Das Fazit der Re:publica 2017: Es gibt zwar immer noch ein paar Nörgler, die irgendwas von selbstreferentieller Elite faseln. Tatsächlich aber kann man von der rp17 vor allem eines mitnehmen: Digital ist Mainstream, analog ist die neue Avantgarde. Read More
Dieses Jahr also angeblich über 9000. So viele Besucher wie noch nie auf einer re:publica, die Meldung kommt mittlerweile zuverlässig jedes Jahr. Man gewöhnt sich daran, immer neue Superlative zu hören.
Und man nimmt dafür sogar in Kauf, dass bei den Top-Sessions langes Anstehen eher die Regel als die Ausnahme ist. Dass es immer noch kein funktionierendes Netz gibt, was man beispielsweise einem Zeitungsverleger-Kongress genüsslich um die Ohren hauen würde. Und noch ein paar andere Sachen. Alles in allem gilt: Der re:publica verzeiht der routinierte re:publica-Gänger ungefähr alles. Am nächsten Morgen herrscht dann Blues, man findet, es könnte eigentlich alles noch einen Tag länger gehen – und man freut sich schon jetzt auf das kommende Jahr (2. bis 4. Mai 2018). Kurzum: Die re:publica gehört für seine Stamm-Klientel inzwischen so zum Jahresablauf wie Ostern und Weihnachten.
Natürlich könnte man jetzt auch darüber reden, ob man unbedingt Daimler als Sponsor haben und überhaupt so viele Aussteller sehen will und ob das hübsche, kleine Bloggertreffen aus dem Jahr 2007 nicht inzwischen ganz schön kommerzialisiert ist. Aber davon abgesehen, dass das reichlich dünkelhaft wäre: Die Zeiten ändern sich, liebe Leute, deal with it. Was noch vor ein paar Jahren reine Avantgarde war, kommt immer mehr im Mainstream an. Umso schöner ist es, dass man sich auf der re:publica immer noch Sessions zu den Themen sensorvermessene Kühe oder Ficken für den Weltfrieden anhören kann.
Aber ansonsten: Digital ist der neue Mainstream. Analog wird die künftige Avantgarde.
Der analoge Gegentrend läuft in der Nische
Es gibt mittlerweile Bücher, die heißen „Die Rache des Analogen“ und zunehmend mehr Menschen reden irgendwas von Gegentrends und der Rückkehr von Sachen, die man anfassen kann. Allerdings verschweigen sie dabei gerne mal, auf welch niedrigem Niveau diese Trends sind. Die gute alte LP kommt also zunehmend wieder zurück. Trotzdem aber ist dieses ganze digitale Zeugs die bevorzugte Nutzungsvariante für Musik. Genauso wird es zunehmend mehr mit dem Journalismus werden: Digital ist Standard, der Rest geht in die Nische. So gesehen ist es keine echte Überraschung, dass die re:publica jedes Jahr größer wird.
Und ganz ehrlich: So lange diese Veranstaltung immer noch dieses eine, unerreichte Flair hat, solange man dort jedes Jahr mit dem sicheren Gefühl rausgeht, ganz bestimmt ein paar großartige Leute verpasst zu haben – so lange ist es auch völlig egal, ob da ein Sponsor Daimler heißt und ob Microsoft oder ein paar andere Größen da irgendwelche Stände aufbauen. Und solange erträgt man ein leichtes Dahingemoser wie in der SZ, in der es heute heißt, die re:publica sei selbstreferenziell geworden, die Besucher befänden sich in einer „Echokammer für die Social-Media-Elite“. Solange dieser Vorwurf aus der selbstverständlich kaum selbstreferentiellen und schon gleich gar nicht elitären Feuilleton-Elite der „Süddeutschen“ kommt, kann man damit ganz gut umgehen.
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Natürlich ist es immer noch ein ziemlich langer Weg mit dieser Digitalisierung. Das ist eine Sache die vor allem analogen Medienmenschen noch immer nicht so ganz klar zu sein scheint. Wenn man mit Ihnen spricht, dann habe ich immer den Eindruck, sie meinten, jetzt sei es dann mal wieder gut für die nächsten 15 Jahre mit diesen ständigen Veränderungen. Dabei sind wir gerade mal am Anfang einer neuen digitalen Gesellschaft und damit auch eines neuen Journalismus. Vergesst die Hoffnung, wir könnten uns dann mal wieder entspannt nach hinten lehnen und gemütlich weitermachen wie zuvor. Oder vielleicht mal noch ein paar optische Retuschen an unserem Werk vornehmen und das war es dann auch schon. Gerade wenn man die rp17 erlebt hat, beschleicht einen die Ahnung, dass es zu den nächsten Entwicklungssprüngen nicht mehr lange hin ist.
Was ja auch kein Wunder wäre: Die Geschichte des Smartphones ist nach gut zehn Jahren so gut wie auserzählt. Ob es noch bessere Kameras, noch schnellere Prozessoren und noch strahlendere Displays geben wird – schön, aber nicht wirklich relevant. Am Horizont tauchen schon wieder die nächsten Modelle auf: Sprachsteuerungen, künstliche Intelligenzen, gemischte Realitäten. Die Kinder unserer Kinder werden uns vermutlich bald auslachen, wie wir mühsam auf kleinen Tastaturen rumgetippt haben, um Befehle einzugeben, die am Ende kümmerliche Ergebnisse zustande brachten.
Und da glaubt ihr wirklich daran, mit einer Facebook-Seite und ein paar hübschen Apps schon in der Endausbaustufe des Journalismus angekommen zu sein? Schnee von heute, der bald geschmolzen ist.
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Immerhin aber war der Bundesinnenminister vor Ort, was die längste Schlange nach sich zog, die ich jemals vor einer Stage gesehen habe (und ich habe schon einige gesehen). Das zeigt zum einen die Relevanz der Veranstaltung und ist auf er anderen Seite eine gute Sache. Persönlich stört es mich immer furchtbar, wenn die sogenannte „Netzgemeinde“ bei Twitter oder sonstwo über jemanden herfällt, ohne dann den Dialog zu suchen. Man muss also keineswegs immer der Meinung des Innenministers sein, aber mit ihm reden darf man ja trotzdem. Vor allem, wenn man wie die rp17 so ein kuscheliges Motto hat und außerdem beteuert, wie blöd es ist, wenn Leute nicht miteinander ins Gespräch kommen.
Vielleicht bekommt man es ja irgendwann mal hin, dass es auch von dem eigentlich für das Thema zuständigen Ministerium seinen Weg zu rp findet. Herr Dobrindt jedenfalls besuchte die Logistikbranche in München, die laut seiner Staatssekretärin Doro Bär ein echter „Vorreiter der Digitalisierung“ ist.
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Davon abgesehen hatte ich dieses Jahr dummerweise mal wieder den großen Rucksack mit dem ganz großen Equipment dabei (was genau drin ist: hier). Irgendwie bringe ich es nie übers Herz, die große Nikon und die Funkstrecke zuhause zu lassen, obwohl mir natürlich sehr klar ist, dass es mobil mit viel kleinerem Equipment genauso gut geht. Das Resultat in Sachen Video: genau null mit der Nikon. Was die Fotos angeht:
Die Fotos stammen von der Nikon D600. Die sind natürlich absolut zufriedenstellend, aber das wäre ja auch fatal, wenn man mit einer Kamera für 2000 Euro nicht wenigstens halbwegs gute Ergebnisse hätte.
Zum Vergleich – diese Fotos stammen von meinem iPhone 7:
Möglicherweise sehen die Profis unter Ihnen die Unterschiede. Aber niemand kann mir erzählen, dass diese marginalen Unterschiede noch ausschlaggebend wären. Zumindest dann nicht, wenn man in erster Linie digital und schnell erzählen will. Der Umweg über Speicherkarte und USB ist jedenfalls kaum zu rechtfertigen – wenn man nicht gerade für eine Print-Doppelseite fotografiert und dafür auch die entsprechende Zeit hat.
Nächstes Jahr also, bei der rp18, werde ich mich wohl langsam überwinden: Die Nikon und die Funkstrecke und der ganze Kram bleiben daheim.
Ich natürlich nicht. Ich will ja sehen, ob die Mainstream-Echokammer der Elite nächstes Jahr mehr als 10.000 Menschen groß wird.