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Die Technologie des Jahres 2023: KI

Ich habe einen genetischen Defekt (ok, vielleicht sogar mehrere, aber das ist der einzige, bei dem ich mir sicher bin): Wenn irgendwas was Neues rauskommt, was mit Technik zu tun hat, bin ich wie ein kleiner Junge, ich muss es sofort ausprobieren. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile; entsprechende Nachfragen richten Sie bitte an meine Frau. Im Neudeutsch nennt man sowas so wunderbar relativierend “First Mover”. Dabei bin ich lediglich über den Status eines Fünfjährigen nie hinaus gekommen, zumindest nicht bei diesem Thema.

In dieser Woche hätte ich gerne etwas ausprobiert, mal wieder. Allerdings sind mir die ganzen anderen Mental-Fünfjährigen zuvorgekommen (man lernt daraus, dass es anscheinend noch eine ganze Reihe von Menschen gibt, die anscheinend nicht richtig erwachsen werden wollen, das hat ja auch was Tröstliches). Jedenfalls war der Server einer Anwendung namens “ChatGPT” dauernd so am Anschlag, dass ich das vermaledeite Ding nicht immer benutzen konnte. Sehen Sie es positiv, so können Sie wenigstens sichergehen, dass dieser Text von Mensch geschrieben wurde.

Auf der anderen Seite: Ob das wirklich so positiv ist, kann man zunehmend öfter bezweifeln. Künstliche Intelligenzen, die auch ganze Texte schreiben können, erzielen immer öfter enorm gute Ergebnisse. Was nüchtern betrachtet ist: Wenn eine KI inzwischen in der Lage ist, Beethovens 10. zu komponieren, warum sollte sie dann nicht in der Lage sein, ein paar simple Texte zu schreiben? Das früher gerne gebrauchte Argument, eine KI könne einen guten Autor nicht ersetzen, zählt jedenfalls immer seltener. Sollte sich mal niemand einbilden, seine Texte seien komplexer als eine Symphonie von Beethoven. Zumal die Zeiten, in denen die KI bei Texten und Transkriptionen bizarre Ergebnisse hervorbrachte, langsam vorbei sind.

Gleichzeitig fiel mir ein, dass ich unlängst im Buch “Homo deus – eine Geschichte von morgen” des großartigen Yuval Noah Harari eine Übersicht gelesen habe, welche Berufe in Zukunft mehr oder weniger sicher aussterben werden. Es waren eine ganze Menge solcher dabei, von denen ich es nie und nimmer erwartet hätte. Journalisten und andere Kreativmenschen standen noch nicht darauf. 

Aber das hat weniger damit zu tun, dass Menschen dieser Gattung unantastbar wären, sondern möglicherweise damit, dass dieses Buch vor rund acht Jahren geschrieben wurde. Damals hatte man bestenfalls eine Ahnung, was KI mal können würde. Die Ergebnisse waren oft genug noch kurios und somit wenig brauchbar. Jeder, der damals Übersetzer oder Transkriptions-Software verwendet hat, erinnert sich in einer Mischung aus Lachen und Grausen. Allerdings: Jeder, der heute mit Deepl oder eben ChatGPT spielt, der weiß, wie nahe inzwischen solche Tools an einer wirklich brauchbaren Alltagshilfe sind, um es mal vorsichtig zu formulieren. In euphorischen Momenten sitze ich da und denke mir: wow, atemberaubend.

Schauen wir uns mal schnell an, welche Antworten ChatGPT gibt, welche Texte es schreibt:

Natürlich kann das Ding auch Deutsch, man muss dabei nicht mal in den Einstellungen ändern:

Da findest man es dann fast schon tröstlich, dass auch die künstliche Intelligenz manchmal ganz menschliche Züge zeigt:

Das alles ist weit entfernt von dem, was wir früher mal so tapsig-rührend “Roboterjournalismus” nannten. Dieser Begriff stammt noch aus einer Zeit, in der eine KI bestenfalls in der Lage war, hölzerne, fünf Sätze lange Fußballberichte aus der Kreisliga zu schreiben. Heute lässt sich absehen, dass KI viel mehr ist als ein tapsiger Roboter.

Sie kann zur Suchmaschine und zum Autor werden, sie wird das Googlen ersetzen. Wer will schon eine mehr oder weniger unübersichtliche Linksammlung, wenn er auf viele Fragen sehr konkrete Antworten und die passenden Formulierungen dazu bekommt? Wer beschäftigt noch Redakteure, die einen Nachrichtenblock zusammenstellen, wenn die KI schneller und zuverlässiger ist? Und wer braucht noch Mediendesigner, wenn sich Bilder, Grafiken und Videos mithilfe einer KI innerhalb kurzer Zeit machen lassen?

Auch hier der Selbstversuch, gemacht mit der momentan ebenfalls sehr gehypten Software Lensa AI. Ein paar Fotos (Selfies) in die Maschine geworfen, heraus kommen innerhalb von 15 Minuten über 100 Varianten, manche ganz gut, manche eher so, dass ich Sie Ihnen an dieser Stelle lieber nicht zeigen will.

Heißt für uns – ja, was eigentlich genau? 

Vier Erkenntnisse zum Thema KI

 

    1. KI wird der neue Gatekeeper: Schon heute gibt es im Netz fast nichts mehr, was nicht von Algorithmen gesteuert wird. Kein Social Media, kein Shopping, kein Streaming-Dienst, keine Musik. Meistens, ob es uns gefällt oder nicht, kennt uns die KI schon besser als wir uns selber. Du machst was mit Medien und willst dein Publikum erreichen? Dann beschäftige dich mal schön mit dem Thema KI, weil deine üblichen Methoden möglicherweise bald schon restlos veraltet sind. Anzeigen schalten, was für ein lustiger Gedanke.

    1. KI erkennt Muster und wertet Optionen aus. Welcher Twitter-Post mich beschäftigt, welcher Preis auf Amazon mich zum Kauf anregt und ob ich meine AirPods zu Hause lassen sollte oder nicht. In den letzten Monaten hat sich die „generative KI“ explosionsartig entwickelt – Systeme, die neue Optionen schaffen.

    1. Es gibt Sachen, die eine KI besser können wird als Du. Kurze Texte schreiben, Videos und Audios schneiden, Grafiken bauen. Daten analysieren sowieso. Kein Grund zur Trauer, weil KI dir künftig eine Menge Sachen abnehmen kann, die du eh nicht gerne magst (mir würden da auf einen Schlag gleich eine ganze Menge Sachen einfallen). Sich auf das wirklich Kreative zu konzentrieren und die Routine eine KI machen lassen, ich finde den Gedanken einigermaßen verlockend.

    1. Trotzdem werden wir eine wie auch immer geartete neue Form der Medienkompetenz und der Ethik brauchen. Wenn eine KI künftig ganze Fotos und Videos kreiert, wie können wir dann sicherstellen, dass wir nicht von einer ganzen Welle ausgezeichnet gemachter Fakes überrollt werden?

Noch weit weg, Zukunftsmusik? Ein Irrglaube. Jedes Jahr gibt es eine neue technische Errungenschaften: Wearables, mobile Geräte, 3D-Druck, Blockchain, Web 3.0, das Metaverse. Einige werden dem Hype gerecht, die meisten nicht, und einige wenige übertreffen ihn. 

Was ist also die Technologie des Jahres 2023? Und, was noch wichtiger ist, wird sie den gesellschaftlichen Fortschritt unterstützen oder lediglich mehr Kapital an die Schnelldreher und die bereits Wohlhabenden transferieren? Künstliche Intelligenz. Ich glaube, dass wir uns inmitten eines großen Sprungs nach vorn bei der künstlichen Intelligenz befinden und dass diese Technologie dank ihres Nutzens nicht nur lukrativ, sondern auch transformativ sein wird.

Gerade in den letzten Monaten haben wir Fortschritte bei den KI-Fähigkeiten gesehen, die selbst Skeptiker beeindruckt haben. Ein „goldenes Jahrzehnt“ nannte es ein Forscher. Ein Wissenschaftler am Max-Planck-Institut sagte: „Das wird die Medizin verändern. Es wird die Forschung verändern. Es wird das Bio-Engineering verändern. Es wird alles verändern.“ 

Kaum zu erwarten, dass wir in Medien und Kommunikation eine Ausnahme bei dieser Entwicklung machen werden.

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