Abgesang auf die Ideen von 2006

Zugegeben, ich war mit einiger Euphorie in dieses Jahr gestartet. Ich hatte einige Themen auf der Agenda, von denen ich dachte, sie könnten eine echte Chance für den Journalismus sein. Ich dachte, man könne sich auf das rückbesinnen, was guten Journalismus ausmacht. Und man könne Dinge entwickeln, die Jahrzehnte zu kurz kamen, wie beispielsweise Kommunikation und Interaktion.

Am (beinahe) Ende des Jahres fällt mir auf: Nichts davon ist so gekommen, wie ich es erhofft hatte, stattdessen waren die Totengräber, Lautsprecher und Schmalspur-Revolutionäre am Werk. Das Thema Citizen Media ist beispielsweise eines, über das ich am liebsten nicht mehr sprechen würde, weil das, was etablierte Medien aus diesem Schlagwort gemacht haben, mit Citizen Media nichts zu tun hat. Dass die Leserfoto bei „Bild“ zu einem Marketing-Gag geworden ist, sei´s drum. Niemand hatte erwartet, dass eine Zeitung mit ein paar Millionen Auflage sich plötzlich seine Inhalte von anderen schreiben lässt. Aber dass man plötzlich anfängt, verwackelte Schnipsel aus UMTS-Handys unter dem Deckmantel des Bürgerjournalismus im TV zu zeigen, ist nichts anderes, als das, was Lokalzeitungen schon seit vielen Jahren machen. Sie lassen sich ihre Lokalteile von pensionierten Oberstudienräten und Vereinsschirftführernvollschreiben, die sie mit Honorarsätzen unterhalb der Existenzgrenze abspeisen. Mit digitaler Revolution und Partizipation des normalen Konsumenten hat das schlichtweg gar nichts zu tun – Sendeflächen zum Beinahe-Nulltarif-Vollstopfen ist das schon eher. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendjemand mal einen Verleger eines regionalen Blattes, der so arbeitet, mal als echten Revolutionär bezeichnet hat. Im Gegenteil: Dagegen kämpfen Journalistenverbände doch schon seit Jahrzehnten.

Das ist eigentlich tieftraurig. Weil es all diejenigen beschädigt, die es gut gemeint haben und immer noch gut meinen. Weil es eine hochinteressante Idee in Verruf bringt.

Ist Citizen Media vielleicht ganz einfach überschätzt worden? Immerhin kommen ja auch diejenigen, die das Projekt wenigstens seriös, ohne eingeschaltetes PR-Heißluftgebläse und mit Engagement angehen, nicht so richtig auf die Füße. Ich kann einer Seite einfach nichts abgewinnen, die am Samstagnachmittag auf ihrer Startseite immer noch zu einem beträchtlichen Teil aus tagealten Storys besteht. Auch wenn sie noch so gut gemeint ist.

Vielleicht haben wir uns alle getäuscht, ich nehme mich da nicht aus. Vielleicht sind die Grenzen der Partizipation und des Bürgerjournalismus viel enger gesetzt als wir dachten. Vielleicht ist Bürgerjournalismus auf den bestehenden Plattformen des konventionellen Journalismus – einfach eine Totgeburt. Die wirklich interessanten, lesens- und sehenswerten Projekte finden außerhalb der Strukturen behäbiger Konzerne, Firmen und Redaktionen statt. Das, was gut funktioniert, sind Communitys etablierter Marken. Möglicherweise wird es bei dieser strikten Teilung zwischen Markencommunitys auf der einen und den inhaltlich wirklich relevanten Graswurzelaktivitäten auf der anderen Seite bleiben – für immer.

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