Da reden nun alle vom Thema Big Data – aber was genau mit Daten im Netz passiert, welche Rolle sie spielen und wem sie eigentlich gehören, das ist immer noch offen. Eine Forschergruppe der Universität Passau will das ändern. Mit einem langen Projekt, bei dem in den kommenden fünf Jahren die Zukunft des Thema Daten erforscht werden soll. Read More
Jaron Lanier hat in seinem letzten Buch „Wem gehört die Zukunft?“ eine interessante Idee verfolgt: Daten, so schreibt der Mann, den viele als einen Vordenker einer kritisch-konstruktiven Haltung zum Netz feiern, müssten wieder in den Besitz der User zurückkehren. Der User wiederum entscheidet in diesem Modell dann, was er mit den Daten machen will. Komplett für sich behalten? Oder weitergeben und damit dann auch Geld verdienen? Laniers grundsätzliche Idee: Daten gehören demjenigen, der sie erzeugt. Und nur er darf sie auch verkaufen. Und nicht etwa Großkonzerne, die sich auf das weitgehend kostenlose Einsammeln fremder Daten spezialisiert haben. Micropayment für Big Data – warum eigentlich auch nicht?
Und natürlich fragen sich auch Medien und Journalisten zunehmend: Welche Rolle spielt das Thema Big Data eigentlich für uns?
Die wertvollsten Unternehmen der Welt haben eines gemeinsam: exklusiven Zugang zu den Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Welche Auswirkungen hat dies auf den Wettbewerb in digitalen Märkten? Wie beeinflusst der Zugang zu Daten Innovation und Konsumenten in Märkten, die sich gerade im Prozess der Digitalisierung befinden? Die Nachwuchsforschungsgruppe „Data Policies“ der Universität Passau untersucht unter anderem diese Fragen und erhält dafür Förderung vom Zentrum Digitalisierung.Bayern.
Big Data: Der Rohstoff im Netz
Die Geschäftsmodelle und Plattformstruktur großer Internetfirmen verändern den Wettbewerb in digitalen Märkten grundlegend: Google, Apple, Facebook, Amazon dominieren die Wirtschaft mit Summen, die zum Teil größer sind als die Leistung mancher europäischer Staaten. Der Schlüssel des Erfolgs liegt im Rohstoff der New Economy: Daten der Nutzerinnen und Nutzer. Diese dienen als Quelle von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit – zugleich bauen die Firmen damit ihre Stellung weiter aus: Mehr Daten verbessern die Leistungen, was wiederum mehr Kundschaft anlockt, die wiederum noch mehr Daten liefert.
Welche Marktgesetze gelten in der New Economy? Und wie lassen sich diese sinnvoll regulieren? Welche Strategien sollten Unternehmen und Start-Ups im digitalen Wettbewerb mit Blick auf den Zugang zu Daten verfolgen? Ein Team um Dr. Daniel Schnurr, Akademischer Rat und Forschungsgruppenleiter an der Universität Passau, untersucht diese Fragen im Rahmen des Projektes „Data Neutrality & Open Access: Coherent Economic Policies for the Digital Economy“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren diese Fragen mit Hilfe spieltheoretischer Modelle und testen die theoretischen Ergebnisse in ökonomischen Laborexperimenten sowie mit Computersimulationen.
Webseiten und Apps im Facebook-Dilemma
Zum Beispiel das Dilemma, in das Webseiten und Apps geraten können, wenn sie den Social-Login von Facebook oder anderen Plattformbetreibern verwenden: Zunächst verschafft dies beispielsweise der Webseite A einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Webseite B. Denn A kann jetzt Nutzerinnen und Nutzern individuell zugeschnittene Werbung anzeigen, aber auch personalisierte Dienste bereitstellen. Wettbewerber B ist gezwungen, nachzuziehen und implementiert den Login ebenfalls. Der Wettbewerbsvorteil relativiert sich. Es gewinnt: Facebook. „Das soziale Netzwerk stellt sich besser, die Webseiten auf dem Werbemarkt in manchen Fällen sogar schlechter“, erklärt Dr. Daniel Schnurr. Und es könnte für die Webseiten noch schlimmer kommen. Etwa wenn Facebook die zunehmende strategische Abhängigkeit nutzt, um den Social-Login kostenpflichtig zu monetarisieren oder die Nutzungsbedingungen für die Webseiten nachteilig zu ändern.
Der Rat des Wissenschaftlers an Webseitenbetreiber und App-Anbieter: „Webseiten sollten sorgfältig abwägen, ob sich der kurzfristige Wettbewerbsvorteil tatsächlich lohnt und wie sie langfristig negativen Folgen entgegenwirken können.“ Nur: Bleibt den Webseiten tatsächlich eine Wahl? Auch das ist eine Frage, die die Passauer Forschungsgruppe untersuchen wird. Es geht um Marktmacht und deren möglichen Missbrauch – sowie um die Frage, ob und wie die Stellung der großen Plattform-Betreiber sinnvoll reguliert werden kann. Neben Maßnahmen und Regeln, die die Firmen direkt betreffen könnten, untersucht die Forschungsgruppe auch Vorschläge die darauf abzielen, Nutzern und Nutzerinnen eine effektivere Kontrolle über ihre Daten zu ermöglichen. So analysiert das Forschungsteam in diesem Zusammenhang die möglichen Wirkungen der neuen EU-Datenschutzverordnung, die ab Mai 2018 anzuwenden ist. Diese räumt Nutzerinnen und Nutzern beispielsweise das Recht auf Daten-Portabilität ein.
Das Team um Dr. Daniel Schnurr und Prof. Dr. Jan Krämer, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Internet- und Telekommunikationswirtschaft, arbeitet in dem Projekt eng mit anderen Disziplinen zusammen und beleuchtet die Fragen etwa auch aus technischer und rechtlicher Sicht. Unterstützung erhält die Gruppe von Prof. Dr. Kai von Lewinski, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht, sowie von Prof. Dr. Louisa Specht, Inhaberin des neuen Lehrstuhls für Europäisches und Internationales Informations- und Datenrecht.
Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst fördert das Forschungsvorhaben im Rahmen des Zentrums Digitalisierung.Bayern (ZD.B) über eine Laufzeit von fünf Jahren. An der Universität Passau sind zwei der derzeit sieben Nachwuchsforschungsgruppen des ZD.B angesiedelt: Neben Dr. Daniel Schnurr und seinem Team ist dies die Informatikerin Dr. Janet Siegmund. Sie arbeitet mit ihrer Gruppe an einem Modell, das die Kommunikation von Software-Entwickelnden analysiert (mehr dazu). Darüber hinaus hat die Universität Passau den Lehrstuhl für Europäisches und Internationales Informations- und Datenrecht im Zuge einer Maßnahme des ZD.B erhalten (die Details).
Meine Motivation
5 Jahre lang geht dieses Projekt – und wenn es irgendwie möglich ist, dann würde ich gerne so lange auch begleiten. Ich habe – natürlich – eine journalistische Motivation, mich um dieses Projekt zu kümmern. Die Uni Passau und die Forschungsgruppe Data Policies haben nunmal nicht die Möglichkeiten wie beispielsweise ein Jaron Lanier. Das beginnt schon bei der Reichweite. Wenn Lanier etwas schreibt, stürzen sich die Feuilletons dieser Welt darauf, bei vergleichsweise kleinen Unis macht nicht mal die Lokalpresse etwas Vernünftiges daraus. Wenn die das schon nicht machen, dann passiert auch bei den bayernweiten Medien nichts und bei den überregionalen schon gleich gar nicht.
Natürlich bilde ich mir nicht ein, dass ich ein Ersatz dafür sein könnte. Das funktioniert schon alleine wegen der fehlenden Reichweite nicht. Aber der ein oder andere liest ja hier doch mit, davon abgesehen teilen sich Dinge im Netz ja auch ganz gut. Und davon abgesehen ist das Netz ja auch irgendwie der geborene Ort für Themen, die mit Big Data zu tun haben. Jedenfalls eher als eine Zeitung oder womöglich ein Radio- oder Fernsehsender.
Und außerdem: Ich habe keine Platzbeschränkungen, ich muss nicht verzweifelt ein komplexes Thema auf 80 Zeilen oder auf 1.30 runterbrechen.
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