Du betrachtest gerade Das große Blendwerk OMR

Das große Blendwerk OMR

Die vergangene Woche war bei mir (und vermutlich nicht nur bei mir) alles vollgestopft mit einem Thema: #OMR. Natürlich vor allem bei LinkedIn, aber auch in den klassischen Medien. Selten eine Veranstaltung erlebt, die derart polarisiert. Für die einen war es eine Marketing-Offenbarung, für die anderen ein Totalschaden in Konferenzform.

Ich für meinen Teil habe vor allem eines gelernt: wie unterschiedlich Milieus ticken (Sie dürfen das gerne auch Zielgruppen oder Personas oder sonstwie nennen). Vor allem ein Unterschied ist mir brutal aufgefallen: der zwischen eher journalistisch-getriebenen Menschen und den Marketing-Rockstars. Zwei Welten sind aufeinander geprallt und am Ende hat es mich nicht mehr gewundert, wie unterschiedlich die Einschätzungen sind.

Vorweg: Ob man nun eher zum einen oder zum anderen neigt, man muss Philipp Westermeyer lassen, eine unfassbar kräftige Cash-Cow geschaffen zu haben. Über die Preise bei der OMR ist genug geschrieben worden, deshalb nur die Feststellung: Wer DAS zahlt, muss schon verdammt wild darauf sein, sich einmal im Leben selber wie so ein Marketing-Rockstar zu fühlen. Das ist ein Preislevel wie Disneyland und ganz so abwegig ist der Vergleich zwischen Disneyland und OMR ja auch nicht. Wie auch immer, die OMR ist ein Label, eine echte Marke – und das zu schaffen, ist zumindest ein unternehmerisches Glanzstück.

OMR, die große Show der Illusionen

Nüchtern betrachtet ist die OMR zumindest 2023 ein echtes digitales Blendwerk gewesen. Das andere, das Marketing-Milieu würde es vermutlich großartiges Marketing nennen, aber zu dieser Sichtweise kommen wir später. Inhaltlich (da sind wir jetzt bei den Journalisten und den Leuten, die Inhalt sagen und nicht Content) war sie: beliebig, unsinnig, viel Name-Dropping, viele Buzzwords, viel Feelgood. Ein Festival für Oberflächen-Surfer und Wellenreiter.

Ein kleiner Auszug aus der Gästeliste: ein gewisser Jeremy Fragrance, der angeblich jeden Tag “fünf Weiber” haben könnte und ansonsten ziemlich wirres Gestammel auf die Bühne brachte. Maja Göpel, die als Buzzword-Schleuder dafür gefeiert wurde, das zu sagen, was sie immer sagt. Sascha Lobo, der immer zu allem was weiß, diesmal u.a. zum Thema “Abschaffung des Patriarchats”. Und Boris Becker, frisch aus dem Knast entlassener Pleitier, der jetzt endlich mit Mitte 50 verstanden haben will, wie die Marke Boris Becker funktioniert. 

Sie alle durften komplett unwidersprochen und ohne den Ansatz einer ernstzunehmenden Konversation irgendwas loslassen. Inhaltlich geht der Bogen über Influencer, Nachhaltigkeit, Feminismus und Boris Becker. Man kann das auch Belanglosigkeit und Beliebigkeit nennen. Wenn man für ein Ticket über 1000 Euro zahlt, darf man jedenfalls was anderes erwarten. Es sei denn, man erwartet viele lustige Meetings mit Gleichgesinnten, die man dann zu fancy  LinkedIn-Postings machen kann. Dann ist es wurscht, was da oben erzählt wird.

Luisa Neubauer war übrigens angeblich der “wichtigste Gast”. Philipp Westermeyer fiel dann aber im Bühnentalk nicht sehr viel mehr ein als sie zu fragen, wie sie es geschafft habe, zu einem Brand zu werden. Wer eine Zusammenfassung des inhaltlichen Elends haben will, hört sich Westermeyer und Neubauer in diesem Video im Gespräch ab ca. Minute 25 an. Zwei Menschen in demonstrativ ausgelatschten weißen Sneakern tauschen Plattheiten aus (und die Zuschauer jubeln, weil sie Luisa Neubauer gesehen haben). Der Schein ist wichtig, das Sein eher egal. Da verpassen sich gerade 7000 Leute im Saal ein ökologisch astreines Gewissen, ohne ernsthaft an einer Debatte interessiert zu sein. Hauptsache, die Message stimmt und der Brand ist cool.

Low hanging Fruits für 1000 Euro

Für seine Zielgruppe hat Westermeyer dennoch genau das Richtige parat: viele bekannte Namen und Themen, auf die sich alle einigen können, ganz schmerzfrei. Wer wäre schon ernsthaft gegen Nachhaltigkeit und wer würde öffentlich jemals sagen, dass dieses Patriarchat eine richtig tolle Sache ist? Low hanging fruits also. Eine inhaltliche und intellektuelle Bankrotterklärung.

Ich glaube allerdings auch, dass es einige Überschneidungen zwischen LinkedIn und OMR gibt. Mir ist natürlich der Widersinn bewusst, das ausgerechnet auch bei LinkedIn zu veröffentlichen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass selbst eine eher schwache KI den typischen erfolgreichen LI-Beitrag in siebeneinhalb Sekunden zusammenfassen kann.  Auf die Substanz kommt es da eher weniger an und im intellektuellen New-Work-Wellness-Umfeld möchte auch niemand ernsthaft gestört werden. So tickt die Welt zwar nicht, aber LinkedIn ist an vielen Stellen auch ein Ort der beharrlichen Realitätsverweigerung (so wie die OMR auch).

Bevor Sie einwenden, was ich dann überhaupt auf LI verloren habe: Natürlich gibt es die spannenden und guten Leute auch da, immer wieder liest man was Gutes, für das es sich dann auch zu bleiben lohnt. Vermutlich hat es sogar auf der OMR den einen oder anderen guten Vortrag gegeben. Sie gehen aber schnell unter in der Schaumschlägerei, hüben wie drüben.

Kleiner Tipp: Ihr wollt sehen, wie man sowas richtig macht? Geht zur re:publica.

Wie aber kann gute (digitale) Kommunikation funktionieren, wenn man eben kein digitales Blendwerk erzeugen will?

Punkt 1:  Zuhören

Kommunikation beginnt mit der Botschaft, die aus Wissen und Beobachtung entsteht. Zum Teil bedeutet dies, anderen zuzuhören: Lesen Sie viel und stellen Sie Fragen. Holen Sie sich Rat bei anderen, hämmern Sie nicht jede Idee sofort in ein Posting und gehen Sie den Sachen auf den Grund. Anders also als Philipp Westermeyer bei Lusia Neubauer. Das war kein Zuhören und auch kein Nachfassen. Sondern einfach nur das Abspielen von Allgemeinplätzen. Das aber ist, genau: keine Kommunikation.

Zuhören ist auch nicht: gedankenlos applaudieren, Herzchen und aufmunternde Kommentare dalassen. Das ist nur eine Kommunikations-Attrappe (wie weite Teile von LinkedIn sind). Echte Kommunikation hat auch etwas mit Widerspruch zu tun. Und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit jemandem ist mehr Wertschätzung als jedes belanglos dahin geschleuderte “Soooo verdient” auf LinkedIn.

Punkt 2: Klarheit

Sobald Sie wissen, was Sie sagen wollen, sagen Sie es. Gehen Sie sparsam mit den Worten um. In der Kürze liegt die Würze, denn sie macht die Dinge verständlicher und signalisiert Zielgerichtetheit und Vertrauen. Es zeigt, dass Sie tatsächlich etwas sagen. Werfen Sie alles raus, was nach Buzzword klingen könnte. Wenn Sie nichts zu sagen haben, sagen Sie nichts. Und wenn Sie sich unsicher sind oder keine feste Meinung, dann sagen Sie auch das. Kompetenz entsteht nicht dadurch, alles zu kommentieren.

Punkt 3: Substanz

Sie können recht haben oder auch nicht. Sie können Applaus ernten oder böse Kritik. Das ist alles besser als Belanglosigkeit (siehe auch: LinkendIn/OMR). Lassen Sie sich nicht täuschen von  Likes, Herzchen oder auch einem Festival mit 70.000 Besuchern: Das sind Bubbles, mehr nicht.

Podcast D25

Wo steht Deutschland bei der Digitalisierung des Public Sectors? Welche Bedeutung haben das Online-Zugangsgesetz oder auch die Cloud-Technologie dabei? Und wie lange dauert es noch, bis man alles, für was man jetzt noch den guten, alten Behördengang braucht, auch online erledigen kann? Unser Gast Andreas Rathgeb ist Vice-President bei CGI Deutschland – und hat auf (fast) alle diese Fragen eine konkrete Antwort.

Anhören: 

Und natürlich überall da, wo es gute Podcasts gibt. 

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.