Schon jetzt müsste es zwei Favoriten auf das „Unwort des Jahres“ geben. Einer davon ist: Fake News. Ein Begriff, den man tatsächlich nur noch sehr gezielt verwenden sollte…Read More
Zu einem Fake gehört vor allem eines: Vorsatz. Alles andere wäre keine Fälschung. Sondern: ein Fehler, ein Missverständnis vielleicht. Schlamperei, mangelnde Recherche. Alles keine sehr erfreulichen Dinge. Nichts, wofür man Journalisten loben oder ihren Fehler per se entschuldigen müsste. Aber es ist trotzdem ein himmelweiter Unterschied zwischen einem Fehler und einer Fälschung.
Wer Fake News sagt, geht den Hetzern auf den Leim
Wenn man diesen unsäglichen Begriff Fake News ohne weiteres Nachdenken immer wieder übernimmt, ist man nicht mehr sehr weit entfernt von dem Lügenpresse-Gebrüll von Pegida-Marschierern oder AfD-Hetzern. Und denen geht es ja nicht um eine konstruktive Debatte über die Rolle von Medien. Sondern um schleichende Zersetzung. Um gezielte Diskreditierung von Journalisten. Was wiederum weniger mit unserer Arbeit zu tun hat, als mit Strategie. Wer einen Rechtsstaat und eine funktionierende Demokratie erledigen will, muss als erstes zusehen, dass er eine unabhängige Justiz und und unabhängige Medien beseitigt. Und wie macht man das am einfachsten? Indem man ihre Arbeit in Frage stellt, sie im schlimmsten Fall als „Feinde des Volkes“ darstellt. Siehe hierzu auch: Das kleine Autokraten-Handbuch (Hg. Trump, Erdogan, u.a.).
Und deren Vokabular sollen wir uns zu eigen machen? Eines, in dem wir nichts anderes machen, als uns selbst als Fälscher und Lügner zu bezeichnen? Und mit dessen Verwendung wir nichts anderes zu tun als den Trumps, Erdogans, Höckes und Gaulands dieser Welt auf den Leim zu gehen. Wir wären schön dumm, wenn wir das täten.
Die Hans-Seidel-Stiftung hat eine Podiumsdiskussion zum Thema veranstaltet. Mit dabei waren Daniel Ullrich, Markus Kaiser und ich. Moderation: Karl Heiz Keil.
Zumal doch ausgerechnet wir Journalisten irgendwann mal gelernt haben sollen, dass es Teil eines vernünftigen Journalismus ist, die Dinge beim Namen zu nennen. Und zwar: so präzise wie möglich. Wenn wir alles in einen großen Fake-News-Topf werfen, dann ist das das genaue Gegenteil von gutem Journalismus. Auch wenn das Schlagwort der Fake News so schön griffig ist: Tatsächlich ist das, was momentan in einigen Häusern passiert, nicht einfach der Aufbau einer Anti-Fake-News-Einheit. Sondern eher eine Truppe, die verifiziert. Die nachverfolgt, wo Lügen und Propaganda entstehen und die Lügen und Propaganda auch als solche enttarnt.
Weil wir gerade diese Begriffe benutzt haben: Ich bin sehr dafür, Lügen und Propaganda auch als solches zu bezeichnen. Weil in dem selben Maß, in dem „Fake News“ für Journalisten ein pauschalisierendes Totschlagargument ist, der selbe Begriff bei gezielt in die Welt gesetzten Lügen plötzlich verharmlosend wirkt. Von da aus ist es dann nur noch ein minimaler Schritt bis hin zu den „alternativen Fakten“, die Trump-Sprecherin Conway in diesem Jahr so unnachahmlich in die Welt gesetzt hat (und die eigentlich schon jetzt als weiterer Favorit bei der Wahl zum „Unwort des Jahres“ feststehen müssten).
Es ist also ein ziemliches Phänomen mit diesem Begriff der Fake News: Er kann sowohl zersetzend als auch verharmlosend wirken. Je nach dem, in welchem Kontext man ihn gebraucht. Aber: In beiden Fällen ist er falsch. Journalisten faken keine Nachrichten. Und Propagandisten und Lügner sind genau das – aber bestimmt keine Menschen, die gerade mal eine Meldung ein bisschen verdreht haben. .