Passau, ein Lehrstück

Die letzten Wochen in Passau waren ein Lehrstück. Eines, das die Gründe dafür aufgezeigt hat, warum unsere schöne alte Medienwelt, wie wir Ältere sie noch kannten, so krachend zusammengestürzt ist und warum man momentan unter den rauchenden Trümmern noch nicht so recht erkennen kann, wie diejenigen, die darunter begraben wurden, wieder da rauskommen wollen. Sieht man von einigen Passauer Spezifika ab, könnte man die Geschichte jedem Studenten als wunderbares Fallbeispiel auf den Tisch legen.

Zuerst einmal das (vorläufige) Ende der Geschichte: Die beiden Betriebsräte, die vergangene Woche in ziemlich handfesten Verhandlungen mit der PNP-Gesschäftsführerin Simone Tucci-Diekmann dafür sorgten, dass sie ihren, nunja, etwas fantasielosen Plan der betriebsbedingten Kündigungen aufgeben musste, durften sich am Donnerstag in Passau bei einer Veranstaltung des BJV mit stehenden Ovationen feiern lassen, verdientermaßen übrigens. Von 136 Redakteuren der PNP waren nach BJV-Angaben über 100 gekommen und insgesamt verfügt der BJV jetzt über einen Organisationgrad von rund 80 Prozent in der PNP. Und das, ganz ohne irgendetwas selbst dafür zu tun zu müssen. Glückwunsch, Frau Tucci-Diekmann, der erste Erfolg ihrer Strategie…

Strategie? Was die PNP-Verlegerin in den letzten Wochen anrichtete, war in erster Linie ein kommunikatives Großdesaster und zweitens Ausdruck eines etwas merkwürdigen Weltbildes. Ein Kommunikationsdesaster war es, weil die PNP-Alleinherrscherin das bemerkenswerte Kunststück hinbekam, mit ihren geplanten Stellenkürzungen viel stärker in die Negativschlagzeilen zu geraten als beispielsweise eine WAZ, die aktuell eine beträchtlich größere Zahl von Redakteuren vor die Tür setzt, als es die PNP jemals vorhatte. Der Unterschied zwischen Passau und Essen: Die WAZ kommunizierte von Anfang an halbwegs offen, gründete ein eigenes Blog und legte dar, was sie vorhat. Das hilft im Einzelfall einem von Kündigung betroffenen Redakteur nicht wirklich weiter, sorgt aber wenigstens für eine gewisse Transparenz und für das Gefühl, in einem unschönen Prozess halbwegs ernst genommen zu werden. Frau Diekmann hingegen ließ die Axt ankündigungslos und dafür umso schmerzhafter kreisen. Passaus Lokalredaktion ohne Vorwarnung zerschlagen, danach den Chefredakteur kurzerhand gefeuert und dann die Ankündigung en passant, 8 Redakteure „betriebsbedingt“ entlassen zu wollen und weiteren 12 die Verträge nicht mehr zu verlängern – wer sich dann noch wundert, dass man ihm weder Sympathien noch Verständnis entgegenbringt, muss schon mit einem strafbaren Maß an Weltfremdheit ausgestattet sein.

Was uns zum Thema Weltbild und potenziellen Veränderungen desselben bringt. Die (falsche) Meinung der Verlegerin, diese Nummer unbemerkt und ohne weiteren Widerstand durchziehen zu können, entspringt einer Vorgeschichte, die zum einen verständlich macht, woher ihr Weltbild kommt und wie Zeitungs-Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts strukturiert war. Die PNP und die sie domierenden Verlegerfamilien Kapfinger/Diekmann waren über Jahrzehnte publizistische Alleinherrscher einer ganzen Region. Zeitung, Radio, TV, Online, Wochenblätter; kaum ein Bereich, auf den die Familie keinen Zugriff gehabt hätte (und immer noch hat). Wer als Journalist in Niederbayern arbeiten wollte, kam am Diekmann-Imperium nicht vorbei und wer es sich mit dem Wohlwollen des Imperiums in Niederbayern verscherzte, war zumindest in Niederbayern schlichtweg erledigt. Muss man sich dann wundern, wenn das in Selbstüberschätzung endet, wenn man über Jahrzehnte  hofiert wird, wenn man zu Ehrenbürgern ernannt wird, Straßen nach der Familie benannt werden und man sich Fußballklubs und Königinnen mal eben kaufen und einladen kann? Und ist es ein Wunder, wenn man so wird, wenn man die paar potenziellen Gegner, die man sich gemacht hat, einfach über Jahre hinweg totschweigt, wie man es mit dem „Scharfrichterhaus“ in Passau über Jahre hinweg tat?

Man muss vermutlich wirklich glauben, dass die Verlegerin insgeheim baff erstaunt ist, dass jemand wie ihr Ex-Redakteur Hubert Denk und sein „Bürgerblick“ ein solches Sperrfeuer entfachen kann, dass Öffentlichkeit hergestellt und die Vorgänge in der PNP zum Thema werden. Und dass der BR es wagt, die Teilnahme an PNP-Veranstaltungen abzusagen und zweimal in seinem Medienmagazin über die PNP wenig wohlwollend zu berichten (u.a. wieder am Sonntag, 15.2.). Das hat – nicht nur, aber auch – mit der Digitalisierung zu tun und damit, dass man keine teuren Produktionsmittel mehr braucht, um zu publizieren. Hubert Denk brauchte einen kleinen Server und ein wenig Software, um dem Zeitungsriesen Paroli zu bieten.

Das werden die PNP und auch einige andere Riesen erst noch kapieren müssen: Die Zeiten des Monopols sind potenziell vorbei. Das ist vor allem dann ein Problem, wenn, wie im Fall PNP, die Monopolstellung für viele Leser de facto der einzige Grund ist, das Blatt zu lesen.

Das schließlich sind dann auch die kleinen Wermutstropfen, die in den Freudenbecher der Belegschaft in Passau jetzt fallen. Die Probleme sind aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Die betriebsbedingten Kündigungen sind erst einmal vom Tisch, aber Stellenabbau wird es dennoch geben. Ein Stellenabbau, der vor allem die Lokalredaktionen und damit die Kernkompetenz des Blattes treffen. Es ist keine allzu gewagte Prognose, dass auch der Auflagenverlust der PNP (und vieler anderer Regionalzeitungen auch) weitergehen wird. Diese Art des Journalismus ist ziemlich am Ende. Warum, das stand hier und vielen anderen Blogs so oft zu lesen, dass es müßig ist, die Gründe wieder und wieder zu wiederholen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Resi Müller

    Diese Dings, äh, Kommunikation war noch nie die Stärke der PNP. Dabei könnte man meinen, dass das eigentlich die Hauptkompetenz eines Verlags sein sollte.

  2. S. Michael Westerholz

    Ich kann bis auf drei Dinge allem zustimmen:
    1. Zu Zeiten eines Verlegers Huber in Straubing konnte ein gestandener Journalist in Niederbayern dann an der PNP vorüber gehen, wenn er den Mut hatte, Huber so laut wie dieser selbst es werden konnte, gegenüberzutreten.
    2. Sie sollten Dr. Kapfinger sel. A. nicht in einem Satz mit den Diekmanns nennen. Ich fand ihn stets auf unserer (konkret: meiner!) Seite und zwar mit journalistischen Argumenten. Neugierde, Fleiß, Engagement, ja auch gelegentliche Fehler sprach er an, nicht nur im JOHANNESEVANGELIUM. Die Erbin, die seinerzeit das Feuilleton entstaubt hat, heute aber offenbar nicht erkennen will, dass die Zukunft ihres Hauses im Lokalen liegt und in den Internet-Aktivitäten, sowie ihr Zahnarzt-Ehemann als Fremder im sensiblen Beruf und diesem speziellen Gewerbe haben das Gründer-Gen leider nicht.
    3. Es wäre hoch an der Zeit, wenn cj sich nun für seinen Ausfall gegen R. Wilhelm in einem früheren Blog entschuldigen würde: Seinerzeit hat W. unterschrieben, wozu er rechtlich verpflichtet war und was H. Rücker wenigstens Grafenau rettete. Dass cj. dem Kollegen Wilhelm da massiv in den Rücken gefallen ist, hat wirklich geschmerzt, weil es bitteres Unrecht war.

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