Warum aus Geld keine Qualität wird

Menschen mit Anspruch an Sprache, Qualität, Unabhängigkeit und Professionalität merken zunehmend, dass solche Inhalte nicht vom Himmel fallen, sondern von Journalisten erstellt und dann auch bezahlt werden müssen.

Die Welt könnte so einfach gehen, ginge es nach Springer-Chef Matthias Döpfner und anderer Epigonen der Verlagswelt. Das Weltbild derer basiert auf ein paar simplen Grundannahmen. Es geht erstens davon aus, dass nur Journalisten und klassische Medien in der Lage sind, Inhalte mit dem entsprechenden Anspruch und der Qualität zu erstellen, von der wir immer alle gerne reden. Es nimmt zudem an, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die reuigen Online- und Kostenloskultursünder wieder zurückkehren zum bezahlten Journalismus. Und schließlich weigert man sich einigermaßen hartnäckig zur Kenntnis zu nehmen, dass es einen Unterschied gibt zwischen bezahlen und finanzieren.

Vor allem letzteres sollte man vielleicht mal endgültig klarstellen: Kein halbwegs vernünftig denkender Mensch bestreitet, dass zu ordentlichem Journalismus auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung gehört. Kein Mensch bezweifelt deshalb, dass Redaktionen solide finanziert sein müssen. Niemand hat auch nur ansatzweise ein Interesse daran, dass Billigjournalismus den Markt flutet — wobei das doch gerade der entscheidende Punkt ist: Auch zu den Zeiten, als noch kein Mensch daran dachte, dass es irgendwann mal schwierig werden könnte, für Medien Verkaufserlöse (und die sind, wohlgemerkt, etwas anderes als eine Redaktionsfinanzierung) zu erzielen, gehörten Klagen über unterbesetzte Redaktionen und lausig bezahlte Journalisten zum Alltag.

Es ist also eine Mär — und gehört zu den abgedroschensten Sonntagsreden die man halten kann: zu behaupten, dass die Qualität im Journalismus automatisch steige, wenn man nur ordentlich Erlöse generiere. Und dass umgekehrt das Sinken von Erlösen auch der einzige Grund dafür sei, wenn es mal mit der Qualität etwas hapert.  Ein paar willkürlich herausgegriffene Beispiele aus dem damals und heute dazu: Bei RTL, so berichtet der „Spiegel“ in seiner neuesten Ausgabe, arbeiten qualifizierte Fernsehjournalisten mit mehrjähriger Berufserfahrung für Tagessätze von 130 Euro im Newsroom. Das entspricht einem Stundenlohn von 16,25 Euro, alles brutto, wohlgemerkt. Gleichzeitig steht RTL möglicherweise wieder einmal vor einem Rekordjahr — oder zumindest vor einem sehr guten Jahr (interessanterweise gibt es ja zudem auch im analogen Leben genügend Medien, die ohne Vertriebserlöse auskommen, Fernsehen und Radio beispielsweise). Ich kenne einen Verleger, der seine Journalisten ebenfalls zu solchen Tagessätzen arbeiten lässt, gleichzeitig aber regelmäßig betont, dass sein Blatt immer noch sehr ordentliche Gewinne abwirft. Es gibt Blätter, die ihren Autoren nach wie vor Zeilenhonorare von 20 Cent und Fotohonorare von 10 Euro bezahlen (und gleichzeitig dieses Material auch noch online verwerten).

Und kann sich eigentlich unter den jüngeren Lesern noch jemand an den guten alten „Korrektor“ erinnern? So etwas war früher in (fast) jeder Tageszeitung Standard — jemand, der das Blatt, die Artikel nochmal gegengelesen und korrigiert hat. Heute gibt es so etwas fast nirgends mehr, obwohl vermutlich niemand bestreiten würde, dass ein nochmaliges Gegenlesen ganz sicher eine Investition in die Qualität wäre. Abgeschafft worden sind die Korrektoren in den meisten Blättern allerdings nicht im Zuge der letzten Medienkrise, sondern schon vor 20 Jahren, als die meisten Verlage noch sehr gute zweistellige Umsatzrenditen schrieben. Umgekehrt kann ich mich in den letzten Jahren an kaum einen Verlag erinnern, der sich mit größeren Investitionen in Mitarbeiter und Qualität hervorgetan hätte, auch dann nicht, als die Zeiten noch einigermaßen rosig waren. Man hat damals Einsparungen gerne mal mit Vorsorge in schlechtere Zeiten begründet, um jetzt, in den schlechten Zeiten, damit zu argumentieren, dass die Zeiten ja schlecht seien.

Auch wenn es vermutlich furchtbar altmodisch und gutgläubig klingt: Leser merken das, ob bewusst oder unbewusst. Sie bemerken, wenn sie nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ immer weniger bekommen. Und irgendwann stellen sie sich natürlich die Frage danach, ob es das überhaupt noch wert ist.  Wenn es denn also Döpfner et al wirklich um die Qualität des Journalismus ginge, müssten sie Qualitätsdebatten führen und dafür sorgen, dass erstens genügend und zweitens gut ausgebildete Menschen in ihren Redaktionen sitzen. Das ist nicht zwingend von den Vertriebserlösen abhängig (und vom vielfach geforderten Leistungsschutzrecht auch nicht).

Was erstaunt, ist das notorische Genöle. Dabei gibt es genügend (Medien-) Beispiele, die zeigen, was man macht, wenn eine Erlösquelle wegbricht: Man schafft sich neue. Man muss Privat-Fernsehen nicht unbedingt sehr lieb haben, aber es ist ein gutes Beispiel dafür. Noch bis vor wenigen Jahren hingen nahezu alle Sender am Tropf der Werbung, was nicht schlimm ist, solange die Werbung boomt, spätestens aber dann zum Problem wird, wenn die nahezu einzige Einnahmequelle plötzlich schwächer wird. Also hat man fast überall Bereiche geschaffen, die den schönen neudeutschen Namen Diversifikation tragen. Natürlich spielen dort die Werbeeinnahmen immer noch die größte Rolle, aus der nahezu einhundertprozentigen Abhängigkeit hat man sich aber befreit.

Döpfner irrt aber auch in einem anderen Punkt. Es gäbe ohne klassische Medien in den sozialen Netzwerken ja nichts mehr zu finden und zu diskutieren, glaubt er. Diskutiert werden dort tatsächlich auch Stoffe klassischer Medien. Aber wenn ihm jemand mal ein paar Accounts anlegen würde, würde er feststellen, wie viel dort eben nicht aus den Redaktionen dieses Landes landet. Sondern aus Blogs, aus Netzwerken, aus dem Netz. Das ist es doch gerade, was das Leben für viele Redaktionen so schwer macht: Sie verlieren an Relevanz in diesem riesigen Schwall von Inhalten. Und sie verlieren an Aufmerksamkeit, auch wenn Döpfner Aufmerksamkeit als solches als etwas zu vernachlässigendes ansieht, weil man mit Aufmerksamkeit nichts bezahlen könne. Das klingt sehr hübsch, was er da sagt, ist aber ebenfalls ein Denkfehler: Mit der Aufmerksamkeit kann er nicht bezahlen, sie ist aber die entscheidene Grundlage, um dann wieder Geld zu verdienen (und mit dem kann bezahlen).

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Niccolo

    Gefällt mir!

  2. Chat Atkins

    Naja – es gibt ja auch Gegenbeispiele: Die Gehälter in der taz luden und laden bekanntlich nicht gerade zur Familiengründung ein. Trotzdem galt die Zeitung jahrelang geradezu ein Durchlauferhitzer für journalistische Talente in Deutschland, weil es dafür bei der taz zur Kompensation redaktionelle Selbstbestimmung gab. Es kommt also immer auch darauf an, WOFÜR ein Schreiber wenig Geld bekommt. Ich denke daher, dass vor allem das neue verlegerische Verlangen nach einer Kombination von PR-stimuliertem ‚Bratwurstjournalismus‘ bei zugleich schwindender Bezahlung dafür sorgt, dass sich Qualität und Motivation aus vielen Medien verabschiedet haben. Auch deshalb, weil der werte Anzeigenkunde oder der geschätzte Parteifreund längst zu heimlichen Ressortchefs wurden.

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