Gutt News: Frau Hasselfeldt weiß es doch auch nicht so genau

Neues von der medialen Erregungsfront über den blendenden, brandgefährlichen Baron: Frau Gerda Hasselfeldt ist Vorsitzende der CSU-Landesgruppe in Berlin und das letzte Mal irgendwann zu Kohl-Zeiten auffällig geworden als Gesundheitsministerin. Vermutlich ist sie zudem die einzige Politikerin, die in den letzten Tagen nicht nach ihrer Meinung zu Guttenberg gefragt worden ist. Die FAZ nähert sich ihr deshalb ziemlich investigativ und stellt heute zunächst fest: „Eine Kurzfassung des Gesprächs (…) hat Frau Hasselfeldt offenbar gelesen.“ Und weiter: „Auf die Frage, ob sie das ganze Buch lesen werde, antwortete sie: Ich habe es mir bestellt, ja, und werde jetzt mal reinschauen. Ob ich es ganz lese, das wird sich zeigen.“ Das ist natürlich mal ein Ansatz, weswegen unser Mann sofort weiter nachhakt bei der Frau Hasselfeldt. Die Frage, on Frau Hasselfeldt das Buch, wenn sie es denn ganz lesen sollte, gerne lesen wird oder nicht so gerne, ist schließlich von so überragender politischer Bedeutung, dass man die Antwort kaum mehr erwarten kann. Sie lautet: „Sie sprach davon, dass sie das vielleicht im Auto oder im Zug tun werde, wobei sie am Dienstag in Berlin nicht den Eindruck vermittelte, das gerne oder interessiert zu tun.“ Hm. Aber gewiss ist, dass Frau Hasselfeldt laut FAZ die Äußerungen über die CSU „nicht nachvollziehen“ könne. Trotzdem will sie den Stab nicht ganz über KT brechen und stellt deswegen (vermutlich ebenfalls erst nach investigativem Nachfragen) fest, dass Guttenberg vielleicht eine Bereicherung für die CSU sein könne. Oder auch nicht. „Das wird sich zeigen, wenn er da ist.“ Ob die Marketingstrategie denn durchdacht gewesen sei, will unser Mann in Berlin am Ende noch wissen und Frau Hasselfeldt sagt, das sei „durchaus fraglich“, was ein Euphemismus ist angesichts der Tatsache, dass man Guttenberg in diesen Tagen wenigstens geraten hat, da zu bleiben, wo der Pfeffer wächst. Dann sagt Frau Hasselfeldt noch, dass sie ja auch nicht wisse, was Guttenberg vorhat und man denkt sich nach der Lektüre von rund 50 Druckzeilen, dass so viel Journalismus schon lange nicht mehr war in Deutschland.

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Vielleicht haben sie sich ja bei der FAZ so über den Leuchtturm des Netzwerks Recherche gefreut, dass sie dringend nochmal Haltung beweisen mussten. Sechs Seiten weiter jedenfalls stellt sich heraus, dass die Redaktion das Buch im Gegensatz zu Frau Hasselfeldt gelesen hat. Man erfährt leider nicht, ob sie das gerne oder interessiert getan hat, aber man erfährt, warum es besser ist, wenn Frau Hasseldfeldt, die CSU und der Rest der Republik von diesen brandgefährlichen 208 Seiten die Finger lässt. Neben kleinen Schnurren wie die Sache mit der indischen Ärztin schlussfolgert der Autor dann auch noch, warum Guttenberg so oder so völlig ungeeignet ist für politische Arbeit in verantwortungsvoller Position: „So minutiös beschreibt er sein chaotisches Vorgehen (…), so wortreich seine Überforderung (…), dass einem angst und bange wird bei dem Gedanken wird, dieser Mann könnte noch einmal die Geschicke Deutschlands lenken (…).“ Der Autor der Buchbesprechung, Eckhart Lohse, fand Guttenberg übrigens noch 2010 so wichtig, dass er als Co-Autor einer (zugegeben: nicht unkritischen) Biografie über Guttenberg in Erscheinung trat.

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Auch die SZ ist gestern der Frau Hasselfeldt begegnet und einigen anderen hochkarätigen CSUlern auch. Die sind deutlich weniger diplomatisch als ihre Landesgruppenvorsitzende, so viel Mumm, mit Namen dafür geradezustehen, haben sie dann aber doch nicht. Deswegen tauchen sie in der SZ dann auch als „prominente CSU-Bezirksvorsitzende“ auf . Oder Kabinettsmitglieder. Die Überschrift fragt freundlich „Ist der entrückt?“ und ins Buch geschaut haben die SZ-Kollegen auch, weswegen sie ein paar Sachen aus dem Buch erzählen können, was aber wiederum niemanden überrascht, weil man ja seit Tagen nichts anderes liest als dass Guttenberg entrückt, größenwahnsinnig und voller Hybris sei.

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Ja, und natürlich schreibt auch „Zeit online“ etwas dazu. Das ist allerdings etwas schwierig, weil die „Zeit“ mit ihrem Interview und dem Buch ihres Chefredakteurs den Stein erst so richtig ins Rollen gebracht hat. Die „Zeit“ entwickelt deswegen eine interessante Dialektik, die ungefähr so geht: Natürlich wisse man, was für ein Windhund der Guttenberg sei, darum habe man das Buch ja gemacht (falls Sie jetzt staunen, ich habe es erst auch nicht kapiert). In dem Buch würden Guttenbergs bekannte dramatische Charakterdefizite nochmal offengelegt. Man wartet irgendwie jetzt nur noch darauf, dass das Netzwerk Recherche nächstes Jahr Giovanni di Lorenzo den Leuchtturm verpasst, für diese große investigative Leistung.

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In der Marketingabteilung des Verlags jedenfalls werden sie sich die Hände reiben. Das Sarrazin-Muster greift auch hier wieder: Erst baut man jemanden auf, druckt ihn exklusiv und spektakulär vorab — und regt sich dann darüber auf, dass in dem Buch nichts wirklich Erhellendes oder vielleicht sogar etwas Skandalöses steht. Wie hoch soll die Wette sein, dass Guttenberg kommende Woche auf Platz 1 der Buch-Charts steht?

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Bernd Stuhlfelner

    Soviel Süffisanz auf einen Haufen, alle Achtung, lieber Christian Jakubetz, das ist rekordverdächtig.

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