das Korrekturblog des Westens auf stramme sechs Einträge, was statistisch gesehen rund einen Fehler pro Monat bedeutet, darunter solche wie den, dass das Portal am 20.11. wegen eines technischen Fehlers zwischen 20 Uhr und 22.30 Uhr nicht zu erreichen war. Falls er es selber nicht bemerkt hat, freut sich der Nutzer über ein solch exorbitantes Maß an Transparenz und demütiger Einsicht.

„Gepflegten Slapstick“ nennt Kollege Fabian Mohr unterdessen das, was sich aktuell bei sueddeutsche.de abspielt. Dort steht seit einigen Wochen ein Fehler online, den man mit guten Gewissen als undramatisch bezeichnen darf. Die SZ hatte geschrieben, dass Fabian neuerdings nur noch Kommentare zulasse, in denen sich der Kommentator quasi vollständig oute. Was so ganz einfach nicht stimmt. Kein Drama, das, aber eben falsch. Fabians Versuch, diese Bagatelle zu korrigieren, führt mittlerweile zu den absurdesten denkbaren Ergebnissen. Aktueller Stand der Dinge: Der Autor des Artikels hat als Kommentator unter seinen eigenen Artikel einen Kommentar gesetzt, dass er einen Fehler begangen hat. Man muss sich das mal reintun: Statt den Fehler ganz einfach mit zwei Mausklicks zu korrigieren, steht der Fehler jetzt weiter online, mit einem Vermerk des Autors, dass in dem Artikel ein Fehler ist, den er bedauert.

Eine rationale Erklärung gibt es dafür nicht, vermutlich schon gleich gar nicht bei einem Medium, das Kommentare ohnedies nur zu Bürozeiten erlaubt. Trotzdem bleibt die Frage, warum es in Deutschland immer noch diese Unkultur gibt, Fehler einfach nicht einzugestehen und für sich selbst einen Status knapp unter der Unfehlbarkeit zu beanspruchen. Und was, zum Teufel, man eigentlich von diesen ganzen Panels halten soll, auf denen dauernd über den Wandel unseres Berufsbildes schwadroniert wird, vermutlich auch von Leuten, die Fehler einfach stehen lassen oder Kommunikationsattrappen wie Korrekturblogs ins Leben rufen.

Update, 23.16 Uhr: Ich sehe gerade, dass sich auch Stefan Niggemeier dieses Themas heute abend angenommen hat. Nachdem ich den Eindruck habe, dass man bei Journalisten, die ihr Publikum auch mal als Idiotae bezeichen, schnell zu Verschwörungstheorien neigt, vor allem, wenn es um Blogs geht, schon mal vorab der Disclaimer: Fabian ist ein früherer Kollege von mir, Stefan bin ich bisher genau einmal begegnet. Dass diese Geschichte ziemlich zeitgleich in allen drei Blogs auftaucht, ist reiner Zufall. Believe it or not.

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