Franz Josef und das Panikorchester

Gott erlöse uns von der Seuche, barmt Franz Josef Wagner heute in der „Bild“ — und fragt: Hat jemand einen besseren Vorschlag? Ja, würde man ihm gerne antworten, zumindest wenn es um die Seuche geht, die gar keine ist, sondern eine Infektionskrankheit namens EHEC. Ein bisschen weniger Panik verbreiten, die Dinge so erzählen, wie sie sind, aus einem unbestritten gefährlichen Virus das machen, was er ist. Gefährlich,  aber kein nicht mehr aufzuhaltender „Killerkeim“. Weitgehend unbekannt bisher, aber beherrschbar. Heftig, aber kein Todesurteil für die Betroffenen.

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Es war ja nicht anders zu erwarten. Speziell „Bild“ hat in den vergangenen Wochen mal wieder alle Panik-Register gezogen. Aus dem Virus wurde der „Killer-Keim“, der wahlweise aus Holland, Spanien oder Norddeutschland stammte. Zu finden war er auf Gurken, Tomaten, Sprossen oder vielleicht auch einfach wild zappelnd durch die Luft fliegend und sich aggressiv auf unschuldige Passanten stürzend. Die Epidemie war für „Bild“ ungefähr am zweiten Tag des Auftretens ausgemacht, nach den ersten Toten fragte das Blatt bereits: Droht eine Pandemie? Sie drohte ungefähr so intensiv wie bei der Schweinegrippe, der Vogelgrippe, der alljährlichen Wintergrippe, dem Rinderwahnsinn und allen anderen Krankheiten, die in den letzten Jahren auftauchten und nicht sofort impfbar waren. Dass „Bild“ so etwas macht, weil sich der „Killerkeim“ besser macht als ein bis dato unbekannter Erreger, ist ja nicht weiter wunderlich. Sehr viel erstaunlicher ist, wie viele Medien das Spiel mit dem Killerkeim inzwischen seit Wochen betreiben. Vom „Killerkeim“ schreiben jedenfalls inzwischen viele.

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Erstmal die Fakten: Unstreitig auf EHEC zurückzuführen sind in Deutschland bisher 21 Todesfälle. Ca. 2000 Menschen sind angeblich infiziert. Gemessen an der Gesamtbevölkerung von rund 80 Millionen Menschen bewegt sich die Zahl derer, die betroffen sind, momentan im Promillebereich. Sollte sich bestätigen, dass man mit den Sprossen in Niedersachsen die Quelle des Erregers gefunden hat, gehen Wissenschaftler davon aus, die ganze Sache in absehbarer Zeit eindämmen zu können.  Natürlich sind 21 Tote weder zu verharmlosen noch zu relativieren. Man muss aber angesichts der grassierenden Medienhysterie und der vermeintlich drohenden Pandemien auf ein paar Dinge hinweisen:  Alleine in Bayern kommen in einem durchschnittlichen Monat ungefähr genauso viele Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Jahr für Jahr geht die Zahl der Unfalltoten in Deutschland in die Tausende, ohne dass ein Kommentator fordert, der Herrgott möge uns von der Seuche Straßenverkehr erlösen. Die Zahl derer, die jeden Winter an schwerer Grippe erkranken, ist deutlich höher als die der rund 1200 Menschen, die jetzt EHEC erwischt hat. Niemand hat deswegen Angst vor der nächsten „Seuche“, die nächsten Winter sicher wieder über uns kommen wird. Und schließlich noch ein Fakt: An Antiobitotika-resistenten Keimen erkranken in Deutschland Jahr für Jahr rund eine Million Menschen. Solche Keime kommen (manchmal) sehr schnell und ebenfalls manchmal hat man sie auch schnell wieder unter Kontrolle. Mag also durchaus sein, dass EHEC eines dieser Phänomene ist und ein potentiell lebensbedrohlicher Keim ist auch nichts zum spaßen. Aber er ist auch keine potentielle Pandemie.  Die Tatsache, dass das Atomdesaster in Japan weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden ist und durch einen rästelhaften Erreger, an dem ein Promilleanteil der deutschen Bevölkerung erkrankt ist, abgelöst wurde, darf man mit einigem Recht Hysterie nennen.

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Natürlich hat die „Bild“ mal wieder besonders übertrieben, aber es wäre zu einfach, wenn jetzt alle wieder mit den Finger nur auf sie zeigen würden. Tatsächlich gab es in den Redaktionen in den letzten Wochen kaum jemanden, der einfach mal zur Besonnenheit riet. Und nicht nur das: Sobald auch nur irgendein Gerücht über die mögliche Herkunft auf dem Markt war, überschlugen sich die Nachrichten: „Spuren“ führten demnach nach Spanien, nach Holland und nach China und die Hamburger Wasserschutzpolizei „jagte“ laut MoPo sogar den Killerkeim, als ruchbar wurde, er sei auf Gurken gefunden worden. Den Unsinn muss man sich mal vorstellen: Eine Wasserschutzpolizei jagt einen auf Gurken auffällig gewordenen Keim; man würde wirklich gerne wissen, ob sie dabei auch Sirene und Blaulicht eingeschaltet hat. „Bild“-Reporter machten unterdessen die vermeintliche Unglücksgurkenfarm ausfindig und reisten dafür extra nach Spanien, vermutlich unter Einsatz ihres Lebens. In Österreich warnten Zeitungen unterdessen die heimischen Fußballfans vor den EHEC-infizierten Deutschen. Und obwohl bei nahezu jeder neuen „Spur“ von Experten darauf hingewiesen wurde, dass man mit letzter Sicherheit noch nichts sagen könne, wurde aus einer Vermutung schnell eine Schlagzeile (und damit irgendwie unumstößliche Volksmeinung): In München und in Berlin habe ich vergangene Woche große Hinweisschilder in Restaurants und ähnlichem gesehen, dass man im Interesse der Gesundheit der Massen vorläufig auf Tomaten und Gurken verzichte, dabei waren es die doch ganz offensichtlich gar nicht. Momentan sollen stattdessen Sprossen aus Niedersachsen und irgendwelche Merkwürdigkeiten aus China schuld sein. Und obwohl die Experten schon wieder deutlich darauf hinweisen, dass man einen Beleg dafür noch nicht habe, wissen wir, den Medien sei dank, jetzt Bescheid. Keine Sprossen mehr, um Himmels willen! Und schon gar nicht aus Niedersachsen!

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Das ist unsere tägliche Desinformation, in einem Zeitalter, von dem wir dachten, es sei aufgrund seiner Informationsdichte und der ungeheuren Schnelligkeit in Sachen Wissen und Information allem bisher dagewesenen überlegen. Dabei gehören die ganzen Viren- und andere Gruselgeschichten der letzten Jahre ziemlich genau in die Kategorie, die Nick Davis in seinem Buch „Flat Earth News“ als solche bezeichnet. Als Nachrichten, die mal eben „flat“ um die Welt gehen, ganze Ernten in fremden Ländern kaputtmachen, unnötige Hysterien erzeugen, nicht weiter hinterfragt werden. Der Killerkeim hat Leute umgebracht, das muss reichen. Im täglichen hecheln um die beste (Flat-) News werden Überschriften gemacht, bei denen man es nicht mal mehr der Mühe wert befindet, ein paar Grundregeln einzuhalten. Beispielsweise die, dass man, wenn man etwas nicht weiß, dies auch zum Ausdruck bringt, beispielsweise mit dem Wörtchen „soll“ oder der segensreichen Erfindung des Fragezeichens. Stattdessen: Wenn man den Begriff „Killerkeime stammen von Gurken“ googelt, kommt man auf fantastische 692.000 Treffer. Googelt man in fünf Tagen „Killerkeime stammen von Sprossen“ wird die Trefferquote ähnlich sein. Momentan findet man nur 110.000 Treffer, darunter sogar mehrere mit einem zweifenden Fragezeichen hintendran.

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In schierer Verzweiflung fragt bild.de gerade jetzt im Moment, wo es die Sprossen vielleicht auch nicht waren: Wem sollen wir noch glauben? Eine Antwort könnte zumindest sein, wem man besser nicht glauben sollte.

Dieser Beitrag hat 14 Kommentare

  1. cwoehrl

    Ganz aufschlussreich ist auch, wenn man mal bei Statista nach dem Stichwort EHEC sucht. So findet man (Stand heute am Mittag) da zwei Balkendiagramme, deren eines tatsächlich spektakulär aussieht, bis man die absoluten Werte betrachtet, und deren zweites die Luft aus der Hysterieblase gänzlich herauslässt.

  2. Dierk

    Wichtige Klugscheißerei im Anmarsch.

    EHEC sind KoliBAKTERIEN, nicht Viren. Das ist ein in vielerlei Hinsicht bedeutender Unterschied, u.a. bei der Behandlung mit Antibiotika, die bei Viren gar nicht funktionieren. Daher ist es reine Geldschneiderei – und langfristig eine Gefahr für individuelle und Volksgesundheit -, sie bei Erkältungen/Grippe einzusetzen.

  3. olfinger

    es ist ja immer interessant, wenn jemand journalisten kritisiert und selbst vom thema offensichtlich wenig ahnung hat. vorweg: ich halte die reißerische berichterstattung der bild ebenfalls für äußerst fragwürdig.
    dennoch sind es in der bild wenigstens killer-„keime“ und kein virus, wie in ihrem blog behauptet.
    zwei weitere punkte in ihrer kritik sind überaus fragwürdig:

    1.: woher wissen sie, ob frühe warnungen und die damit verbundene berichterstattung nicht dazu beitrug, dass weniger menschen infiziert wurden?
    2.: ihnen scheint nicht klar zu sein, dass der „neue“ erreger das potential hat, immer wieder aufzutreten. wenn so ein ding erstmal in der welt ist, dann sucht es sich auch seine wege. zum vergleich: bei einem ehec-ausbruch in japan sind von mehr als 12000 nachweislich infizierten nur gut 120, also etwa ein Prozent an hus erkrankt. der „neue“ (besser mutierte) erreger hat eine hus-quote von mehr als 40%.

    behörden haben die pflicht, frühzeitig vor solchen risiken zu warnen. medien haben die pflicht, die informationen möglichst vielen zugänglich zu machen, damit sie sich schützen können. es dürfte bestimmt nicht schaden, wenn die leute sich die hände waschen und verdächtiges gemüse bis zum ende der infektionswelle kochen.
    das wird in vielen medien übrigens auch völlig sachlich dargestellt.
    völlig unsachlich ist aber der immer wiederkehrende vergleich mit toten im straßenverkehr. aber das scheint ja des bloggers liebling zu sein, früher oder später kommt der immer. genauso wie der mit den äpfeln und den birnen.

  4. Neuleerer

    Noch eine Klugscheißerei:

    Promille heißt nicht „ein ganz kleines bisschen“, sondern ein Tausendstel. Hier also 80.000 Menschen. Es sind aber noch viel weniger betroffen.
    Also entweder: Gaaanz wenig (für die Betroffenen trotzdem tragisch) oder konkret, in Zahlen – 0,025 Promille.

  5. Heini

    Ich mag die Panikmache auch nicht. Allerdings finde ich es durchaus richtig, dass mögliche Übertragungswege in den Medien genannt werden. Als es z.B. hiess, man solle vorläufig auf Gurken/Tomaten in Norddeutschland verzichten, war das schon eine vernüftige Meldung, um weitere Infektionen zu verhindern.

    Das Problem ist, war unsere Zeitungen daraus gemacht haben. „Killergurke“ aus Spanien ist eben nicht nur unsachlich sondern inzwischen nachweislich falsch. Es scheint – auch in ZEIT und FAZ (das sind die deutschen Zeitungen, die ich meistens lese) – nicht mehr möglich zu sein, ohne Hysterie über solche Themen zu berichten.

    @Dierk
    EHEC ist ein Bakterium, aber aufgrund der Symptome nicht sicher mit Antibiotika behandelbar. Ich denke auch, dass der unsachgemäße und machmal übertriebene Einsatz von Antibiotika vielleicht ein anderes Thema ist, das von der hier angesprochenen Problematik ablenkt.

  6. Logiker

    @ Dierk, nicht nur Klug-, sondern auch Dummscheißerei.

    KEIN Arzt behandelt Grippe mit Antibiotika. Dafür gibt es entsprechende antivirale Medikamente.

    Wenn jedoch bei einer Influenza zusätzliche Infektionen mit Bakterien auftreten (z.B. eitrige Halsentzündung, Bronchitis oder Lungenentzündung) ist eine Antibiotika-Therapie angesagt.

    Daher ist der Einsatz von Antibiotika häufig äußerst sinnvoll, auf keinem Fall Geldschneiderei und der Nutzen in jedem Fall höher als der potentielle Schaden. Der Nichteinsatz wäre dagegen eine Gefahr für die „Volksgesundheit“ (was ein dämlicher Begriff…. niest demnächst Niedersachsen und Bayern legt sich einen schal um???)

  7. daMasta

    Guter Beitrag, wie ich finde. Eine Anmerkung aber: Selbst von „Promillebereich“ zu sprechen ist mMn noch übertrieben. Bei 80k fällen hätten wir 1 Promill. Die zZ etwa 2k machen also gerade mal ca. 0,025 Promille aus.

    Es gibt ja Redewendungen wie z.B. „im einstelligen Promillebereich“ = zw. 1 u. 10 Promille
    Sowas wie „im zweinachkommastelligen Promillebereich“ kenne ich aber nicht 😉

  8. Fuxi

    Wenn der EHEC-Erreger ein „Killer-Keim“ ist, was ist dann erst HIV? DER Virus tötet NUN WIRKLICH Menschen, und das seit Jahrzehnten. Jährlich sterben ca. 500 Menschen an AIDS, und jährlich infizieren sich 3.000 Menschen neu, allein in Deutschland.
    Die BZgA hat veröffentlicht, dass jedes Jahr allein in Deutschland 74.000 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum sterben. Spricht da jemand von „Killer-Alk“?
    Nach Medizinerangaben von 2003 sterben TÄGLICH 340 Menschen an den Folgen des Rauchens. Spricht man deshalb vom „Killer-Nikotin“?

    Soweit dazu.

  9. olfinger

    @fuxi: ja. sowohl alkohol, als auch nikotin haben ein klares killer-image. auf zigarettenschachteln wird’s sogar draufgedruckt. am besten wird jetzt auch noch der hinkende vergleich mit der altersschwäche gebracht, und dass niemand von killer-altersschwäche spräche, obwohl doch so viele menschen an altersschwäche sterben.
    das interessiert doch in diesem zusammenhang gar nicht. menschen sterben. ja. immer wieder und am ende alle.
    aber menschen wollen auch informiert werden, wenn gefahren bestehen und wie sie sich vor unnötigen risiken schützen können.
    wenn man ihrer logik folgt, dann liegt die anzahl deutscher touristen, die in den vergangenen jahren in afghanistan umgebracht wurden im 0,00-promillebereich (mathematiker mögen mir eventuelle ungenauigkeiten verzeihen). und das ist jetzt der beweis dafür, dass es ungefährlich ist, sich in afghanistan aufzuhalten?
    es mag ja spaß machen, journalisten im allgemeinen panikmache und unsachlichkeit vorzuwerfen. aber ich halte es für mindestens genauso großen blödsinn, da alle in einen topf mit den formulierungsübertreibern der bild zu werfen.
    meine frage: warum konsumieren sie überhaupt noch die „alten“ medien? lassen sie das doch einfach. es gibt bloggs. da wissen alle immer ganz genau bescheid, vieles besser und überhaupt viel schneller.
    wir journalisten sind eh alle nur quotengeile katastrophenerfinder.

  10. Klaus

    Die Berichterstattung finde ich insgesamt recht in Ordnung. Umfangreiche Information ist in diesem Fall notwendig, gleichzeitig wird der Fall aber auch nicht so übertrieben dargestellt wie bei Vogelgrippe und co.

    Killer-Keim ist zwar die typische emotionale Bild-Sprache, aber treffender als „Virus“.

    Der Vergleich mit Fukushima leuchtet auch nicht ein, schließlich sterben an EHEC tatsächlich Menschen, was in Fukushima zum Glück noch nicht passiert ist und mit etwas Glück auch so bleiben wird.

  11. Dierk

    @Heini
    Mein Fehler, ich hätte das deutlicher auseinander halten sollen, ich meinte nicht, dass EHEC mit AB behandelt werden könne oder solle. Meines Wissens würde eine solche Behandlung die Giftausschüttung des Bakteriums sogar ankurblen, somit kontrproduktiv sein.

    @Logiker
    Statt um sich zu schlagen, und irgendwas rein zu interpretieren, könnten Sie sich mit dem beschäftigen, was ich schrieb. Ich erläutere Ihnen mein Post gerne ein wenig:

    1. Ich kenne Ärzte, die sehr wohl – oft auf Wunsch von Patienten – AB bei einer Erkältung verschreiben. Damit ist Ihre Aussage ‚KEIN‘ widerlegt.
    2. Sicherlich mag es in Einzelfällen sinnvoll sein, erst einmal einfach in den Griff zu bekommende Nebenerkrankungen zu behandeln – auch mit AB, sofern nötig.
    3. ‚Volksgesundheit‘ ist ein anerkanntes Wort. Es bezieht sich auf [mögliche] Erkrankungsraten aller Menschen eines Staates*. Es mag sein, dass Ihnen Ihre Gesundheit näher liegt als meine, aber für die Eindämmung von Epidemien spielt die Individualgesundheit eine untergeordnete Rolle.
    4. Mir ging es wie Olfinger um einen Schwachpunkt des Textes von Herrn Jakubetz, der seine völlig berechtigte Kritik beschädigt, nicht um mehr, nicht um weniger.

    *bzw. einer staatenübergreifenden Region

  12. Rollo

    Ich kann es nicht mehr lesen! Jeder selbsternannte Medienkritiker, der etwas auf sich hält, muss in diesen Tagen wieder mal mit dem Totschlagargument „Panikmache“ rumeiern. Google-Ausschläge gibts leider nicht nur beim „Killerkeim“ – auch „EHEC Panikmache“ hat Inflation und bringt mehrere Tausend Treffer. Da kann der eigene Wissensstand noch so löchrig sein, die Argumente noch so schwach – beim Hype-Bashing wollen alle dabei sein.

    Um nur mal ein Pseudo-Argument herauszupicken: Der Vergleich mit der Zahl der Toten im Straßenverkehr hinkt nicht nur, er liegt mit mehreren Trümmerbrüchen schon längst im Straßengraben. Denn als Verkehrsteilnehmer weiß ich nunmal, auf was ich mich einlasse. Ich muss damit rechnen, dass ein Halbstarker im PS- und Alkoholrausch mir jederzeit auf der Landstraße entgegenkommen kann. Das ist seit Langem bekannt – und muss deswegen nicht jeden Tag der Aufmacher sein. Dass mir aber Gefahr droht, wenn ich nur in einem Restaurant die Salatbeilage esse, ist nicht nur neu, sondern schlichtweg besorgniserregend. Wer das nicht ernst nimmt, dem fehlt die Nähe zu den Menschen, für die wir berichten.

    Mir ist das immer zu einfach, wenn davon ausgegangen wird, dass in den Redaktionsstuben nur Klick- und Quotenhuren sitzen, die für eine gute Überschrift ihre Oma verkaufen würden. Um mal aus dem Nähkästchen zu plaudern: Wir (ich arbeite beim NDR) haben natürlich auch die Sorge gehabt, dass wir am Panikrad drehen, haben deswegen möglichst viele Stimmen eingeholt, die uns das Ereignis einordnen sollten. Was soll ich sagen: Alle Experten (Mikrobiologen, Ärzte etc.) betonten, dass sie von dieser Infektionswelle überrascht wurden, dass sie die Lage als außergewöhnlich und teilweise dramatisch einstuften.

    Und auch wenn eine nüchterne Statistik die Opferzahlen nur im Promillebereich sieht – zumindest hier in Norddeutschland und speziell in Hamburg bewegt es die Menschen. Denn fast jeder kennt jemanden im erweiterten Bekanntenkreis, der von EHEC betroffen ist. Die Möchtegern-Medienkritiker sollten doch mal in den Notaufnahmen, bei den Ärzten und Pflegern im Überstundenstress, bei den besorgten Angehörigen im Krankenhausflur oder den Patienten, die mit dem Hubschrauber in die nächste Uni-Klinik geflogen werden nachfragen, ob der Medien-Hype wirklich das brennendste Problem in der EHEC-Krise ist.

    Und da der Autor ja selber den Bogen nach Japan schlägt: Wenn man sich mal für einen winzigen Moment auf die Argumentation dieses Posts einlässt, dass die Zahl der Todesopfer das zentrale Kriterium für die Art der Berichterstattung sein sollte, müssten wir doch sofort die Berichterstattung über Fukushima einstellen… „Promilleanteil!“.

    So könnte man eigentlich jeden Satz kopfschüttelnd abhaken. Am Ende bleibt die Feststellung, dass „Bild“ mal wieder übertrieben hat. Ähnlich originell als wenn ich mich drüber beschweren würde, dass RTL II schon lange keine Opernaufführungen mehr im Programm hatte. Danke für nix!

  13. Logiker

    @ Dierk
    Wenn Sie behaupten, ich schläge um nich, haben Sie ein intellektuelles Problem. Ich habe nur angesprochen, was an Ihrer Polemik absolut falsch ist. Ich erläutere Ihnen Ihre Denkfehler gerne ein wenig:

    1. „Ich kenne Ärzte“, schrieben Sie, naja, anekdotische Erfahrungen ersetzen keine Wissenschaft, außer bei Esoterikern…., „die sehr wohl – oft auf Wunsch von Patienten – AB bei einer Erkältung verschreiben.“ Das sind keine Ärzte, sondern Kurpfuscher. Ich rede von richtigen Ärzten, keinen Ärzten, die auf der einen Seite Homöophatika verordnen und auf der anderen Seiten, um rechtlich sicher zu gehen, solchen Mist verschreiben.
    2. „Sicherlich mag es in Einzelfällen sinnvoll sein, erst einmal einfach in den Griff zu bekommende Nebenerkrankungen zu behandeln – auch mit AB, sofern nötig.“ Das sind keine Einzelfälle. Grippe geht fast immer mit eitrigen Erkrankungen einher. Oder niesen Sie nicht bei einer Grippe??????
    3. „‘Volksgesundheit’ ist ein anerkanntes Wort.“ Ja, aber nur bei der Bild und bei denen, die von einem „gesunden Volkskörper“ sprechen und sich die jahre 1933 bis 1945 zurücksehnen. Ansonsten: NEIN!
    4. „Mir ging es wie Olfinger um einen Schwachpunkt des Textes von Herrn Jakubetz, der seine völlig berechtigte Kritik beschädigt, nicht um mehr, nicht um weniger.“ Nö, Ihnen geht es um nationalfaschistisch-esoterisches Nörgeln.

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