Die Entmanner von der Mittelbayerischen

Natürlich sind Tageszeitungen äußerst qualitäts- und gehaltsvoll. Für Qualitätsjournalismus muss man ergo bezahlen, sagen die Verleger, die Qualitätssicherung sei schließlich nicht zum Nulltarif zu haben, heißt es immer und immer wieder.

Lohnt sich also, mal einen kurzen Blick auf das zu werfen, was in Deutschland so alles unter dem Label Qualiätsjournalismus gedruckt und geschrieben wird. Beispielsweise von der „Mittelbayerischen Zeitung“ in Regensburg.

Dort befasst man sich aktuell mit dem Thema „Sexueller Missbrauch von Kindern“. Eine schreckliche Sache, gewiss — dennoch gehen der Kommentatorin Isolde Stöcker-Gietl schnell alle Gäule durch. Ihre (irgendwie zu erwartenden) Forderungen nach Verschärfung des Strafrechts lässt sie in der folgenden Forderung gipfeln:

(…)Doch wie wäre es, wenn eine Entmannung auch gerichtlich angeordnet werden könnte? Sicherlich eine radikale Forderung. Aber es geht schließlich um unsere Kinder. Für ihren Schutz sollte uns jedes Mittel recht sein.

Das, was man bei der „Mittelbayerischen“ so leichthin vor sich hin plappert („…sollte uns jedes Mittel recht sein“), hat man sich auch schon früher mal überlegt. Beispielsweise 1937 in einer Dissertation zum Thema „Die leitenden Grundgedanken bei der Entmannung gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher“. Und in einigen anderen einschlägigen Lektüren auch.

Dass der Forderung nach Entmannung auch ein paar rechtliche Aspekte entgegenstehen, ist das eine (man hätte das übrigens leicht recherchieren können, wenn man gewollt hätte. Man wollte aber nicht.)  Dass aber ein Blatt, dessen Verleger ganz bestimmt auch gerne über die Kostenlos-Kultur in der journalistischen Kloake Netz schwadronieren und als Argument dagegen die unfassbar hohe journalistische Qualität des eigenen, gedruckten und ergo natürlich zu bezahlenden Mediums ins Feld führen, Journalismus zulassen,  in dem ein bisschen Nazigedankengut propagiert wird, das ist dann schon wieder fast lustig. Nee, isses nicht: Eigentlich ist es traurig.

Und natürlich wüsste man schon gerne, wie man eigentlich bei der MZ über einen solchen Text urteilen würde, wäre er statt in der Zeitung im Netz erschienen, womöglich sogar: kostenlos.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. S. Michael Westerholz

    Herr Jakubetz hat natürlich Recht: die Forderung „Entmannung“ (erinnert fatal an einen „Schwanz-ab-Jäger“ unsel. A. im Deutschen Bundestag der sechziger Jahre, von Herbert Wehner wegen seiner radikalen Unerbittlichkeit so gekennzeichnet!) ist primitiv. Aber unwillkürlich stellt sich doch die Frage an die Schreiberin in der MITTELBAYERISCHE(n) ZEITUNG, ob sie denn auch einen Staatsanwalt Peuker in Passau entmannen lassen will?
    Denn nicht nur ihr scheint entgangen zu sein, welche unfassbare Aussage er dem Passauer Journalisten Hubert Denk („mediendenk“) in den Block diktiert hat. Dass nämlich erst richtig gegen einen Judo-Trainer ermittelt wurde, nachdem der 2007 wegen drei Fällen des Kindesmissbrauchs zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war, gegen das milde Urteil aber Berufung einlegte: Die Ermittlungen brachten unfassbare 224 Missbrauchs-Verdachtsfälle ans Licht.
    Da stellt sich die Frage, wieviele Kinder wären noch ins Trauma gerissen worden? Und wieviele in ihrem Grauen alleingelassen, wenn es nicht zu den späten ernsthaften Ermittlungen gekommen wäre. Und es stellt sich die Frage an die Regensburger Schreiberin: Gehört dann auch ein zögerlicher StA. „entmannt“?
    Und überhaupts, wer erklärt den geschädigten Kindern und uns stinknormalen Lesern das unheilige Schweigen zur Sache, dass sich wie ein Totentuch über die Stadt Passau gelegt hat? Sicher, die PNP und Hubert Denk haben dieses Tuch ein bisschen angehoben – aber wieso blieb alles, was Kindern und Eltern, Lehrerin und Kindergartenerziehern bei Missbrauchs-Verdacht angeraten wird, in Passau ausgespart?

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