bin selbst lang genug an irgendwelchen tickern rumgesessen, um einigermaßen zu verstehen, wie politischer journalismus tickt und wie wahlkämpfe laufen. wundere mich deshalb auch über vieles nicht mehr. auch nicht darüber, dass bild seit tagen den eindruck zu erwecken versucht, dass schröder im tv-duell mit merkel ganz entsetzlich untergegangen sein soll. das würd ich ja auch nicht unbedingt unter politischem journalismus, als vielmehr unter kampagnen verbuchen.
erstaunt bin ich aber dann doch immer wieder, wie kollegen von medien, denen ich eine etwas ernsthaftere sicht der dinge zugetraut hätte, zum verbreiten erstaunlicher platitüden kommen. bei meinen freunden von spiegel online lese ich heute bspw. folgendes:
Wie eine Bundeskanzlerin trat Angela Merkel heute im Bundestag auf. Beim letzten Showdown vor der Wahl unterliefen ihr keine Patzer. Schröders Gerd-Show hingegen wirkte verbraucht. Auch Joschka Fischer blieb unter seinen Möglichkeiten.
abgesehen davon, dass ich in dieser beziehung sehr konservativ bin und immer noch glaube, man sollte die nachricht nicht mit versatzstücken der meinung verwässern und selbst, wenn ich zugute halte, dass dieses stück der versuch einer reportage war – ich wundere mich einfach, wie journalisten nolens volens zu solchen urteilen kommen und dann nicht mal in der lage sind, sie näher zu begründen. schröder wirkte verbraucht? weil er ähnliches erzählte wie während des tv-duells? kann man so sehen. aber dann war frau merkel genauso verbraucht. denn im grunde haben beide während der debatte nichts anderes abgeliefert als die parlamentarische version ihres tv-duells.
und herr fischer blieb unter seinen möglichkeiten? das ist aber schön, dass der journalistische bundestrainer von spon die form des außenministers so gut beurteilen kann. fischer wird sich bestimmt auch sorgen machen, dass ihn spon nicht mehr nominiert – wo er doch so formschwach ist. gnädigerweise attestiert ihm der spiegel-kollege aber ein gewisses „talent“. da schau her.
man möchte übrigens bei dieser sichtweise des spiegel gerne mal kanzlerkandidat werden. immerhin bekommt man nämlich schon dann kanzlerhaftes auftreten bescheinigt, wenn einem „keine patzer unterlaufen“.
mag sein, dass es nicht so glamourös ist – aber mir ist solides journalistisches handwerk lieber als der versuch, politischen großinquisitor zu spielen. zumal, wenn man das urteil nicht mit fakten hinterlegen kann.
manchmal kann ich fischer verstehen, dass er auf unsere zunft milde lächelnd herabblickt.
ps: neinneinnein, ich will kein spon-basher werden und auch kein watchblog schreiben. mir fallen nur in der letzten zeit ein paar erstaunliche aussetzer auf, gemessen vor allem am niveau der printausgabe.