Die Kanalarbeiter-Fraktion des DJV

Gelegentlich frage ich mich, in welchem Verband ich da eigentlich Mitglied bin. Und warum.  Der Deutsche Journalistenverband jedenfalls bringt es quartalsweise fertig, mich so zu erstaunen, dass ich mir immer kurz vor der Abbuchung der nächsten Quartalsbeiträge überlege, ob ich mir das wirklich noch länger antun will. Beim aktuellen Verbandstag des DJV in Kassel jedenfalls hat der Bundesvorsitzende Michael Konken der eigenartigen Mischung aus Platitüden und Unsinn, die er gerne mal verwendet, eine noch abenteuerlichere Mischung aus Platitüden und Unsinn hinzugefügt. Wobei diesmal leider das Schwergewicht auf dem Unsinn lag.

Den deutschen Tageszeitungen geht es nicht mehr so richtig gut. Wie man das im Einzelnen bewertet, ist natürlich Geschmacksfrage. Sicher aber ist, dass wir in den letzten Monaten eine ganze Reihe unerfreulicher Nachrichten gelesen haben und es nicht absehbar ist, wann diese Reihe endlich abreißt. Michael Konken ist deswegen auf die wunderbare Idee gekommen, man könne doch eine Art öffentlich-rechtliche Finanzierung für Print-Redaktionen in Erwägung ziehen. Das könnte man als amüsanten Unsinn abtun, wenn dahinter nicht ein anderes Problem läge. Sieht man mal von einer ganzen Reihe politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Probleme ab (sie alle hier aufzuzählen, würde sogar den Umfang eines Blogs eindeutig sprengen), zeigt eine solche Überlegung, wie wenig Konken und womöglich auch der Verband die Problematik des Medienwandels überhaupt durchdrungen haben. Einen bestimmten Datenträger durch eine Zwangsabgabe retten zu wollen, das ist schon im Ansatz so grundfalsch, dass ich nicht wüsste, wo ich anfangen soll, mich argumentativ mit einer solchen Idee auseinander zusetzen. Zum anderen: Zeitungen an solche, wenn man sie ausschließlich als gedrucktes Werk sieht, werden nicht zu retten sein. Die Frage ist durchaus berechtigt: Muss man das überhaupt?  Welch absonderliches Verständnis steckt dahinter, wenn ein Vorsitzender eines Verbandes Zeitungen retten will, nur weil sie auf Papier erscheinen? Wohl gemerkt: Konken sprach ausdrücklich nicht von Journalismus, den er in irgendeiner Weise zu retten gedenke. Er sprach von Zeitungen, von gedrucktem Papier.

Dabei ist die Sache doch eigentlich ganz einfach. In Deutschland ist nach wie vor nahezu jeder Verlag in einer solchen wirtschaftlichen Lage, dass er jetzt noch gegensteuern könnte. Selbst wenn es das gedruckte Papier einmal nicht mehr geben sollte, es wird weiterhin Bedarf an Journalismus geben. Jeder Verlag ist in der Lage – theoretisch wenigstens – sich so aufzustellen, dass er für die Post-Papier-Zeit gewappnet ist. Tut er das nicht, dann gibt es dafür nur eine Bezeichnung: wirtschaftliche Fehlentscheidung. Warum man eine solche mögliche Fehlentscheidung dann auch noch mit öffentlichen Geldern abfedern soll, das weiß wohl nur Konken alleine. Zumal es eine mediale Grundversorgung in Deutschland ohnehin gibt. Man nennt sie auch öffentlich rechtlichen Rundfunk. Und was würde Herr Konken eigentlich vorschlagen, würde, sagen wir, Spiegel Online, in eine wirtschaftliche Schieflage kommen? Wäre das auch noch Grundversorgung? Ich dachte bisher ja, eine Commerzbank, die man mit 18 Milliarden Steuergeldern retten musste, sei schon genug.

Das alles wäre nicht weiter ärgerlich. Man könnte es schlichtweg auch als Schnapsidee bezeichnen. Wäre da nicht so ein Störgefühl, das aufkommt, wenn ein Verbandsvorsitzender kein einziges Wort über die mediale Zukunft verliert. Wenn eine ganze Gewerkschaft sich zwar furchtbar darüber aufregen kann, wie doof doch die ganzen Zeitungsverleger sind, selber aber keine einzige Idee entwickelt, wie es denn künftig mit Journalismus und Medien weitergehen könne. Wenn man Verlagen vorwirft, sie seien unfähig, gleichzeitig aber als einzige Idee hat, man könne Zeitungen ja künftig quasi verstaatlichen. Wäre ich heute in Kassel gewesen, ich glaube, ich hätte Konken gefragt, was für Zeug er er eigentlich geraucht hat. Und wie der DJV eigentlich jemals glaubhaft von der viel von ihm geforderten Qualität im Journalismus reden will, wenn er sich inhaltlich weiterhin so rückständig zeigt wie die finsterste Kanalarbeiter-Fraktion der SPD.

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Sebastian

    Ist die Äußerung von Michael Konken online nachlesbar? Dann könnte man sie ja verlinken. Im Gegensatz zu Tageszeitungen soll das in diesem Internet möglich sein. Habe ich mal gehört.

  2. Ralph Bauer

    auch wenn es für die Hardcoreverfechter der neuen Medien und Totengräber der gedruckten Zeitung vielleicht nicht nachvollziehbar ist: Konken hat hier ein Thema angesprochen, dass denke ich überfällig war.

    Warum bitte bekommen denn bestenfalls mittelmäßige lokale TV- und Radiosender in Bayern jedes Jahr zig Millionen an Subventionen und gleichzeitig schaffen es Qualitätsmedien wie die Nürnberger Nachrichten – bei denen im Gegensatz zu den meisten Zeitungshäusern im Freistaat noch verantwortungsvolle und verlegerisch denkenden Menschen in den oberen Etagen sitzen – nicht mehr, sich zu finanzieren. Gewisse Rahmenbedingungen wie das Wegbrechen der Anzeigenerlöse oder das Wegsterben der Leser lassen sich nun mal nicht wegdiskutieren. Eine – wie auch immer geartete öffentliche Subvention – könnte übrigens auch berücksichtigen, inwieweit Medienhäuser sich noch an Tarifverträge halten oder allgemeine Vergütungsregeln bezahlen.

    Ein Patentrezept für die Sicherung der medialen Vielfalt gerade im Printbereich gibt es sicher nicht. Da muss es denke ich erlaubt sein, vielfältige Gedanken zu spinnen – ohne Denkverbote.

  3. Dix

    In Österreich gab es schon in den 70er Jahren staatliche Fördergelder für Zeitungen. So abwegig ist die Idee von Konken nicht.

  4. Thomas Mrazek

    @Dix: Österreich! Ein mahnendes (Negativ-)Beispiel.

  5. Ralph Bauer

    Übrigens hat Konken eben klargestellt, dass dies eine Notmaßnahme sein soll, bevor in manchen Gebieten gar keine Zeitung mehr erscheint und die Bürger der Propaganda etwa der Rechten ausgeliefert sind: „Wir wollen nicht Verlage finanzieren, sondern den Journalismus.“

  6. cjakubetz

    @Dix: Da schließe ich mich Thomas an: Ausgerechnet Österreich ist jetzt eher ein Grund dafür, das nicht zu machen.

    @Ralph Bauer: Das Problem bei Subventionen ist, dass sie immer die Forderungen nach weiteren nach sich ziehen. So machen Sie das auch. Die Lokalstationen in Bayern bekommen Geld? Dann müssen die Zeitungen auch welches bekommen. Davon abgesehen, dass ich die staatliche Lokalfunkförderung in Bayern ebenfalls für grotesk halte, was meinen Sie, in welche Teufels Küche wir kämen, wenn Konkens Idee eines Rettungsschirms Realität würde. Und ach Gott, ja, das Argument mit der rechten Propaganda, das ist auch so ein Totschläger. Was wäre das denn in der Praxis? Wenn es in MV mal keine Zeitung mehr gibt, kommt eine staatlich subventionierte und sagt den Menschen, dass die Rechten böse sind? SOWAS diskutiert der DJV ernsthaft? Falls ja, geben Sie mir bitte Bescheid, dann trete ich nämlich heute noch aus.

  7. Dierk

    Hoppla, das ging aber schnell, auf den Strohmann reinzufallen. Was hat Papier mit Journalismus zu tun? Historisch sicher einiges, aber Journalismus ist deswegen doch nicht auf Papier angewiesen – und es ist bisher, bei allen Klagen von Verlegern, noch nicht zu sehen, dass es ab April keinen gedruckten Journalismus mehr gibt.

    Es ist auch nicht so, als wären die drei Handvoll Menschen, die noch in Mecklenburg leben zu blöde, einen Computer zu bedienen und so den Qualitätsjournalismus [und natürlich das schmuddelige Internet] zu erhalten. Nein, Zeitungen müssen nicht subventioniert werden, schon gar dann nicht, wenn die Controller dort meinen, weniger Journalisten gäben bessere Vermarktungschancen. Oder das Verbot von Online-Archiven für ÖR diene der Informations- und Meinungsvielfalt.

    Papier ist geduldig, aber nicht Journalismus. Ach ja, das war ja auch das Thema des Artikels, nicht der Strohmann Ralph Bauers ‚Oh Gott, der Journalismus stirbt ohne steuerlich garantierte Renditen der Verleger!‘

  8. rolfmueller

    Langfristig werden wir um öffentlich-rechtliche Redaktionen auch in den textbasierten Medien gar nicht herumkommen. Aber nicht, weil der Datenträger gewechselt hat, sondern weil der Journalismus von den kommerziellen Interessen der Verleger getrennt werden muss.

    Information, Wahrheit darf in einer Demokratie nicht käuflich sein. Dass sie es ist, zeigen zahllose Beispiele auf der ganzen Welt. Nicht zuletzt die maßlose Propagandaschlacht der deutschen Verlage um das Leistungsschutzrecht hat das eindrucksvoll bewiesen. Shareholder haben vielleicht ein Recht auf Rendite, publizistische Macht steht ihnen in einer Demokratie nicht zu.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.