Werdet Journalisten (und vergesst Röper)!

Weil die Stimmung im Medienland ohnehin gerade so schlecht war, dachte ich mir im ersten Moment: Vielleicht hat er recht, dieser Herr Röper, ein Medienprofessor aus Dortmund, den sie grundsätzlich im WDR fragen, wenn irgendjemand irgendwas zu Zeitungen sagen soll. Röper also, ein halb-öffentlich-rechtlicher Medienprofessor, sagte, er würde jedem dringend davon abraten, heutzutage noch Journalist zu werden. Da hatte ich gerade von der Enteierung der „Westfälischen Rundschau“ gelesen, mit einigen jungen Journalisten über deren Zukunftssorgen gesprochen und nach ein paar eigenen merkwürdigen Erfahrungen mal wieder festgestellt, nicht unglücklich zu sein, dass ich auch ein paar andere Dinge kann und mache, als als freier Journalist auf Honorarbasis unterwegs zu sein. In einer solchen Laune war ich also schon empfänglich für den absolutistischen Pessismismus des eloquenten Professors. Geht´s halt alle ins Finanzamt und werdet bloß keine Journalisten, man muss sich ja doch nur ärgern!

Danach packte mich der mir angeborene Trotz und ein kleines bisschen Wut war auch dabei. Auf den Professor Röper, der mit einer sehr plakativen und auch populistischen Äußerung mal wieder seine 15 Minuten Ruhm oder wenigstens Aufmerksamkeit bekam. Aber noch mehr auf unseren eigenen Berufsstand. Auf diese grassierende Verzagtheit und die Mutlosigkeit und dieses Lavieren irgendwo hin zur nächsten Krise oder zum nächsten Kahlschlag. Auf dieses elende Sicherheitsdenken und auf die Tatsache, dass man immer noch schief angeschaut wird, wenn man vorschlägt, wie es denn wäre, mal was Neues zu versuchen. Auf diesen einmaligen Anspruch, dass diese Welt doch so zu bleiben habe, wie sie schon immer war. Anderen hauen wir in klugen Leitartikeln um die Ohren, wie wichtig Flexibilität und die Bereitschaft zur Veränderung sind, nur in unserem eigenen Job hätten wir gerne die Strukturen von 1983 zurück.

Aber das ist doch gar nicht so, werden Sie jetzt womöglich semi-enrüstet denken. Doch was ist es anderes als Mutlosigkeit und Resignation, diesen Beruf quasi aufzugeben? Was schon alleine deswegen utopisch ist,  weil es vielleicht doch eine gute Idee wäre, wenn es weiterhin den einen oder anderen Journalisten in Deutschland gäbe und wir das Feld der Information und der Meinungsbildung nicht den Pressesprechern und allen anderen überlassen, die sich dazu berufen fühlen. Aber davon abgesehen: Wie soll aus einer solchen gelebten Mutlosigkeit jemals etwas Neues entstehen? Und wie plausibel ist es eigentlich, wenn man Verlegern vorwirft, wie sehr sie den Wandel verschlafen haben, wenn die eigene Alternative darin besteht, einfach mal eben alles hinzuwerfen?

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Manchmal denke ich mir: Wenn unsere Branche schon immer so verzagt gewesen und von der Lust beseelt gewesen wäre, einfach alles hinzuwerfen – hätte sich dann jemals jemand getraut, eine „taz“ auf den Markt zu bringen oder meinetwegen nur eine „Landlust“? Eine „Wired“ oder überhaupt das ganze Internet? Wir bewundern ja gerne mal Menschen wie Steve Jobs, der mit scheinbarer Leichtigkeit ganze Branchen auf den Kopf gestellt hat, nicht nur seine eigene.  In unserer eigenen Branche stellen wir fest, dass die Geschäftsmodelle von früher nicht mehr  so funktionieren und halten es deshalb für eine gute Idee, einfach alles hinzuwerfen. Weil andere keine wirklich guten Ideen mehr haben, ist es nach dieser Logik besser zu resignieren als sich zu überlegen, wie man es besser machen könnte.

Immerhin, das vergisst man ja bei dem ganzen Dauerlamento ganz gerne mal, gibt es im Zuge dieses ganzen Umbruchs ja auch so etwas, was man gemeinhin Chancen nennt. Vielleicht muss man sich das einfach nochmal vor Augen führen: Es ist noch nicht so lange her, da waren für Journalisten die Wege zu eigenen Projekten weitgehend verstellt, wenn sie nicht gerade zufällig ein paar Millionen auf dem Konto hatten oder praktischerweise Kinder eines Verlegers waren. Der Weg in die Abhängigkeit von einem Sender oder einem Verlag war also vorgezeichnet. Heute kann jeder sein eigenes Ding machen, bloggen, ganze Publikationen heraus bringen, Videos in einem eigenen Kanal veröffentlichen, Radiosendungen produzieren, Bücher schreiben, kurz gesagt: machen, was er will, was ihm einfällt und was er für richtig und erfolgsversprechend hält. Nein, ich bin nicht so naiv, um  nicht zu wissen, dass nicht jede Idee vom Erfolg gekrönt sein wird. Und bevor Sie es jetzt selbst sagen: Mit Bloggen alleine oder einem YouTube-Kanal wird man nicht zwingend reich, eher im Gegenteil.

Wahr ist leider aber auch, dass man vom Warten auf Godot ebenfalls nicht reich wird. Mit dieser Opferhaltung, die impliziert: Wenn mein Arbeitgeber Mist baut, dann geht es für mich auch den Bach runter. Dass Arbeitgeber übrigens ab und auch Mist bauen, hat man in unserer Branche in den letzten Monaten durchaus eindrucksvoll gesehen, weswegen sich die Frage aufdrängt: Auf was wartet ihr eigentlich? Auf Auffang- und Transfergesellschaften, die so trost- und perspektivlos sind wie es der Name verspricht? Auf die nächste Sicherheitsattrappe, die ihr zu dem Preis von leider nochmals reduzierten Gehältern und Honoraren bekommt? Auf den nächsten Geschäftsführer, der auch findet, man müsste jetzt dann aber wirklich mal dringend was mit diesem Internet machen und der das dann auch macht, sobald man ihm dieses Internet erklärt hat? Was besseres als den Tod, Bremer Stadtmusikanten, Sie wissen schon – ist die Verzagtheit in diesem Job jetzt wirklich schon größer als bei einem alten Esel und einer bescheuerten Katze?

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Weil wir gerade bei den eher grundsätzlichen Erwägungen sind: Manchmal denke ich mir ja, dass es gar nicht so schlecht ist, wenn es die Branche und unserer Journalistenjob mal ordentlich durchschüttelt. Was man momentan leider auch auf Journalistenseite in der Krise so erlebt, ist das blanke Erstaunen von Menschen, die zwischenzeitlich zu Redaktionsbeamten mit Vollkaskomentalität mutiert sind und es als pure Zumutung empfinden, wenn es plötzlich vorbei ist mit den goldenen Beamtenzeiten. Die Krise, in der wir momentan stecken, ist ja nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine inhaltliche. Beim „Stern“ beispielsweise will der neue Chefredakteur den ganzen Laden mal ordentlich auseinandernehmen, was eine ganz gute Idee ist, nebenbei bemerkt. Der „Stern“ ist für mich das Paradebeispiel für diesen eingeschlafenen, ritualisierten Journalismus, der aufgehört hat, sich zu hinterfragen – und der sich jetzt wundert, dass er konstant an Zuspruch verliert. Oder die „Tagesschau“, das abendliche Journalismus-Ritual und die in 15-Minuten-Form gegossene Attrappe von Nachrichten und deren verständlicher Vermittlung. Oder die unzähligen Zeitungen, die seit vielen Jahren das selbe machen, jetzt nur neuerdings auch in Farbe und mit ein bisschen Internet. Solche Dinge passieren, sie haben mit Routinen zu tun, aber eben auch damit, wenn Journalisten immer mehr zu Beamten werden, die einen Wandel des Publikums und der Arbeitsbedingungen nicht als das begreifen, was es schon immer gegeben hat und was so zum Leben gehört wie der Wechsel der Jahreszeiten. Sondern als Unverschämtheit und unangemessene  Zumutung. Die Fenster aufmachen, mal ordentlich durchlüften – macht den Kopf klar. Und wenn ihr es selber nicht tut, machen es eben andere.

Werdet also Journalisten Leute, oder bleibt es wenigstens. Hört nicht auf Professoren, die euch entmutigen wollen. Die Chancen waren noch nie so gut, Teil von etwas Neuem zu werden. Und nicht als Redaktionsbeamter mit Ärmelschonern zu versauern.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Freier Journalist

    Lieber Kollege,
    auch wenn Sie das Gegenteil beabsichtigen, haben Sie mich doch gerade davon überzeugt, nach 16 Jahren als freier Journalist endlich aus diesem (Ex-Traum)-Beruf auszusteigen. Ich denke schon länger darüber nach… Die Arbeitsbedingungen werden immer katastrophaler und nächstens wird ein Heer arbeitsloser Journalisten in den Markt drängen, um sich als Freie irgendwie über die Runden zu bringen. Leider bin ich mit fast 50 Jahren nicht mehr so naiv und enthusiastisch, zu glauben, ich könnte mit einem eigenen Blog oder e-book meine Miete bezahlen…

  2. Kurzbündig

    Hallo Kollege,
    dem vorigen Kommentar kann ich mich nur anschließen. Da ich nicht zum Heer der „Redaktionsbeamten mit Ärmelschonern“ zählte, sondern den frischen Wind der Freiheit kenne, bleibt mir die Realsituation nicht fremd. Trotz Ideenreichtum ist Bodenständigkeit angebracht, die Wirklichkeit vom Wunschdenken zu unterscheiden.

    Es benötigt einiges an Zeit, verschiedene Umstellungsphasen, Veränderungen und Einsichten, bevor die benötigten Freiräume – in den blockierten Gewohnheitsköpfen der Gesellschaft – offen stehen für Neues. Der Abwärtstrend erreichte bisher noch nicht sein Halteschild, sondern erst das gewisse Bewusstsein in begrenzter Öffentlichkeit. Überleben – bis dahin!

  3. Karlo

    Röper hat recht.
    Ich würde diesen Beruf – für den ich echt gebrannt habe – nicht wieder ergreifen. Ich bin zwar fest angestellt, habe einen „guten alten“ Vertrag, aber ich werde mich um was anderes umschauen. Ich ertrage den Frust nicht mehr. Und für die Zukunft brauche ich einen Job, mit dem ich meine Kinder ernähren kann.
    Singen im Keller bringt uns auch nicht weiter, Kollege.

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