Die große Entbündelung

Wir denken immer noch zuviel in Kategorien wie Plattformen oder Zeitungen. Dabei zeigen Apple News und Blendle einmal mehr: Journalismus der Zukunft wird in erster Linie entbündelt stattfinden. Das muss kein Fehler sein.

Jetzt also Apple: „News“ heißt das Ding, das unter dem Strich nichts sehr viel anderes ist als eine moderne „Zeitung“ auf dem Smartphone oder dem Tablet. Verlage können für die App zuliefern und bekommen dafür irgendwie auch Geld. Wem das bekannt vorkommt: Eine sehr ähnliche Idee hatte Facebook unlängst mit seinen „Instant Articles“.

ios9-apple-news-for-you

Der Entrüstungsschub, dem sich Facebook nach der Präsentation seinen Modells ausgesetzt sah, blieb bei Apple bisher aus. Vielleicht auch deswegen, weil die Entrüstung irgendwie schon aufgebraucht war. Und vielleicht auch deshalb, weil man sich auf Journalistenseite gerade unter Schmerzen an einen Gedanken gewöhnt; gewöhnen muss: Journalismus ist schon noch wichtig und wird auch weiter gebraucht. Nur die Verpackung, das was bisher insbesondere Zeitungen waren, das sieht jetzt und in Zukunft eindeutig anders aus.

Verpackungen, das werden im Zukunft immer häufiger Kuratoren und Aggregatoren sein. Angebote wie Flipboard beispielsweise, auch wenn man sich nicht wundern sollte, wenn von Flipboard angesichts der schieren Marktmacht von Apple oder Facebook von Flipboard nicht mehr so wahnsinnig viel übrigbleibt. Ganz sicher wird auch ein Angebot wie das jetzt auch in Deutschland startende „Blendle“ seinen Anteil dazu leisten, dass sich der Journalismus zusehends entbündelt.

Das muss erst einmal nicht so schlecht sein, wie man es angesichts der kurzfristigen Hysterie  um die „Instant Articles“ hat vermuten können. Weil diese Entbündelung erst einmal nur bedeutet, dass es für Journalismus weitere Vertriebskanäle gibt – und dass man den veränderten Nutzungsegwohnheiten entgegen kommt. Es wäre schließlich naiv zu glauben, dass Journalismus auch weiterhin nur in ganzen Paketen konsumiert werden kann. Natürlich, wer seine SZ oder seinen Spiegel haben will, der wird ihn auch weiter kaufen. Komplett, auch mit den Geschichten, die er nicht lesen will. Vermutlich deshalb, weil sein Vertrauen in die Redaktionen so groß ist, dass er ihnen zubilligt, der bestmögliche Kurator der Welt zu sein.

Gleichzeitig aber gibt es eben auch all jene, die sich vielleicht für eine oder zwei Themen einer Ausgabe interessieren, deswegen aber nicht gleich 30 weitere Themen dazu kaufen wollen, die ihnen vergleichsweise egal sind. Die Musikindustrie hat genau diesen Prozess schon hinter sich. Sie beklagt zwar nicht ganz zu Unrecht, dass diese Entbündelung das Ende des Albums gewesen sei. Auf der anderen Seite hat sich aber eben auch rausgestellt, dass der Kunde dieses Konzept des kompletten Albums immer weniger goutierte.

Es wäre nicht erstaunlich, wenn der Journalismus eine ähnliche Entwicklung nähme. Wenn er sich immer weniger in ganzen „Alben“ und zunehmend mehr in Einzelteilen verkaufen würde.

Dass ein Song wie Pharell Williams´ „Happy“ über 40 Millionen Mal gestreamt werden musste, um seinem Schöpfer knapp 3000 Dollar an Tantiemen zu bringen – das steht dann leider wieder auf einem ganz anderen Blatt.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.