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Wir harren übrigens schon seit kurz nach vier für Sie hier aus!

Vom Online-Journalismus heißt es gerne, vor allem schnell müsse er sein. Kurz und knackig und schnell in Häppchen konsumierbar, damit man dann das wirklich Wichtige am nächsten Tag in der Zeitung nachlesen kann. Wenn man als zusätzliche Anforderung noch hinzu nimmt, dass möglichst keine Informationen enthalten sein sollten und man das Publikum aber trotzdem irgendwie ein paar Stunden an den Bildschirm lockt, dann hat die Münchner „tz“ am Mittwoch abend ein Meisterwerk abgeliefert. Sie griff dafür zu dem für solche Zwecke überaus gut geeigneten Mittel des sogenannten Livetickers, dessen wichtigsten Merkmal es ist,  vor allem aufgeregt zu klingen. Selbst dann, wenn man sich unter normalen Umständen ein Gähnen kaum unterdrücken könnte. Die Zutaten heute: ein Hauptdarsteller, der nicht anwesend ist. Ein Vertreter des Hauptdarstellers, der eigentlich gar nicht mehr da sein dürfte, trotzdem aber da ist. Und der TSV 1860 (für alle die, die bei der bloßen Nennung des Namens nichr schon ein schallendes Gelächter ausbrechen: Das ist ein Fußballverein, der sich an einen jordanischen Investor verkauft hat, seither mit ihm im Clinch liegt und seitdem eine Daily Soap mit den irrwitzigsten Wendungen produziert, die man sich nur vorstellen kann).

tzonline

Zur Vorgeschichte: Am Montag war es aus den unterschiedlichsten Gründen zu einem heftigen Zerwürfnis zwischen dem Verein und dem Investor namens Hassan Ismaik gekommen. Die Zukunft des Vereins steht seither auf der Kippe, weil der Investor kein Geld mehr rausrücken will. Am Mittwoch Abend trafen sich, einigermaßen überraschend, Investor und Verein nochmal zu einem Krisengespräch. Nicht aber ohne die „tz“, die Wind von der Sache bekommen hatte und bereits um 16 Uhr vor Ort war, obwohl das Treffen erst um 17 Uhr stattfinden sollte. Was auf der einen Seite löblich, aus journalistischen Gründen aber problematisch ist: Was erzählt man der sabbernden Fußball-Meute eine Stunde lang, außer vielleicht, dass es kalt draußen ist, man friert und eigentlich auch mal aufs Klo müsste?  Und ja noch eine Stunde lang hin ist, der Chef aber trotzdem darauf bestand, dass man zeitig da sei? Man vertreibt sich also die Zeit mit dem Hinweis, dass das Treffen nicht am Vereinsheim stattfindet, dass vermutlich ein paar Leute komme oder vielleicht auch nicht, um dann um 16.40 Uhr, 20 Minuten vor Beginn, in fetten Lettern meldet:

Noch hat sich keiner der Protagonisten blicken lassen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Das ist an sich wenig überraschend, weil das Treffen auch offiziell noch gar nicht begonnen hat; man weiß jetzt aber: Man kann beruhigt sein, weil unser Mann auf keinen Fall die Stellung verlassen oder womöglich sogar doch aufs Klo gehen wird, komme da nicht, wer da wolle. Das ist auch gut so, weil man die kommenden 20 Minuten allerhand Aufregendes erfährt: Der Präsident des Vereins beispielsweise kommt um 16.53 Uhr an und raucht noch eine Zigarette, eher er den Tagungsort betritt.  Um 16.54 Uhr erscheint ein Aufsichtsratsmitglied, raucht keine Zigarette, geht aber trotzdem rein. Der Investor persönlich, so erfahren wir en passant, wird heute nicht dabei sein, sich aber vertreten lassen. Dann passiert 40 Minuten ungefähr nichts. Unser Mann vor Ort bleibt trotzdem standfest, geht nicht aufs Klo, und vertreibt uns die Zeit ein wenig mit netten Anekdoten. Beispielsweise, dass 1860 einen neuen Stürmer kaufen soll. Das hat zwar mit der aktuellen Sitzung ungefähr nichts zu tun, ist aber trotzdem irgendwie nett.

17.46 Uhr! Jetzt, jetzt könnte was passieren. Unser Mann informiert uns sicherheitshalber nochmal darüber, dass diese Sitzung NICHT am Vereinsheim in der Grünwalder Straße stattfindet; könnte ja sein, dass Sie das in den letzten jetzt dann doch fast zwei Stunden wieder vergessen haben. Und er lässt Details seiner überaus raffinierten Arbeitsweise durchsickern, aber, hey, psst, niemandem verraten!

Anders als die Aufsichtsratssitzung am Montag findet das heutige Treffen nicht an der Grünwalder Straße statt, sondern in der Münchner Innenstadt. Wir haben uns dezent, aber mit gutem Blick postiert und informieren Sie, sobald einer der Beteiligten durch die Tür kommt.

Spätestens jetzt ahnen wir: Dranbleiben, hier passiert gerade Großes – und dank der „tz“ und ihrem Undercover-Einsatz sind wir Zeuge, wie Fußball-Geschichte geschrieben wird. Es wird jemand durch die Tür kommen (vielleicht)! Und wir werden sofort live informiert!

17.56 Uhr: Mist, der Scoop ist geplatzt! Das Treffen habe sich anscheinend herumgesprochen, es tauchen mehr und mehr Reporter auf, lässt uns der tz-Reporter mit leicht enttäuschtem Unterton wissen. Nicht aber ohne mitzuteilen:

Wir waren bereits um kurz nach 4 für Sie vor Ort.

Tiefe Dankbarkeit durchströmt uns – seit 4 (er meint vermutlich 16 Uhr) steht er da, gut getarnt, Blick auf die Tür,  geht nicht aufs Klo, beobachtet den Präsidenten beim Zigarettenrauchen. Und jetzt, Achtung, jetzt lässt er, quasi als Bonus, die Bombe platzen:

18:01 Uhr: Dieter Schneider ist ein verlässlicher Mann – das zeigte sich einmal mehr an der Pünktlichkeit des Präsidenten. Sieben Minuten zu früh war er dran, und das obwohl die Parkplatzsituation an der Maximilianstraße nicht gerade einfach ist. Es gibt auch ein nahegelegenes Parkhaus: Tarif: sechs Euro pro Stunde.

Drei Minuten später legt er nach, unser Mann, in sanftem Crescendo, ein Feuerwerk, das sich langsam seinem furiosen Feuerwerk nähert:

18:04 Uhr: Schneider trug bei seiner Ankunft den selben warmen beigen Mantel, den er auch schon am vergangenen Montag anhatte, als die Aufsichtsratssitzung anstand.

Ja, ja, jaa!!!! Mehr davon bitte! Und tatsächlich, unser Mann hat genauestens hingeschaut, gut postiert, präzise beobachte (er ist ja auch schon seit 4 da):

18:16 Uhr: Weitere Beobachtung am Rande: Bei seiner Zigarette warf Dieter Schneider einen Blick ins benachbarte Schaufenster. Dort hängt unter anderem ein Strickkleid in Bordeaux für 599 Euro. Ob er dabei an Gatin Gipsy gedacht hat? Der Preis ist jedenfalls nicht ohne.

Ok…puh. Das haut rein. Aber zurück zu den Fakten, was passiert drinnen? Nicht viel, aber, gut zu wissen, unser Mann beteuert nochmal ausdrücklich:

18.19 Uhr: Sobald jemand durch die Tür kommt, erfahren Sie es natürlich in unserem Live-Ticker.

Das allerdings dauert noch ein wenig; kein Wunder, bei einem Präsidenten, der vorher in aller Gemütsruhe noch eine raucht und sich passende Kleider für seine Frau zu Preisen anschaut, für die man einen durchschnittlichen Löwenspieler beinahe einen Monat lang bezahlen kann.

19.07 Uhr ist es inzwischen, drei Stunden sind in diesem nervenzerfetzenden Krimi bereits vergangen.  Einmal war einer an der Tür, ist auch rausgegangen, hat aber nur gesagt, dass es nix zu sagen gibt. Dafür sind wieder welche gekommen, Kollegen aus der ganzen Stadt, ach was, vermutlich aus der ganzen Welt. Lassen wir unseren Mann also mal aufzählen:

Inzwischen ist die Presse übrigens sehr zahlreich hier. Alle großen Münchner Zeitungen sind da, dazu mehrere Radio- plus zwei Video-Kollegen.

Wobei wir bitte aber nicht vergessen sollten:

Wir harren übrigens schon seit kurz nach vier für Sie hier aus – in der Kälte der Maximilianstraße und auf einem warmen Plätzchen in Sichtweite.

Um 20.14 Uhr dann die dramatische Wendung – war womöglich alles umsonst, der ganze Kampf, die Tarnung, das Ausharren seit 4 Uhr? Geht womöglich heute gar keiner mehr durch die Tür??

Angeblich stahlen sich die Beteiligten vor einer Dreiviertelstunde davon. 

Durch die Tiefgarage! Diese Säcke! Das hat man ja nun echt nicht ahnen können (note to self: nächstes Mal ab 4 Uhr auch ein gut getarntes Plätzchen an der Tiefgarage durch den Praktikanten besetzen). Doch einer wie unser Mann gibt nicht auf:

Wir versuchen derweil, telefonisch an Informationen zu kommen. Vielleicht sitzen sie ja doch noch dort oben. Wir warten derweil vor dem Ausgang – und tickern in der Kälte weiter.

20.35 Uhr: Es ist aus. Vorbei. Das war´s. Die letzte Meldung läuft über den Ticker:

20:35 Uhr: Wie die Pressestelle eben offiziell bestätigt hat, ist das Treffen beendet.Wir versuchen weiter telefonisch, an Stimmen zu kommen. Diese finden Sie gegebenenfalls später auf unserem Portal. Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit.

Und wir? Sinken ermattet zurück auf die Couch, können uns immer noch kaum lösen vom Bildschirm, der uns jetzt über dreieinhalb Stunden in seinen Bann geschlagen hat. Wenn es Liveticker nicht gäbe, irgendjemand müsste sie erfinden.

(PS: Das ganze Stück zum Nachlesen gibt es hier).

Dieser Beitrag hat 16 Kommentare

  1. Bernd Stuhlfelner

    Tja, lieber Kollege Jakubetz, da macht eine Online-Redaktion so ziemlich exakt das, was der Medienexperte und -dozent Jakubetz immer fordert und lehrt, und dann ist es auch nicht recht.

  2. Thomas Mrazek

    Fairerweise solltest Du auch folgendes erwähnen, zum einen, dass Du für den „tz“-Mitbewerber „Abendzeitung“ zum Thema Fußball bloggst (http://tribuenenblog.abendzeitung.de/) und zum anderen, dass die „Abendzeitung“ an jenem Abend auch einen Liveticker anbot, der ähnliche Pretiosen lieferte (http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.ticker-nachlese-friedensgipfel-1860-und-ismaik-naehern-sich-an.df55d422-b702-46e6-ab60-fc982b919509.html):

    „20:02 Uhr: Nach AZ-Informationen ist das Gespräch längst beendet. Gegen 19.30 Uhr verließen die Löwen-Bosse das Gebäude durch die Tiefgarage.

    20:00 Uhr: Das Gebäude besitzt übrigens auch eine Tiefgarage. Durchaus möglich, dass die Löwen-Bosse durch diese unbemerkt fliehen.

    19:55 Uhr: Langsam leert sich die Maximilianstraße. Nur die Reporter bleiben geduldig vor Ort.

    19:48 Uhr: Von außen ist übrigens nichts zu sehen. In einigen Räumen hinter der Glasfassade brennt noch Licht, Personen sind nicht zu erkennen.

    19:44 Uhr: Die Anzahl der Journalisten nimmt immer weiter zu. Zeitungen, Fernsehen, Radio, alles vertreten.

    19:29 Uhr: Weiter warten. Zur Tagesschau schafft es Dieter Schneider wohl nicht mehr nach Hause.

    19:21 Uhr: Ob Hasan Ismaik mitliest? Der ist auf dem Heimweg und wartet gespannt auf den Ausgang, den ihm Hamada Iraki mitteilen wird.

    19:10 Uhr: Die Lokale rundherum füllen sich. Fraglich, ob es nebenan genauso harmonisch zugeht.

    18:20 Uhr: Es ist dunkel geworden, die Maximilianstraße leuchtet. Das Gespräch läuft weiterhin.“

    Und ganz möchte ich dieses Format nicht verpönen, als – leider immer noch – irgendwie Löwen-Süchtiger sind solche Informationsschnipsel wichtig für die Zielgruppe und man sieht sie mitunter auch cum grano salis; in der verruchten Löwen-Bar (bestens bekannt und beliebt bei der „AZ“, schreiben wir zuweilen schon im Vorfeld die Liveticker.

    Ob es denn Journalismus weiterbringt? Es schadet ihm zumindest nicht, wenn es nicht ganz so trashig ist, sach ich mal. Und die „AZ“ sucht ja seit gestern erfreulicherweise weitere feste freie Kollegen (http://www.newsroom.de/jobs/detail/65370), die u.a. ausdrücklich auch dieses Format bedienen sollen (für 60, da besteht wohl Burnout-Gefahr; den Glubb und die SpVgg Fürth – nebenbei wünsche ich der „Abendzeitung“ viel Erfolg dabei und wünsche mir, dass sie sich dort irgendwie etablieren kann!)

    Wow, wieder 20 Minuten Arbeitszeit verdaddelt; bei Onlinejournalismus.de haben wir übrigens schon 2008 über das (Un)Wesen der Live-Tickerei nachgedacht, die URL spricht für sich: http://www.onlinejournalismus.de/2008/05/21/daum-beim-koelner-express-tickt-man-durch/

  3. cjakubetz

    Ich hab gar nix Generelles gegen Liveticker. Aber es ist restloser Schmarrn, drei Stunden lang zu schreiben, dass gerade nix passiert. Das gilt aus meiner Sicht auch für andere Formate in anderen Medien. Ich finde ja auch diese Aufsager so sinnloser, wo irgendjemand mit dem Mikro vor einem Haus steht und alle halbe Stunde wiederholt, es gebe jetzt leider noch nichts Neues zu erzählen. Dann lasst es halt 😉

    Mit dem Thema hat´s auch nichts zu tun, natürlich mag ich auch wissen, was bei 1860 ist. Aber was ist das für ne Logik? Wenn nichts los ist und nichts zu berichten ist,dann gibt´s halt nix. So einfach. Ich finde, das ist eine der größten Unsinn im digitalen Journalismus geworden, auch dann dauernd irgendwas in die Welt zu posten, wenn überhaupt nichts passiert.

    Und der Korrektheit halber: Ich blogge für die AZ freiberuflich, habe aber zur tz wie auch geartetes Konkurrenzverhältnis und halte auch den AZ-Ticker keineswegs für eine Offenbarung. Und mir ist auch klar, dass die einzelnen Tickerer gar nicht anders können, als Nichtigkeiten zu schreiben, wenn gar nichts passiert. Die Idee ist das Problem, nicht die Leute.

  4. Thomas Mrazek

    Noch eines sollte man erwähnen, was diese mitunter übertriebene und herrlich hysterische Live-Tickerei in München befördert: Ein Blogger ist meines Erachtens „schuld“!

    Ex-„AZ“-Sportredakteur (dort von 1999 bis 2010 hauptsächlich für 60 zuständig) Oliver Griss betreibt seit 2011 mit http://dieblaue24.de ein Internet-Portal über den TSV 1860, welches offenbar recht gute Resonanz findet und so auch einige Besucher von den anderen Medien abzieht.

    Über Stil und Inhalte dieses monothematischen Blogs könnte man auch streiten, doch er macht das offenbar ganz gut und belebt den Markt. Und für die „AZ“ Online ist 60 nun mal tatsächlich ein Quotenbringer, da muss man auf allen Kanälen um die Nutzer buhlen, allzeit präsent sein und womöglich auch mal das Risiko von drei Stunden Ticker-Leerlauf in Kauf nehmen.

  5. Kerstin Fritzsche

    Da brauch man gar nicht lang drum rum schreiben und lamentieren: Hier wurde einfach das falsche Stilmittel eingesetzt, Punkt.
    Soll ja bei Print auch öfters mal vorkommen. Hoffentlich wurde dann für die Nachricht, dass nun das Treffen beendet ist, wenigstens das Tool „Eilmeldung“ eingesetzt! 😉

  6. cjakubetz

    @Thomas: Kein Münchner Phänomen, kein Phänomen von AZ oder tz, kein Fußball- oder 60-Phänomen. Diese Tickerei nimmt einfach komplett überhand und wird oft auch dann eingesetzt, wenn sie gar keinen Sinn macht, z. B. bei Nullereignissen. Siehe auch Kommentar von Kerstin Fritzsche…nix gegen Ticker, aber eben nur dann, wenn sie angemessen sind und so etwas ähnliches wie Inhalt liefern können.

    @Bernd Stuhlfelner: Ich hoffe, Sie sind mit dieser Erklärung so halbwegs zufrieden. Dass ich jemals gefordert habe, Redaktionen sollen die Welt drei Stunden mit Nicht-Information quälen, müssten Sie mir dann vielleicht nochmal zeigen. Ich kann mich nicht daran erinnern.

  7. Thomas Mrazek

    @Christian: Stimme Dir ja auch zu, aber aufgrund der besonderen Konkurrenzsituation hier in München würde ich es mir als Verantwortlicher nicht erlauben, selbst über so ein Nullereignis (wie es sich erst im Nachhinein erwies) mal loszutickern. In dem Fall gings halt in die Hose respektive war einfach unangebracht. Blöd das.

    @Kerstin: Ich prophezeie Euch schon mal den Lilien-Abstiegsticker (was ich übrigens schade fände, den Abstieg).

  8. Lutz Kuppinger

    Christian,

    jetzt hau nicht so auf unseren Livetickern rum. In der Tat war gestern überhaupt nicht abzusehen, wie das Ergebnis sein wird. Es hätte auch verkündet werden können, dass die Löwen Trainer und Manager rausschmeissen und 5 Bundesligaspieler kaufen. Und ja: die Liveticker sind natürlich absolute Quotenbringer. Es gibt wirklich viele Menschen, die minütlich drauf warten, was rauskommt, und die wollen bedient werden. Also, wers mag, kann mitlachen, wer nicht, liest am nächsten Tag das (Nicht-)Ergebnis in der Zeitung nach. Oder doch online?

  9. Moki

    Ich kenne mich mit solchen Veranstaltungen zwar nicht aus. Aber dennoch glaube ich zu wissen, dass es unwahrscheinlich ist, dass alle 10 Minuten jemand vor die Tür kommt, um eine Wasserstandsmeldung abzugeben. Von daher ist der Ticker echt totaler Quatsch. Eine Eilmeldung sobald es was zu eilmelden gibt wäre wohl angebracht gewesen. Mit einem Ticker über Nicht-Ereignisse bindet man im ersten Moment Leser, die erwarten, dass sie minütlich auf dem Laufenden gehalten werden. Und wenn sie am Ende merken, dass sie stundenlang nur veräppelt wurden, wenden sie sich verärgert ab. Der Schuss geht also am Ende nach hinten los…

  10. Zwenn

    Keine Frage, der Inhalt der Ticker ist quasi null. Und darüber kann man sich auch mal lustig machen.
    ABER:
    1. Lutz hat es schon angesprochen – dass nix passiert, weiß man immer erst hinterher.
    Okay, eine Eilmeldung hätte es dann vielleicht auch getan. Doch …
    2. ist die Konkurrenz tatsächlich ein Problem bzw. Argument. Wer mitbekommt, dass da ein Treffen anberaumt ist, auf der A-Seite dazu aber nichts findet, der versucht es halt auf der B-Seite, notfalls auch noch auf der C-Seite. Ich würde die Leute auch nicht weggehen lassen (bzw. wegschicken). Ein Live-Ticker (selbst ohne Inhalt) bindet und sagt: Bleib hier! Wenn etwas passiert, dann erfährst Du es hier zuerst.

  11. cjakubetz

    Ich seh den Punkt schon, vor allem den mit der Konkurrenz. Aber da bin ich eher bei Moki: Wenn ich jetzt drei Stunden vor nem Ticker sitze und da werden drei Stunden lang Nichtigkeiten getickert, bleib ich dann ernsthaft dabei? Ich glaube, dass das sogar kontraproduktiv ist. Was hat der Kollege denn signalisiert (wofür er nix kann)? Ich steh draußen vor der Tür, darf nicht rein, weiß auch nix und vermutlich sagt auch keiner was. Ich weiß nicht, ob das dem Image wirklich zuträglich ist. mein Eindruck nach der Lektüre war jedenfalls nicht, dass da Insider am Werk sind. Eher im Gegenteil.

    Dass man da hin muss, dass man versuchen muss, an Infos zu kommen, steht außer Frage. Aber drei Stunden meine eigene Ahnungs- und Bedeutungslosigkeit zu tickern…

  12. cjakubetz

    Lutz, es gibt einen Unterschied zwischen Hingehen (ja, muss man) und dem Tickern von Nichtigkeiten (nein, muss man nicht)…du siehst meinen Punkt?

  13. Heinrich Hall

    Danke für den schönen Beitrag. Ich glaube, es gäbe eine sehr elegante Lösung für das Problem der Live-Berichte über nicht stattfindende oder nicht sichtbare Ereignisse.

    Die Liveticker-Bestücker von AZ und TZ könnten sich die langen Stunden des einsamen Wartens und die damit einhergehenden Zweifel am Sinn des Ganzen verkürzen, indem sie den jeweils anderen Liveticker in ihre Berichterstattung einbeziehen. In etwa so:

    AZ 16.05: Der Kollege von der TZ ist schon hier. Sieht aus, als ob er friert. Sonst scheint nichts zu passieren. Wir informieren Sie, sobald sich das ändert.

    TZ 16.07: AZ-Tickerautor gerade angekommen. Er trägt eine braune Windjacke. Hat sich einen zugigen Platz ausgesucht. Ansonsten ist nicht viel los, außer dass die AZ eben unsere Ankunft getickert hat.

    AZ 16.09: Der TZ-Kollege hat um 16.07 über meine Jacke getickert. Jetzt zündet er sich eine Zigarette an.

    TZ 16.12: Die Sitzungsteilnehmer sind noch nicht hier. Der AZ-Mensch betrachtet ein Schaufenster mit Socken.

    AZ 16.15: Ha! Da hat die TZ nicht richtig aufgepasst. Es sind Handschuhe. 24.99 das Paar. Falls sonst etwas passiert, berichten wir Ihnen selbstverständlich sofort…

    TZ 16.17: Immer noch nichts zu sehen. Der AZ-Kollege trägt wollenene Handschuhe. Dafür hat er seinen Schirm vergessen…

    Und so weiter. Das würde beide Liveticker erheblich aufwerten und mit spannendem Material füllen, dass es nur so kracht. Es hätte zudem den Vorteil, dass das ursprünglich zu tickernde Ereignis immer mehr in den Hintergrund rücken würde. Letztendlich könnten die Kollegen sich auch ganz ohne Anlass gegenseitig betickern.

    Also, hoffen wir, dass sie auch auf diese Idee kommen. Wenn es so weit ist, richte ich einen Blog ein, der die beiden Liveticker beobachtet und zeitnah analysiert.

  14. Twix Raider

    Das Ganze ist quasi eine Umkehrung des Polizeibefehls „Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen!“. Gäbe es „Warten auf Godot“ noch nicht, könnte man aus der der Leere der Livetickerei ein Theaterstück machen.

  15. sieratschki

    Das Ganze erinnert mich doch sehr an den Torfall von Madrid, nur in schriftlicher Form …

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