Aber dürfen haben wir uns nicht getraut

Mögen hätt‘ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut! (Karl Valentin)

Man kann das geplante Leistungsschutzrecht ablehnen. Und gleichzeitig dafür sein, dass es erheblich erweitert wird. Das klingt zwar absurd, aber der DJV bekommt das in seiner ganzen Unentschlossenheit hin. Die Argumentation geht in etwa so: Wir sind explizit nicht für das Leistungsschutzrecht, sprechen uns aber auch nicht explizit dagegen aus. Wir glauben, dass wir es so oder so nicht verhindern können und deshalb versuchen wir, das aus unserer Sicht Beste herauszuholen. Man kann das Pragmatismus nennen. Oder auch Kontur- und Ideenlosigkeit unter Verzicht auf eine klare Haltung.

Nun kommt es ja eher selten vor, dass man sich immer und zu jedem Thema mit einem Verband, dem man angehört, auch identifiziert. Gerade in einem Journalistenverband müssen widersprüchliche Positionen Alltag sein, man muss das als Journalist auch aushalten können. Beim DJV und mir verhält es sich inzwischen aber absurd umgekehrt: Es sind nicht einige wenige inhaltliche Abweichungen, die ich zwischen dem Verband und mir sehe – es ist eher die Ausnahme, wenn ich etwas von „meinem“ Verband höre, bei dem ich mir denke: Wo darf ich unterschreiben? Bei nahezu allen Äußerungen zum Thema Digitalisierung werde ich das Gefühl nicht los, dass das ein Begriff ist, den man im Verband maximal ein- bis zweimal gehört hat. Ich habe nicht den Eindruck, als gäbe es vom DJV auch nur eine einzige zukunftsweisende Position zum Thema Netz. Ich weiß nicht, ob der Verbandsvorsitzende Michael Konken sich jemals intensiv mit dem Internet beschäftigt hat. Ich weiß nur, dass bei Konken und im Verband Reflexartiges passiert, wenn sie Begriffe wie Google hören. Um Google irgendwie bremsen zu können, nimmt man im DJV sogar ein Recht im Kauf, das purer Lobbyismus ist und von dem zumindest sehr in Frage steht, ob die Mitglieder die Haltung des Verbands überhaupt untertstützen.

Ja, ich weiß: Auch im DJV laufen engagierte Kollegen rum, die die ganze Tragweite der Digitalisierung verstanden haben und wissen, dass es so wie bisher nicht weiter gehen wird (diejenigen, die ich meine, wissen, dass sie gemeint sind). Aber alles in allem werde ich das Gefühl nicht los, dass der DJV inhaltlich immer noch irgendwo um die Jahrtausendwende steckengeblieben ist.  Dass dort immer noch der Gedanke vorherrscht, digitaler Journalismus sei bestenfalls dazu da, den analogen zu retten. Wie sonst käme man auf die Idee, ein Leistungsschutzrecht zu fordern? Oder sofort nach staatlichen Subventionen zu rufen, wenn es den Zeitungen nicht gut geht (eine Forderung übrigens, die auch BDZV-Chef Helmut Heinen für absurd hält)?

Der Rest: So furchtbar viele Platitüden, so viel Erwartbares. Wenn eine Redaktion personell ausgedünnt oder womöglich sogar ganz geschlossen wird, dann sagt der DJV, das dürfe jetzt aber nicht zu Lasten der Redaktion gehen. Überhaupt darf ganz vieles nicht sein, wenn man der Wortwahl des Verbandes glauben darf. Warum eigentlich nicht? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf oder doch eher umgekehrt? Ich wüsste in solchen Momenten ja meistens auch viel lieber, was man da jetzt konkret machen kann. Stattdessen: Viele Aufforderungen und so mittelscharfe Kritiken und das ganze Getöse, man sei ein starker Verband, der irgendwie stark sei. Mir wäre es nur lieber, es wäre ein Verband, der mal ganz an der Spitze von Entwicklungen steht und nicht ihnen dauernd hinterher hechelt.

Jedenfalls: Ich habe mich viele Jahre mit dem Verband gequält. Ich finde es immer noch generell wichtig und gut, dass es eine Journalistenvertretung gibt. Ich habe mich immer schwer getan mit dem Gedanken, dort mal auszutreten. Das neueste Rumgeiere – wir wären ja gerne dagegen, wenn es Sinn machen würde – war mir eines zuviel.

Ab morgen ist es vorbei.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Andrea Kamphuis

    Ich kann sowohl diesen Schritt als auch das lange Hadern gut nachvollziehen. Auch zwei Jahre nach meinem ver.di-Austritt (aus ganz ähnlichen Gründen) bedaure ich noch regelmäßig, dass ich nun nicht mehr in einer Gewerkschaft bzw. einem Berufsverband bin. Aber drin sein, täglich in der interen Kommunikation gegen wohlplatzierte Wände laufen und aus der Presse erfahren, für welche fortschrittsfeindlichen und unverständigen Grundsatzbeschlüsse ich nun wieder geradestehen soll – das war noch schmerzhafter.
    Viele Grüße – auf bessere Zeiten, in denen wir wieder eine berufspolitische Heimat finden.

  2. Moki

    Austreten aus dem DJV halte ich für den genau falschen Schritt. Denn verglichen mit anderen Gewerkschaften halte ich den DJV für einen relativ schwachen Verband. Das ist einerseits schlecht, wenn es darum geht, sich für seine Mitglieder effektiv einzusetzen. Wann gab es zum Beispiel mal den letzten ernsthaften Arbeitskampf bei der schreibenden Zunft – abgesehen von kleinen Veranstaltungen wie dem Streik beim Schwarzwälder Boten?
    Andererseits: Wer im DJV wirklich was verändern will, kommt relativ schnell voran, gerade weil es insgesamt wenige und vor allem wenig wirklich aktive Mitglieder gibt.
    Daher: nicht austreten, sondern aktiv werden und für die richtigen Positionen im Verband werben!

  3. Michael Anger

    Danke, Moki, für diese Äußerung. Ich würde dem „schwach“ ja gerne heftig widersprechen, vielleicht schaff ich wenigstens mittelstark. Immerhin, etwas mehr als die Hälfte aller hauptberuflich tätigen JournalistInnen in Deutschland sind bei uns Mitglied. Das „Denk- und Kampfpotenzial“ ist also vorhanden. Sind wir als Bundesvorstand zu dumm, es zu aktivieren? Früher erschien das einfach, weil die Verleger im Tarifsystem waren. Ein gescheiter Streik und für zwei Jahre war Ruhe. Wir bringen auch heute noch an einem Tag 3000 Zeitungskollegen zu einer zentralen Kundgebung zusammen. Aber halt nicht 4 Wochen lang. Und mehr als die Hälfte der Zeitungstitel ist nicht mehr im Tarif, d.h. spezielle Lage, spezielle Rechtssituation, spezielle Maßnahmen. Wir müssen uns in diesem Bereich schon zersplittern. Zudem: Im Verlegerverband sind so rund 300 Firmen organisiert, im DJV 15.000, nämlich alle Freien. Jeder von uns ist eine eigene Firma mit eigenen Kunden, eigenen Verträgen, eigener Rechtslage, eigener Befindlichkeit. Der DJV hält es für besser, möglichst vielen KollegInnen, denen es mies geht, gerecht zu werden und etwas für sie herauszuholen, statt mit erhobener moralischer Flagge das Schlachtfeld zu räumen.
    Wenn eine Regierung alles versucht, Verlegern mittels der Arbeit von Journalisten einen Haufen Geld zu verschaffen, muss ich als deren Vertretung auf der Hut sein und sagen: Stop! So etwas geht natürlich nur, wenn das und das zugunsten der Journalisten berücksichtigt wird. Wir haben uns das „Nein“ verkniffen. Stimmt, aus Pragmatismus. Soll ich denn meinen Mitgliedern im Zweifelsfalle sagen: „Tja, wir konnten das Gesetz nicht verhindern und jetzt stecken die bösen Verleger 100% ein, aber dafür prozessieren wir jetzt dagegen. Kann so 10 Jahre dauern.“ Nein, kommt nicht in Frage. Lieber gelte ich bei wenigen als unmoralisch denn bei allen als blöde.
    Kollege Jakubetz, wir haben uns am Rande von Veranstaltungen oft die Meinung gesagt. Und ich sage auch jetzt wieder: Nicht nur danebenstehend mosern, sondern mitten rein in die Verbandsdiskussionen, und dort die eigene Meinung vertreten, wo die Linie des DJV bestimmt wird. Das machen nämlich nicht nur die sieben irgendwo da oben, sondern alle 37.000. Wenn sie nur wollen.

  4. Moki

    Ich verstehe es nicht, wie es heimlich still und leise über Jahre und Jahrzehnte dazu kommen konnte, dass immer mehr Verlage aus dem Tarif aussteigen. Denn ihre Angestellten sollten doch eigentlich von Berufs wegen kritische Nachfrager und unbequeme Geister sein. Doch sie lassen sich wie die Lämmer zur Schlachbank führen, wenn es um die eigene Branche geht. Dass ausgerechnet Journalisten so viel Mist mit sich machen lassen, wenn es um ihre Rechte geht, während sie durchs Land streifen und das Unrecht anderer anprangern, ist für mich ein Paradox, das ich nie verstehen werde.

  5. Peter Jebsen

    Mein geschätzter DJV-Bundesvorstandskollege Michael Anger hat die wichtigsten Aspekte schon trefflich auf den Punkt gebracht.

    Daher will ich vor allem auf Mokis letzten Kommentar eingehen: „(…) Ihre Angestellten sollten doch eigentlich von Berufs wegen kritische Nachfrager und unbequeme Geister sein. Doch sie lassen sich wie die Lämmer zur Schlachtbank führen, wenn es um die eigene Branche geht.“

    Genau deswegen stimme ich dir zu: „Austreten aus dem DJV halte ich für den genau falschen Schritt.“

    Du erwähntest einen Streik beim Schwarzwälder Boten. Ich habe 2012 in einem anderen vergleichweise kleinen Bereich erlebt, wie erfolgreich solidarische KollegInnen, Gewerkschaften und Betriebsräte sein können, wenn sie gemeinsam agieren: Unter anderem durch mehrere Arbeitskampfmaßnahmen hat die bis Mitte 2012 in der Axel Springer AG angesiedelte Redaktion der COMPUTERBILD-Gruppe, die danach in eine tariflose Tochter-GmbH ausgegliedert wurde, den nach Meinung von DJV- und ver.di-Experten besten Sozialplan erkämpft, den es je für Redakteure und redaktionelle Mitarbeiter des Hamburger Springer-Standorts gab.

    Die Einflussmöglichkeiten von allein operierenden Gewerkschaften und Betriebsräten sind begrenzt. Das persönliche Engagement der KollegInnen, für die sie sich einsetzen, ist von essenzieller Bedeutung! In der COMPUTERBILD-Gruppe traten die betroffenen KollegInnen binnen kürzester Zeit mehrheitlich den Journalistengewerkschaften bei und konnten dadurch effektiv an einem Strang ziehen.

    Ich wiederhole Mokis Forderung: „Daher: Nicht austreten, sondern aktiv werden und für die richtigen Positionen im Verband werben!“

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das mühsam sein kann. Wenn man Positives erreichen will, sehe ich aber keine Alternative. Je härter die Zeiten werden, desto wichtiger ist es, die Kräfte zu bündeln!

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