Du betrachtest gerade Warum Google und ChatGPT an gar nichts „schuld“ sind

Warum Google und ChatGPT an gar nichts „schuld“ sind

Mathias Döpfner hat sich offiziell geschlagen gegeben. Das kommt selten genug vor, deswegen darf man das an dieser Stelle schon mal ausdrücklich erwähnen. Wem der Springer-Chef zähneknirschend zum Erfolg gratuliert hat und warum die Branche dennoch einen alten Fehler womöglich neu begeht.

Matthias Döpfner hat einen langen Text in der FAZ geschrieben. Das wäre nicht weiter der Rede wert, weil Döpfner sehr viele und manchmal auch sehr lange Texte schreibt, gerne auch in der FAZ und anderswo. Allerdings ist Döpfner nicht einfach nur ein Autor mit manchmal sehr eigenen Ansichten, sondern auch Vorstandschef des Springer-Verlags und als solcher eine gewichtige Stimme (ob man nun mag oder nicht). Davon abgesehen schreibt Döpfner immer wieder mal Dinge halboffiziell als Stimme der deutschen Verlage, sodass es sich auch ebendarum lohnt, genauer hinzuhören.

In seinem neuesten Text gibt Döpfner einer Art Kapitulationserklärung ab: Man könne sich der marktbeherrschenden Stellung von Google nicht entziehen und sei in jeder Hinsicht von diesem Konzern abhängig. Das (und manches andere, was Döpfner schreibt) ist richtig. Und gleichzeitig symptomatisch. Für das, was in Deutschland generell und regelmäßig bei Medienunternehmen passiert, wenn es um neue Technologien geht.

Dazu erst einmal ein paar neue Zahlen:

The United States leads China, the EU, and the U.K. as the leading source of top AI models. In 2023, 61 notable AI models originated from U.S.-based institutions, far outpacing the European Union’s 21 and China’s 15.

Kurz gesagt: Aus den USA kamen im vergangenen Jahr fast dreimal so viele Top-KI-Modelle wie aus der gesamten EU. Leider schlüsselt der dieser Zahl zugrunde liegende Artificial Intelligence Index Report 2024 der Universität Stanford die EU-Modelle nicht nach Ländern auf. Aber man darf wetten: Der Anteil aus Deutschland ist sehr, sehr überschaubar.

Schon klar, die USA sind etwas größer als Deutschland und das Silicon Valley liegt halt leider auch nicht hierzulande. Und trotzdem ist es mal wieder bezeichnend: Während die EU und Deutschland vor allem über künftige Regularien nachdenken, wird in den USA gemacht.

Das Ergebnis in Sachen KI wird erwartbar in ein paar Jahren so aussehen: Die USA dominieren Markt und Technologie – und Matthias Döpfner schreibt offene Briefe; vermutlich dann nicht an Google, sondern an OpenAI.
 

Erst die Schläfrigkeit, dann das Lamento


Das ist ungünstigerweise nicht das erste Mal. Womit wir dann wieder bei Döpfners offenem Brief an Google angekommen wären. Auch beim Thema Netz und Digitalisierung haben Deutschlands (Medien-)Unternehmen lange zugeschaut, sich mit Regulierungen versucht, die so putzige Namen wie Leistungsschutzrecht trugen. Funktioniert hat das nie. Was zur Folge hatte, dass Deutschlands Medienhäuser lange brauchten, um überhaupt in der digitalen Neuzeit anzukommen. Manche fremdeln bis heute erkennbar damit.

Dabei beweisen Döpfner und Kollegen bei diesem Thema eine erstaunliche Kurzsichtigkeit. Döpfner et al. lamentieren immer noch über die Dominanz Googles im Suchmaschinengeschäft, übersehen dabei aber, dass erstmals seit Dekaden Google gerade in diesem Bereich ein ernsthafter Konkurrent erwachsen könnte. Perplexity hat nämlich einigermaßen gut verstanden, dass das Geschäftsmodell der Zukunft ein anderes sein könnte: eine klare Antwort auf eine klare Frage zu bekommen. Das ist etwas grundlegend anderes als eine Linksammlung.

Sie fragen sich, was Perplexity ist, wer dahintersteckt und wie sich der Laden entwickelt? Fragen wir doch Perplexity mal genau das. Die Antwort:

Wollen wir jetzt noch darüber, was aus Sicht etlicher User die bessere Antwort und damit auch das plausiblere Geschäftsmodell ist?

Bevor Sie sich jetzt fragen, was Döpfner, die Verlage und Deutschland mit Perplexity zu tun haben – eine Gegenfrage:

Warum hat eigentlich niemand in Deutschland Perplexity gemacht?

Ja, schon klar, dafür gibt es eine Reihe guter Gründe; Jeff Bezos lebt nun mal nicht in Mannheim.

Auch ein Grund ist allerdings, dass man so etwas ungern in einer Umgebung macht, die lieber reguliert, Bedenken formuliert und für die Einführung digitaler Rathäuser und eines brauchbaren 5G-Netzes gefühlte Lichtjahre braucht (manchmal würde ich mir, nebenbei bemerkt, auch wünschen, dass sich unsere Regierung mehr mit solchen Dingen beschäftigt als mit der Frage, wie bekifft man jetzt noch Auto fahren kann).

Auch bei der nächsten Zukunftstechnologie werden wir wieder von den USA und von Großkonzernen dominiert

Kann also gut sein, dass irgendwann mal statt Google Perplexity dominiert. Dass Open AI wichtiger ist als Alphabet. Ob es so kommt oder nicht, werden wir in so einem kleinen Newsletter nicht diskutieren können, sicher ist nur: Wir schauen zu. Mal wieder. Und Herr Döpfner schreibt dann irgendwann wieder sehr, sehr lange offene Briefe.

Dabei bräuchte man erst einmal die gute Idee. Den Blick dafür, worum es in Zukunft geht. Klar, irgendwann benötigt man dann auch mal Geld und Infrastruktur. Aber wenn das als Killer-Argument herhalten soll, dann muss man die Gegenfrage stellen, wie es beispielsweise DeepL geschafft hat, in seinem Metier in der Weltklasse mitzuspielen.

Wenn also die Döpfners und andere dieser Medien-Welt hinschauen würden, dann würden sie feststellen, dass wir gerade vor einer Art Leverkusen-Moment stehen (die Fußball-Fans unter Ihnen verstehen die Anspielung). Klar dominiert Google momentan die Suche und die Online-Werbung. Aber was, wenn jetzt die Zeit ist, in der die Suche herkömmlichen Stils zum Auslaufmodell wird und künftig eher die Perplexity-Lösung gefragt ist? Das würde ja bedeuten, dass sich eventuell auch für Medien neue Geschäftsmodelle ergeben könnten.

Klingt unwahrscheinlich? Kann sein. Aber wie wahrscheinlich hat es sich vor 20 Jahren angehört, wenn man prophezeit hat, dass eine Suchmaschine im Netz die bisherigen Geschäftsmodelle beispielsweise von Zeitungen in Schutt und Asche legen wird?

Dumm nur: Ich sehe momentan zumindest in Deutschland niemanden, der sich intensiv mit dieser Möglichkeit auseinandersetzt (ich mag mich täuschen; wenn jemand etwas Gegenteiliges weiß, freue ich mich über entsprechenden Input). Dabei ist absehbar, dass sich diese Entwicklungen in einem rasenden Tempo fortsetzen werden. Ganz einfach deswegen, weil es aktuell beim Thema KI grundsätzlich eher exponentiell denn linear vorwärtsgeht.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.