Mein Leben in der Blase

Ab und an mache ich etwas, was mir erwartbar den Puls in die Höhe treibt: Ich kaufe mir eine FAZ. Und dann lese ich dort bevorzugt die Kommentare von den Leuten, von denen ich verlässlich weiß, dass unsere Sicht der Dinge weit auseinander liegt. Ich lese die Autoren, von denen ich ahne, dass mich über sie eher ärgere. Und ab und an finde ich manches von dem, was da steht, sogar richtig gut (gestehe mir das aber eher zähneknirschend ein). Ich lese gelegentlich auch die Kommentare aus der „Welt“ und wenn ich ganz hart drauf bin, dann sogar die Kolumnen von Jan Fleischhauer.

Das hat einen einfachen Grund: Gelegentlich muss ich raus aus meiner eigenen Filterblase. Zum einen, weil es mich langweilt, immer nur das bestätigt zu bekommen, was ich ohnehin weiß oder glaube zu wissen. Und von dem ich erwarten kann, dass es irgendwo in meiner Bubble auftaucht. Zum anderen, weil es in Zeiten der Timelines, Newstreams und Algorithmen fast schon wieder spannend ist festzustellen, dass es außerhalb der Blase sowohl Leben als auch andere Meinungen gibt.

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Womit ich nach ein paar Umwegen und Schlenkern endlich in meiner eigenen Filterblase angekommen bin. Sie lief mir in diesen Tagen vermehrt über den Weg, weil es jetzt ein neues Angebot gibt, das „piqd“ heißt und nach eigener Beschreibung eine Art Programmzeitung für das gute Netz sein soll. Experten kuratieren quasi das Netz für mich und suchen das raus, was sich zu lesen lohnt. Man kann die Idee gut finden (muss man aber nicht), wenn man aus der eigenen Bubble nicht raus will oder sich in ihr womöglich sogar wohl fühlt. Mich jedenfalls hat ein Unbehagen beschlichen, weil ich auf ein paar Leute gestoßen bin, die schon gerade an anderen Ecken des Netzes kursieren, von Blendle über diverse Blogs bis hin jetzt eben zu „piqd“. Das ist legitim, kommt mir aber gerade im Moment etwas absurd vor: Ich hatte noch nie so viele Möglichkeiten, die Welt aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu betrachten – und soll sie mir jetzt von den dann doch immer wieder gleichen Leuten erklären lassen?

Gleichwohl ist das ja schon erstaunlich: Da sind wir immer so verdammt aufgeklärt und aufgeschlossen in unserer digitalen Welt, benehmen uns aber dann auch nicht sehr viel anders als ein durchschnittlicher CSU-Parteitag. Ein paar haben immer die Klappe offen und erzählen uns auf den billigen Plätzen, was wir zu denken, zu lesen und zu glauben haben.

Und deshalb wird „piqd“ leider auf mich verzichten müssen, sorry. Nix gegen eure Leute, ich mag die zum größten Teil und spreche ihnen auch in gar keinem Fall irgendwas ab. Aber ich esse auch nicht jeden Tag das gleiche und gemeinsame Weltbilder waren mir schon immer etwas suspekt.

Und jetzt geht´s an den nächsten Kiosk. FAZ kaufen.

Foto auf dieser Seite: NASA/CXC/SAO/J.Hughes et al, Optical: NASA/ESA/Hubble Heritage Team (STScI/AURA),
CC BY-NC 2.0

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