Online worst (14) – oder The fall of the house of…

Man kann ja momentan unendlich viele Studien lesen über die Zukunft der Tageszeitung als solcher; man liest interessante Interviews und kluge Geschichten wie erst gestern auf der Medienseite der SZ über die Probleme der US-Blätter. Ein Blatt in New Jersey hat jetzt sogar etwas gemacht, was man bisher für unvorstellbar hielt: seine Erscheinungsweise von täglich auf wöchentlich umgestellt; die tägliche Verlaufsberichterstattung läuft jetzt online. In Frankreich hat sich die Tageszeitungsauflage halbiert; in der Schweiz baut inzwischen sogar die renommierte NZZ ab. Und das, was man in den letzten Wochen aus Deutschland so hörte, klang auch nur so mittelgut.

So richtig inspirierend finde ich das allerdings nicht. Nicht nur, weil die Lösungsvorschläge sich letztendlich doch immer wieder in den gleichen Allgemeinplätzen erschöpfen und inzwischen auch der Verleger des Kleinkleckersdorfer Tagblatts „Wir haben verstanden“ suggeriert. Sondern auch deswegen, weil es viel interessanter und vielsagender ist, wenn man, quasi als Feldversuch, ziemlich genau unter die Lupe nimmt, was diejenigen, die es letztendlich betrifft, in der Praxis tun – und wie sehr es sich von dem unterscheidet, was auf Panels gesagt und in irgendwelchen netten Sonntagsaufsätzen geschrieben wird.

In Passau beispielsweise, um mal wieder einen Blick in die Nachbarschaft zu werfen, hatte man vor gut einem Jahr ebenfalls postuliert, dass man verstanden habe. Online sei die Zukunft, sei wichtig – und deswegen werde man 2008 in den Ausbau der Onlineaktivitäten investieren. Das machte man dann in der Tat. Die Redaktion wurde zu verdreifachter Stärke aufgestockt, die bisherige Alleinredakteurin hat jetzt zwei Kollegen. Zum Vergleich: Die Printausgabe wird insgesamt von rund 120 Redakteuren betreut, man kann also vermuten, dass insgeheim die Bedeutung von Online doch noch nicht so hoch ist, wie man glauben machen möchte. Außerdem engagierte man sich im Bereich Video und nannte das dann „PNP-TV“ (etwas darunter hatten sie es wohl gerade nicht).

An diesem Projekt des „TV“ erkennt man ziemlich schön, wie völlig kenntnisbefreit immer noch viele Zeitungshäuser an das durchaus ja sehr komplexe Thema Multimedia herangehen. Von den üblichen Merkwürdigkeiten des Passauer Onlineauftritts abgesehen, die man u.a. hier, hier, hier und natürlich auch hier nachlesen kann, hat man sich für das TV-Projekt eine eigenartige Strategie einfallen lassen, die sich dennoch in wenigen Worten auf den Punkt bringen lässt: Wenn es uns gerade einfällt, filmen wir vielleicht auch mal was.

Im Lokalen, immerhin so etwas wie die eigentliche Daseinsberechtigung des Blattes, war man ein bisschen fleißig:

Das Archiv von „PNP-TV“ weist im Lokalen momentan exakt fünf Videos aus; das erste stammt vom Juli, man bringt es also statistisch auf eines pro Monat, was allerdings nur eingeschränkt aussagefähig ist, weil das letzte Video vom September stammt und man sich im Bereich lokale Videos eine kurze Sendepause von zwei Monaten gegönnt hat, was wiederum den Schluss nahelegt, dass es sich bei der Bezeichnung „TV“ irgendwie um einen Euphemismus handeln könnte.

Warum dann aber gerade die Bemerkung, im Lokalen sei PNP-TV „fleißig“ gewesen? Ein Blick auf die restlichen Rubriken im Archiv belegt es. Das hier beispielsweise findet man im Archiv in der Rubrik „Unterhaltung“:

Leider nur halb so groß (und irgendwie ungewollt komisch) wie in der Unterhaltung und ihren zwei Beiträgen ist momentan das Angebot im Bereich „Politik“:

Ähnliche Taktungen weisen auch die Ressorts Kultur (2 Beiträge) und Wirtschaft (1 Beitrag) auf, so dass PNP-TV in seinem Archiv insgesamt auf sagenhafte 11 Videos kommt.

Das heißt, so ganz richtig ist das nicht. Denn dann gibt´s auch noch die Veranstaltungsreihe „Menschen in Europa“, veranstaltet von der PNP selbst – und hier ist die Frequenz dann doch deutlich höher:

Die Videos zur eigenen Veranstaltungsreihe machen insgesamt sechs aus, sind somit am stärksten vertreten und es wäre natürlich eine reine Bösartigkeit, würde man dies als Beleg für die These hernehmen, dass das Blatt sich selbst immer noch am wichtigsten nimmt. Natürlich wäre es auch bösartig zu behaupten, dass die Blätter nicht etwa wegen bösartiger Leser oder kriselnder Konjunktur eingehen, sondern vor allem deshalb, weil sie sich immer noch an der eigenen Bedeutung und Einmaligkeit berauschen und nicht bemerken, dass sich die Schlinge um ihren Hals langsam zuzieht. Man verliert in einem Prozess ständiger Erosion (und der ist gefährlicher als die schnellen, harten Schläge) jedes Jahr an Lesern, was besonders schön daran erkennbar ist, dass die Zahl der sonstigen Verkäufe in einem zweistelligen Bereich steigt, während alle anderen Kennzahlen nach unten zeigen. Ein beliebtes, auch andernorts gerne betriebenes Spiel, um wenigstens die Gesamtauflage halbwegs im Lot zu halten: Man erhöht die ominösen „sonstigen Verkäufe“. Jedenfalls sieht die Entwicklung in Passau seit 2003 so aus:

(Quelle: meedia.de)

Das ist nichts Unbewöhnliches und spiegelt eine Entwicklung wieder, wie sie seit zehn Jahren bei nahezu allen deutschen Regionalblättern zu beobachten ist. Man verliert Auflage, Umsätze, Erlöse, Reichweite beim jungen Publikum – und, was am schlimmsten ist, zusammengenommen ganz erheblich an Relevanz.

Man versucht dem entgegenzuwirken, indem man untaugliche Onlineangebote macht, unausgegorene Videostrategien entwirft und isnsgeheim dann doch am guten alten Blatt festhält. Die Onlinetruppe der PNP ist der beste Beweis dafür: Soll man ernsthaft den bedauernswerten Dreien einen Vorwurf machen, wenn sie mit Minimalressourcen die Zukunft des Hauses sichern sollen, während die Zeitung immer noch von so ungleich vielen mehr gemacht wird?

Trotzdem, vieles ist auch eine Frage der inneren Haltung zu sich selbst und zu den Lesern. Während man demjenigen nämlich jährliche Preiserhöhungen und sichtbare Umfangskürzungen zumutet, scheut man für Selbstdarstellungen keinerlei Aufwand. Glauben Sie nicht? Das längste Video bei PNP-TV ist 15 Minuten lang, heißt „Paula Print will in die Zeitung“ und ist eine derart bizarre Geschichte, dass es fast schon wieder sehenswert ist.

(Video ansehen).

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