Quote und Qualität

Zugegeben, das ist so ziemlich die blödeste Überschrift, die man machen kann. Klingt nach irgendeinem Seminar für Zweitsemester, gehalten von einem drögen Prof, der irgendwelche weltfremden Theorien entwickelt, die man ziemlich genau bis zum Beginn des ersten Praktikums für einigermaßen relevant hält. Spätestens dann steht man vor dem Dilemma, mit dem sich fast alle von uns irgendwann mal auseinandersetzen müssen: Ist mir meine Quote wichtig – oder eben doch die Qualität (whatever this means)?

Das klingt zunächst einmal nach einer Frage, die keine ist. Schließlich sind wir ja alle aus hehren Grundsätzen heraus Journalisten geworden, nicht wahr? Allerdings, wenn ich die zurückliegenden Jahre meines Berufslebens (und das sind inzwischen doch einige) so betrachte, dann wird mir klar, dass meine Eitelkeit sich des öfteren ihren Weg gebahnt hat und ich den Verlockungen der Quote erlegen bin. Ja, verdammt: Manchmal hat es mich interessiert, dass eine möglichst hohe Zahl von Leuten mein fabuloses Meisterwek bewundert, auch wenn es dann kein Meisterwerk geworden ist, weil ich ja wollte, dass es möglichst viele konsumieren.

Vermutlich wird das Dilemma so schnell auch nicht aufzulösen sein, zumindest habe ich keine Idee wie: In dem Augenblick, in dem ich wahlweise meinen Hang zu möglichst großer Öffentlichkeit oder einen kommerziellen Aspekt (oder gar beides) vor Augen habe, muss ich Kompromisse machen, Selbst dann, wenn ich unter dem Label eines vermeintlichen Qualitätsmediums schreibe und arbeite. Wenn ich mir beispielsweise die aktuelle Agenda von Spiegel online ansehe, dann entecke ich momentan:

  • Hillary Clinton in Geldnot (Aufmacher)
  • Die schönsten Aprilscherze im Netz
  • Heather Mills wettert gegen Richter
  • Die lustigsten Fußball-Fernsehpannen
  • Das großes Achilles-Laufquiz

Überschneidungen mit der aktuellen Agenda von FAZ.net: 0,5 (die Geschichte mit den Aprilscherzen ist bei der FAZ in abgewandelter Form auch zu lesen). Überschneidungen mit der aktuellen Agenda von zeit.de: 0. Und wenn die geneigten Leser dann noch bei ivw.de einen Blick in die Klickzahlen dieser drei werfen wollen würden…

Bleibt die Feststellung, dass man wohl Boulevard machen muss, wenn man Quote machen will. Die Ausnahme bestätigt zwar wie immer die Regel, dennoch: Mit dem Quoten-Dilemma werden Journalisten sich vermutlich bis ans Ende ihrer Tage rumschlagen. Was wiederum die Idee des Blogens so sympathisch macht: Ob dieses Posting hier jetzt einer, zehn oder hundert Leute lesen, liebe Leser, nicht böse sein, aber ehrlich gesagt: Das ist mir völlig wurscht. Nach einigen quotengetriebenen Jahren ein gar nicht hoch genug zu schätzender Luxus.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Chat Atkins

    Solange ‚irgendwelche Leser‘ genauso viel zählen wie ‚gewünschte Leser‘ – solange ist das wohl so. Dieser ‚Qualitätsjournalismus‘ sollte besser ‚Quantitätsjournalismus‘ heißen.

  2. Thomas Mrazek

    @Chat Atkins: Guter Vorschlag (von der Qual- äh Qualität zur Quantität), den werde ich aufnehmen und alsbald (am Samstag) mal anwenden. (-;

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