Sommer 2017, die Welt digitalisiert sich. Die ganze Welt? Nein, eine ganze Reihe deutscher Unternehmen tut immer noch so, als ginge sie das alles nicht so richtig was an…Read More
Am Ende einer ziemlich intensiven Woche mal wieder ein paar Erkenntnisse aus der kleinen Berater-Werkstatt, gepaart mit Zahlen.
Eine davon: Der digitale Wandel hat eine ganze Reihe unterschiedlichster Aspekte. Und unterschiedliche Aspekte kann man auch ganz unterschiedlich interpretieren. Aber einer davon ist so eindeutig, dass man nicht mal als sehr diskussionsfreudiger Mensch noch irgendwie interpretieren könnte: Dieser Medienwandel geht eindeutig zu Lasten von gedruckten Zeitungen. Wie man es dreht und wendet und wie sehr man noch den Nutzen von bedrucktem Papier betonen will: Eine klare Mehrheit hat sich von ihnen abgewendet. Print wird nicht in irgendeiner Nische verschwinden – Print ist bereits in der Nische angekommen.
Der Digital News Report 2017 zeigt nicht nur einen immer noch ansehnlichen digitalen Graben. Er zeigt auch, dass selbst bei einem älteren Publikum (genauer: 55plus) gedruckte Zeitungen als wichtigste Newsquelle eine nur noch sehr untergeordnete Rolle spielen. Schon klar, man könnte jetzt einwenden, dass halbwegs vernünftige Zeitungen sich ohnehin kaum mehr als Quelle klassischer Nachrichten verstehen. Bleibt trotzdem die Sache mit dem Medienbruch: Wer seine Medien in allererster Linie digital nutzt, wird vermutlich kaum wieder zum Papier greifen, weil es dort so hübsche Hintergründe zu lesen gibt.
Die wenigen Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Es wird immer Objekte geben, die man lieber gedruckt in die Hand nimmt. Und Liebhaber analoger Medien lesen lieber Papier und hören lieber Musik auf Vinyl, als dass sie beides vom Smartphone beziehen. Trotzdem: Investitionen ins gedruckte Blatt sind solange Unsinn, solange nicht die Priorität eindeutig auf digitalen Investitionen liegt.
Geld für digitales Equipment? Eher nicht…
Liegt doch auf der Hand und ist völlig banal? Könnte man glauben, ja. Der Blick in die Praxis ist aber immer noch erstaunlich. Dort scheitern digitale Projekte an Dingen, die der vermutlich auch auf dieser kleinen Seite hier vertretenen Filter Bubble unvorstellbar vorkommen dürften: Netzzugänge mit indiskutablen Geschwindigkeiten, Hard- und Software aus dem digitalen Mittelalter. Dazu kommt immer noch eine ausgeprägte Lustlosigkeit, für digitale Dinge Geld auszugeben: Die allermeisten meiner Gespräche mit Geschäftsführungen und Chefredaktionen aus den letzten Monaten haben sich darum gedreht, ob man den Redaktionen Tablets und Smartphones zur Verfügung stellt und ob es ein von mir empfohlenes Programm nicht irgendwo auch als Freeware zu bekommen sei.
Das steht in einem eklatanten Widerspruch zu den ganzen Panels und Sonntagsreden, die man zum Thema Digitalisierung häufig hört. Dazu kommt noch etwas anderes: der Gedanke, man könne mit ein paar Workshops und Gesprächsrunden den Sprung in das digitale Zeitalter schaffen. Es ist verblüffend zu sehen, wie wenig stringent die meisten Strategien sind, sofern es überhaupt welche gibt.
Und auch das ist verwunderlich: wie sehr selbst im Jahr 2017 die Gewichtungen noch falsch sind. Natürlich gibt es inzwischen in fast jeder Print-Chefredaktion auch ein digitales Adäquat. Aber schaut man sich alleine die personelle Ausstattung in den meisten Häusern an, muss man sich wundern. Nach wie vor ist dort der digitale Haufen ein ziemlich kleiner, während an den Besitzständen von Print immer noch festgehalten wird.
Bleibt schließlich das Man-müsste-eigentlich-Paradox: In kaum einen Verlag wird man nicht regelmäßig auf diese Floskel stoßen, egal in welcher Abteilung und gleich auf welcher Hierarchie-Ebene. Dabei wäre heute der Tag, an dem sie mit dem Wandel beginnen müssten. Und nicht erst morgen.
Das alles macht mich skeptisch, sehr skeptisch. Zumindest wenn es um das Überleben des publizistischen Mittelstandes in Deutschland geht. Die Großverlage haben es meistens schon ganz gut begriffen. Aber in der Fläche, die ganzen Regionalblätter, die irgendwo mit Auflagen zwischen 100.000 und 200.000 derzeit noch echte Dickschiffe sind? Ihre Bedeutung schrumpft weiter, Tag für Tag. Und ihre Reaktion? Strategien, die keine sind. Und ganz viel: Man müsste eigentlich…