Unfassbar: In neun Schritten zum Blog-Promi!

Sie wollen ein berühmter Blogger werden? Eine echte 2.0-Größe? Ein Social-Media-Gigant? Einer von denen, die vorbehaltlos zitiert werden, selbst dann, wenn sie lediglich mitteilen, dass heute Sonntag ist? Und Sie wollen leicht gegoogelt werden und von Ihren Flattr-Einnahmen leben? Dann lesen Sie bitte die 10 Thesen für die richtige Promi2.0-Strategie. (Eigentlich sollte dieser Text im Ausbildungsbuch „Universalcode“ erscheinen, fiel aber dann aus unerklärlichen Gründen durch die Redaktionskonferenz!)

1. Seien Sie kategorischer Imperativ!

Natürlicher verwendet in der Zwonull-Brangsche kein Mensch mehr diesen verstaubten Begriff. Stattdessen nennt man sowas gerne einfach mal „Rant“. Der Vorteil des Rants ist überdies, dass er inhaltlich nicht mal sonderlich fundiert sein muss, es reicht die formale Einhaltung der äußeren Pöbelei. Beschimpfen Sie Leute, achten Sie dabei aber darauf, dass es sich bei den zu Beschimpfenden im Angehörige der analogen Klasse handelt. Gut geeignet sind generell Zeitungsverleger, Unionspolitiker oder Bodo Hombach.

2. Setzen Sie eindeutige Reize!

Achten Sie darauf, starke Formulierungen zu verwenden. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie hohe Flattr- Einnahmen erzielen und möglichst oft retweetet werden wollen. Gut geeignet sind Begriffe wie „kotzt mich an“, „haut doch einfach wieder ab“ oder „niemand braucht euch“. Sehr wichtig im Hinblick auf Ihren Flattr-Kontostand ist es, regelmäßig Begriffe wie „unfassbar“ einzustreuen. Das gilt generell für alle Wörter, die mit „un“ beginnen. Eines der weit verbreitesten Missverständnisse ist es übrigens zu glauben, es gebe einen Kausal-Zusammenhang zwischen Tiefe der Recherche, Länge und Qualität der Texte und den Flattr- Einnahmen. Richtig ist vielmehr, dass ein Text ohne den Begriff „unfassbar“ und einer ordentlichen Portion Aufgeregtheit kaum eine Chance hat, auch nur einen Cent zu bekommen.

3. Differenzieren Sie nicht zuviel!

Blogleser und anderer potentielle Flattr-Spender handeln spontan. Verzichten Sie also darauf, spontane Entschlüsse durch allzu viel Differenziertheit zu behindern. Setzen Sie lieber eindeutige Punch-Lines und ledern ordentlich drauflos. Differenzieren können Sie ggf. später noch genug, wenn Sie berühmt sind. Dann nämlich können Sie ungefähr alles schreiben und bekommen dennoch Flatts, sogar schon dann, wenn ihr Text noch gar nicht veröffentlicht ist. Das ist allerdings ein sehr langer Weg und nicht vielen vergönnt.

4. Machen Sie sich selbst zur Marke!

Es sind harte Zeiten und Journalisten im digitalen Dschungelcamp können keinesfalls mehr darauf vertrauen, dass sie wegen ihrer herausragenden Texte gelesen werden. Sie brauchen ein Image, ein Markenzeichen. Machen Sie sich also unverwechselbar. Möglichkeiten gibt es etliche, wenn man ein wenig kreativ denkt. Legen Sie sich eine eigenwillige Frisur zu! Fotografieren Sie Ihren Hund und stellen das bei Facebook ein! Fotografieren Sie Ihr Fahrrad (Sommer), Ihren Schlitten (Winter) oder Ihr Mittagessen (immer)! Kampieren Sje vor Computerläden, kaufen einen Kleincomputer und lassen Sie die Welt daran teilhaben! Oder, ganz neu: Kündigen Sie in Ihrem Blog an, ein Buch schreiben zu wollen!

5. Keine falsche Bescheidenheit!

Sie wundern sich, so selten retweetet oder geliked zu werden? Keine Hemmungen, jeder hat mal so angefangen! Legen Sie sich mehrere Accounts zu und twittern Sie Ihre eigenen Beiträge, um sie dann vom Zweit- oder Drittaccount zu retweeten. Und zu liken. Vergessen Sie aber gerade am Anfang nicht, nach angemessener Zeit sich für die enorme Resonanz zu bedanken, um dann nochmals auf den Beitrag mit der irren Resonanz zu verlinken. Selbst dann, wenn der Beitrag nur 7 Leser hatte. Viel ist schließlich relativ. Diese Multipersönlichkeits-Strategie funktioniert fast immer, außer in Blog-Kommentaren.

6. Sammeln Sie Abmahnungen!

Generell gilt: Ein Blogger ohne Abmahnung wird nicht als relevant wahrgenommen. Aber keine Sorge, das geht ganz einfach. Beleidigen Sie einfach jemanden (generelle Formel: Schimpfwort, gepaart mit dem Begriff „unfassbar“, also bspw. „unfassbarer Demagoge“). der Vorteil dieser Methode ist, dass es sich dabei um kostenneutrales Marketing handelt. Lassen Sie Ihre Leser von der Abmahnung wissen und bringen Sie einen Spenden-Button auf Ihrer Seite an. Gut kommt es auch, wenn Sie die daraus zu erwartenden Überschüsse für einen guten Zweck spenden, am besten für eine Journalistenorganisation.

7. Stellen Sie Thesen auf!

Der Flattr- und Twitterfähige Text darf in keinem Fall aus schnöden Absätzen bestehen. Fügen Sie stattdessen vor jedem Abschnitt einen prägnanten Zwischentitel ein, zählen Sie am Ende die Abschnitte und nennen den Text dann bspw. „Zehn Thesen zur Zukunft der Zeitung“. Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass es sich um Thesen handelt, selbst wenn Sie nur ein wenig unverbindlich geplaudert haben.

8. Treten Sie aus dem Journalistenverband aus!

Sie brauchen dafür keinerlei Begründung. Hauptsache, Sie machen das öffentlichkeitswirksam.

9. Vermeiden Sie die Humorfalle!

Bitte beachten: Sie können sich selbst gar nicht ernst genug nehmen! Humor funktioniert nur selten, Selbstironie beendet jede 2.0-Karriere unweigerlich.

Dieser Beitrag hat 20 Kommentare

  1. Horst JENS

    Nur 9 Thesen ? Unfassbar wenig.

  2. Chat Atkins

    Hier spricht die Blog-Polizei: Sie haben soeben gegen ‚Regel 9‘ verstoßen!

  3. Heike Rost

    Wo ist eigentlich die angekündigte zehnte Regel, Herr Jakubetz? XD
    („Erklären Sie sich zum Propheten!“ wie Bernhard Poerksen bei Carta schrieb??) … hach. :-))))

  4. vera

    @Heike, Du hast mir das Wort aus dem Mund genommen.

  5. Luca

    10. Damit Sie ordentlich verbreitet werden, fordern Sie die Leser nochmal so richtig auf, ihren Artikel auf jeden Service zu posten, wo sie angemeldet sind. http://twitpic.com/3sempw

    (Mir ist klar, dass das nur im Reader so dargestellt wird, fand es dennoch passend.)

  6. mobo

    Bei mir hat es gewirkt: Ich habe den Flattr-Button gedrückt.

  7. egghat

    Jetzt verstehe ich, warum ich so wenig Leser habe. Ach Mist, Danke für die große Resonanz wollte ich sagen.

  8. Roman Zenner

    Wichtiger Punkt wurde vergessen: Auf die Frisur achten! 😛

  9. Viktor

    mit Scheiße kann man auch Geld verdienen!

  10. Floyd

    Amüsant und unterhaltsam. Habe gleich mal versucht Regel 1 in die Tat umzusetzen. Einfach während der Autofahrt mal alles beschimpft was geht. Meinst du es ist gelungen, oder sollte man nicht noch eine Stufe höher schalten?

    Der Autoschimpfboo

    Für weitere Schimpfwörter bin ich sehr dankbar. Was du aber vergessen hast ist noch eine waahhhnnnssinnnig lange Blogroll von Blogs, die man nicht liest;)

  11. Floyd

    Oh sorry, für einen Klick auf flattr hat es natürlich auch gereicht 😉 Danke.

  12. cjakubetz

    @Floyd: Das darf ruhig noch polemischer werden. Ansonsten: twittern und Friseurbesuch nicht vergessen!

  13. Floyd

    Du meinst ehrlich, die langen Haare alle ab? Das geht nicht, ist der Weg für Langhaarige zum Blog Promi länger? Ich vermute fast ja. 😉

    An der Polemik werde ich noch arbeiten und dich auf dem Laufenden halten.

  14. Roger Hunziker

    Jak Blog Kommentar:

    Der wichtigste Punkt kommt aber erst am Schluss: dass Selbstironie nicht funktioniert ist sicher eine Tatsache. In meinen Anfangstagen auf Twitter dachte ich noch dass man mit Humor weiterkommt. Klar, bei Twitter darf Humor sicher einfliessen aber er sollte organisch sein und nicht auf Biegen und Brechen erzwungen werden. Selbstironie ist sicherlich tödlich, da bin ich 100% konform. Das heisst ja nicht dass man nicht eine Prise Humor durscheinen lassen darf, nur man muss seinen Blog wirklich über alles stellen und sich abrackern bis zum umfallen wenn man Erfolg haben will. Die Strategie „Rantig“ zu sein funktioniert sicher relativ oft aber das kann auch in die Hose gehen, denn Pöbelei um der reinen Provokation willen mögen funktioniert vielleicht kurzfristig gut aber damit geht man auch vielen auf die Nerven und die Leute wenden sich ab. Es stimmt aber sicher dass viele Leser spontan handeln und als Blogger sollte man über eine gewisse Spontanität verfügen. Das man sich selber zur Marke macht ist ein ausgezeichneter Tip, der erwiesenermassen sehr gut funktioniert. Nur finde ich dass man einfach mit gutem Content langfristig am besten fährt, leider gehen die guten Inhalte heute oft in der grossen Masse unter. Um sich da durchzusetzen braucht man harte Bandagen und die Strategien hier können auf dem Weg an die Spitze sicher helfen- das wichtigste ist trotzdem dass man einfach authentisch und ehrlich bleibt. Niemand schafft es sich auf Dauer zu verstellen.

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