Die alte Qualitätsleier

Wenn sich (Qualitäts-)Journalisten und Verlage/Verleger neuerdings mal in einem einig sind, dann darin:  Das Internet, das kostenlose, macht den Journalismus im Allgemeinen und die Tageszeitungen im Besonderen kaputt.  Das soll sich ändern, in dem man wieder zu Geschäftsmodellen und Verhaltensmuster der guten alten analogen Zeit zurückkehrt. Eine Gespensterdebatte, die an den eigentlichen Problemen von (Tages-)Zeitungen vorbeigeht. Paid Content ist dabei nur ein Minimalaspekt, die eigentlichen Probleme liegen woanders.

Jetzt also auch Bodo Hombach. Bei den Verlagen scheint es momentan ja ziemlich in Mode zu sein, die Forderungen nach bezahlten Inhalten im Netz mantraartig zu wiederholen.  Nachdem sich Rupert Murdoch nach vorne gewagt hat, trauen sich die anderen auch, eine — mit Verlaub — uralte Leier wieder auszupacken. Eine, die sie aus analogen Zeiten schon mitgenommen hatten.

Die lautet in etwa: Was wir machen ist so gut, so werthaltig, so qualitätsvoll, dass man dafür leider bezahlen muss. Heute sagt Bodo Hombach, Qualitätssicherung sei „nicht zum Nulltarif“ zu haben. Indes: Das liest man bereizts seit vielen, vielen Jahren so. Schon seit dreißig Jahren  schreiben dies die Blätter in den netten Infokästen, die alljährlich die neuesten Preissteigerungen begründen. Im Regelfall steht dort sinngemäß dann in etwa folgendes: Wir werden wieder teurer, aber nicht viel. Den Preis bezahlen Sie doch sicher gerne, weil wir Jahr für Jahr solide Qualität bieten, die es, man ahnt es, leider nicht zum Nulltarif geben kann. Wenn Sie dann noch besonders reumütig waren bei den Blättern, dann hieß es ergänzend noch dazu, dass man wirklich sparsam gewirtschaftet habe, aber das Papier und die anderen Herstellungsbestandteile wieder teurer geworden seien. Irgendwie habe ich bei diesen Begründungen immer darauf gewartet, dass irgendjemand mal schreibt: Man bekommt ja so schlecht gutes Personal heutzutage!

Es sieht also ein wenig danach aus, als würden die Verlage die selben Fehler, die sie schon in der analogen Welt gemacht haben, konsequent 1:1 ins Netz übertragen. Schließlich (das übersieht man in der aktuellen Debatte um die Lage der Printmedien ganz gerne mal) begann der Abstieg vieler Blätter ja schon, bevor das Internet seine für Print zugegeben ziemlich zerstörerische Kraft freisetzte. Hätte es nicht vor zehn Jahren noch einmal eine Scheinblüte gegeben, müsste man konsequenterweise attestieren, dass beispielsweise bei den Tageszeitungen der Auflagentrend schon seit 1995 konsequent nach unten zeigt.  Seit rund 15 Jahren also verlieren Tageszeitungen an Relevanz und an Rückhalt — ist es angesichts dessen nicht ein bisschen albern, immer wieder zu betonen, wie qualität- und gehaltvoll man sei? Und erledigt sich das Unverzichtbarkeits-Argument nicht von selbst, wenn einem das eigene Publikum seit vielen Jahren immer wieder deutlich demonstriert, dass man anscheinend gar nicht für so sehr gehaltvoll und qualitätsbewusst gehalten wird? Und das schon, wie gesagt, zu Zeiten, als man noch nicht mal wusste, was Internet überhaupt ist?

Man könnte also erst einmal auf den Gedanken kommen, dass vielen Verlagen das Thema Online gar nicht mal so ungelegen kommt, weil man damit von den Fehlentwicklungen der letzten 20 Jahre ganz gut ablenken kann. Aber das ist es nicht. Man muss befürchten, dass ein Bewusstsein dafür, dass es sich nicht um eine Krise als vielmehr einen schleichenden Niedergang handelt, bei vielen Tageszeitungen schlichtweg noch nicht angekommen ist. Dabei wäre die Sache doch eigentlich eher einfach: Das Geschäftsmodell und das Produkt Tageszeitung begannen schon in analogen Zeiten, immer schlechter zu funktionieren. Trotzdem spielten viele Verlage ein Spiel, das anscheinend mühelos ging: Man erhöhte einfach jedes Jahr die Preise, ohne dass irgendwo erkennbar eine zustätzliche Leistung geboten wurde, auch wenn man das  regelmäßig postulierte. So etwas ist auf Dauer gefährlich, weil man sich keinem wirklichen Wettbewerb stellen muss, weil man keinen Gradmesser für das eigene Tun mehr hat. Es war also schlichtweg nicht markgerecht, was dort passierte.  Vielleicht haben sie beiden Zeitungen auch wirklich geglaubt, sie seien wirklich gut und mehr oder minder unersetzlich, so genau weiß man das nicht. Tatsächlich aber funktionierten die meisten Tageszeitungen in den letzten 15 Jahren auch deswegen noch so vergleichsweise gut, weil es keine Alternativen gab. Jetzt gibt es welche, sehr gute sogar – und auf diesen Druck hin reagieren die meisten mit einer Mischung aus verblüffender Ideenlosigkeit und wirklich erstaunlichem Hang zu regulierende Interventionen: Die Kunden sollen gefälligst wieder zahlen und der Staat müsse Google an die Kandarre nehmen und schon sei alles wieder gut.

Neben den vielfach diskutierten Gründen gegen einen rigorosen Paid Content und gegen Zwangsabgaben gegen Google gibt einen weiteren guten Grund, warum man das eigentlich nicht wirklich wollen kann: Würde man Schutzmaßnahmen gegen digitale Konkurrenz einleiten, würden viele wieder in den publizistischen Dämmerschlaf zurückfallen, den sie in den vergangenen Jahren geschlafen haben. Sie hätten keinen Grund mehr,  sich anzustrengen, weil ihre Claims wieder sicher abgesteckt wären. Sie könnten weiter mediokre und teilweise absurde journalistische Angebote abliefern (Aktuelle Beispiele aus dem Zeitungsalltag gibt es u.a. hier und hier). Sie wären also letztendlich wieder in der komfortablen Situation, die sie füllig und träge werden hat lassen: Die Einnahmen sind weitgehend garantiert und der Bestandsschutz auch.

Ohnedies wird man den Eindruck nicht los, dass bei vielen Tageszeitungen noch weitgehende Fassungslosigkeit darüber herrscht, dass sie nicht mehr unter Artenschutz stehen; die vielen Forderungen, die  de facto auf eine Art Artenschutz hinauslaufen belegen dies.   Man tut so, als geschähe derzeit etwas Ungesetzliches, man stellt beispielsweise Google wahlweise in die Ecke eines Raubkopieres oder Inhaltediebs, man stellt digitale Angebote in eine Ecke, die vermuten lässt, dass der Untergang des zivilisierten Journalismus unmittelbar bevorstehe.

Insofern sind die Debatten, die momentan auf Verlagsfront geführt werden, einigermaßen skurril. Vielleicht würde es ja schon ein wenig helfen, würde man endlich wieder das machen, was Zeitungen mal ausgezeichnet hat: Journalismus statt Sparorgien. Der Rest kommt dann womöglich ganz von alleine.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Klaus Jarchow

    Zur Abwechslung mal wieder Journalismus zu betreiben, das wäre das eine. Auf der anderen Seite käme es darauf an, den Leser nicht ständig als ‚Zielgruppe‘ oder als ‚Kunden des werten Anzeigenkunden‘ zu betrachten, sondern schlicht als Gruppe lektürewilliger Menschen, die vor allem anderen spannende Geschichten in einem guten und unterhaltsamen Stil verlangen – statt publizistisch verbrämter Werbung oder geschmacksfreiem Tofu-Content.

  2. kadekmedien

    Das Dilemma des Produktes ‚Tageszeitung‘ läßt sich doch wie folgt zusammenfassen: Aktualität läßt sich nicht mit Druckmaschinen reproduzieren. – Nicht. Also gar nicht.

    Das Dilema der Verlage hingegen ist ein anderes: die Produktionsmittel für Informationsbeschaffung und -verbeitung sind nicht mehr künstlich verknappt, sondern demokratisiert. Jeder, der will, kann Autor UND Verleger, Quelle UND Medium sein.

    Der Preis ist die Barriere der Information. Darüber muss im Zweifelsfall der Urheber entscheiden. Je höher die Preis-Barriere gesteckt wird, desto weniger Aufmerksamkeit erhält die dahinter befindliche Information.

    Und Zwangsabgaben gegen Google oder sonstwen zu fordern, hieße in Betracht zu ziehen, dass Bloggern Anteile der GEZ-Gebühren zustehen. – Viel Spaß beim Finden des Aufteilungsschlüssels 😀

    Grüße aus Berlin.

  3. Steve

    Nettes Häppchen. I like. Greets

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